Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 19.7.1914 geborene Klägerin lebt in ***** (USA). Sie gehört zum begünstigten Personenkreis gemäß § 500 ASVG und bezieht von der klagenden Partei seit 1.1.1985 eine Alterspension (AS 91 des Pensionsaktes). Sie befindet sich nunmehr im 82. Lebensjahr, bedarf zur Herbeischaffung von Lebensmitteln und Heizmaterial (bei allerdings vorhandener Elektroheizung in der Wohnung), zur Reinigung der Wohnung (zum oberflächlichen Aufräumen und Staubwischen), zur Pflege der Leib- und Bettwäsche, zum Bettmachen (Überziehen und Aufbetten) sowie für alle Wege außer Haus von mehr als 100 m der fremden Hilfe. Bei kaltem Wetter sind Wege außer Haus nicht indiziert. Sie kann sich jedoch allein an- und ausziehen, waschen, die Toilette aufsuchen und die Notdurft verrichten sowie sich hernach reinigen, auch eine Ganzkörperreinigung durchführen, frische Hausmannskost (auch koschere Mahlzeiten) zubereiten und ihre Elektroheizung betätigen.
Mit Bescheid vom 30.4.1993 lehnte die beklagte Partei den am 4.5.1992 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses ab, weil die Klägerin nicht hilflos im Sinne des § 105 a (im Ersturteil unrichtig zitiert als § 105) ASVG sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin das Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung des Hilflosenzuschusses im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten. Zufolge gesundheitsbezogener Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit seien die Voraussetzungen für die begehrte Leistung erfüllt.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Der Fremdaufwand der Klägerin für Einkaufen, Reinigungsarbeiten, Versorgung der Wäsche und Mobilitätshilfe betrage insgesamt 40 Stunden, wofür nach dem Lohnniveau von New York (entsprechend auch den in Österreich "schwarz" bezahlten Kosten) ein Stundensatz von S 100,-- (für das Jahr 1992) gemäß § 273 ZPO zu veranschlagen sei, sohin mehr als S 2.500,-- pro Monat. Dazu komme noch 1 1/2 Stunden tägliche Fremdhilfe für Tätigkeiten wie Bettenmachen, Aufräumen, Bücken nach herabgefallenen Gegenständen etc. Ab 1.7.1993 sei der Hilflosenzuschuß in das Bundespflegegeld der Stufe 2 umzuwandeln.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens, und zwar ab 4.5.1992 hinsichtlich der Gewährung eines Hilflosenzuschusses, ab 1.7.1993 hinsichtlich der Gewährung eines Pflegegeldes jeweils im gesetzlichen Ausmaß, ab. Für die Zeit vor Inkrafttreten des BPGG und der EinstV könne der Anspruch nicht nach deren Ansätzen geprüft werden. Für das Einkaufen und die Versorgung der Wäsche (insbesondere der Leibwäsche) seien pro Monat rund 15 bis 17 Stunden zu veranschlagen, für Wohnungsreinigungsarbeiten inklusive Bettenversorgung weitere 18 Stunden, zusammen sohin 35 Stunden, was bei einem Stundenlohn 1992 von S 80,-- ergebe, daß der Hilflosenzuschuß von höchstens rund S 2.969,-- (bei Zugrundelegung 14 x im Jahr ca S 3.400,--) im Jahre 1992 nicht erreicht werde. Hiebei sei auch bloß der in Österreich und nicht der in New York übliche Stundensatz zugrundezulegen, weil von einer Gleichbehandlung zwischen in- und ausländischen Arbeiten auszugehen sei, und Abweichungen im Ausland nicht berücksichtigt werden könnten. Die Mobilitätshilfe im weiteren Sinne werde erst durch § 2 Abs 2 EinstV zu den notwendigen Hilfseinrichtungen gezählt. Auch wenn der Hilfsbedarf der Klägerin seit dem 1.7.1993 nach dieser Bestimmung ermittelt werde, ergebe sich ein Gesamtaufwand von 40 Stunden, sodaß das erforderliche Ausmaß nach § 4 Abs 2 BPGG nicht erreicht werde. Die Herbeischaffung von Heizmaterial sei im Hinblick auf die elektrische Beheizung in der Wohnung der Klägerin nicht erforderlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisiongrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
1.) Auch über den 30.6.1993 hinaus ist der vorliegende Anspruch der Klägerin grundsätzlich nach dem (ansonsten mit diesem Datum außer Kraft getretenen) § 105 a ASVG zu beurteilen, weil es sich bei der Klägerin - was unstrittig ist - um eine zum § 500 ASVG umschriebenen begünstigten Personenkreis gehörigen Person handelt, für welche § 5 a Abs 2 OFG (idF Art 4 Z 4 SRÄG 1993 BGBl 135) die bis 30.6.1993 geltende Rechtslage perpetuierte und - was die Anspruchsvoraussetzungen betrifft - die Weitergeltung des gemäß Art 1 Z 12 des zweiten Teiles BPGG iVm dem dritten Teil erster Abschn Z 1 BPGG mit 30.6.1993 außer Kraft getretenen § 105 a ASVG ausdrücklich anordnete. Dem Begünstigten sollte damit das Recht auf pflegebezogene Leistung, deren Voraussetzungen und Höhe der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BPGG entspricht, gewahrt bleiben (Pfeil, Die Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 170; ausführlich jüngst auch 10 ObS 204/95). Die Ausführungen der Revisionswerberin, wonach sich die Höhe nunmehr (nach dem 1.7.1993) - ausschließlich - nach dem Pflegegeld der Stufe 2 zu richten habe, und des Berufungsgerichtes (insbesondere im gegenüber dem Klagebegehren umformulierten Urteilsspruch) beruht darauf, daß sich aus einer zusammenhängenden Sicht des § 5 a Abs 1 und 2 OFG, insbesondere aber aus dessen Abs 2 ergibt, daß es sich bei dieser besonderen pflegebezogenen Leistung um eine Sonderform des Pflegegeldes handelt, wobei nach dem im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ausdrücklich dokumentierten Willen des Gesetzgebers (968 BlgNR XVIII. GP, 6) die Bestimmungen des BPGG auf diese Personengruppe nur zur Anwendung kommen sollen, wenn ihr Antrag nach dem 30.6.1993 gestellt wurde. Wurde der Antrag hingegen - wie hier - vor dem 1.7.1993 gestellt und ist das Verfahren zu (nach) diesem Zeitpunkt noch offen, so ist von der Fiktion einer Antragstellung zu diesem Termin auszugehen (weiter aufrechter Antrag - idS auch SSV-NF 3/134). Da die Gewährung eines Hilflosenzuschusses (im Sinne des § 105 a ASVG aF) nicht mehr möglich ist, ist ab diesem Zeitpunkt jedenfalls Pflegegeld (der Höhe nach in der Stufe 2) zu gewähren.
2. Das in der Revision als zu gering monierte Ergebnis der Festsetzung des monatlichen Arbeitsaufwandes der Klägerin nach § 273 ZPO (SSV-NF 3/72) wird zutreffend unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft (10 Ob S 110/91 mwN). Anders als in dem - hinsichtlich der Lebenssituation in den USA und des Lebensalters - vergleichbaren Fall der Entscheidung 10 Ob S 233/89 (SSV-NF 3/114) ist die Klägerin hier nicht nur nicht imstande, Lebensmittel außer Haus zu beschaffen, ihre Wohnung ordentlich zu säubern und die große Wäsche zu besorgen (was für sich allein den Anspruch auf Hilflosenzuschuß allerdings nicht rechtfertigen könnte), sondern darüber hinaus auch zu den weiteren eingangs wiedergegebenen Leistungen nicht imstande. Während das Erstgericht für Einkäufe und Besorgung der Wäsche monatlich 20 Stunden sowie für Wohnungsreinigungsarbeiten inklusive Bettenversorgung monatlich 25 Stunden (zusammen sowie 45 Stunden) veranschlagte, reduzierte das Berufungsgericht diese Stundenzahlen auf 15 bis 17 einerseits und 18 andererseits (zusammen sohin 35). Die Revisionswerberin hingegen strebt einen monatlichen Mindeststandard von 46 Stunden an, ohne hiezu jedoch inhaltlich Substantielles vorbringen zu können.
Bei der - ausgehend von den Feststellungen über die notwendigen Wartungs- und Hilfsverrichtungen vorgenommenen - zeitlichen Einschätzung dieses Betreuungsaufwandes nach § 105 a ASVG handelt es sich um eine rechtliche Beurteilung, gegen welche seitens des Revisionsgerichtes indes keine Bedenken bestehen, zumal sich der vom Berufungsgericht unterstellte Zeitbedarf auch mit der Lebenserfahrung durchaus zwanglos in Einklang bringen läßt.
3.) Nach der seit SSV-NF 1/46 = SZ 60/223 ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates gebührt der Hilflosenzuschuß dann, wenn ein Pensionist oder eine Pensionistin aus gesundheitlichen Gründen notwendige Verrichtungen nicht mehr allein ausführen kann und deshalb aufzuwendenden Kosten fremder Hilfe üblicherweise unter Berücksichtigung zur Verfügung stehender oder Personen ähnlicher Einkommen im selben Lebenskreis üblicherweise zur Verfügung stehender Hilfsmittel mindestens so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß; ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe ist jedoch nur dann gegeben, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Pensionsbeziehers (der Pensionsbezieherin) üblicherweise aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt etwa so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß (in diesem Sinne zuletzt auch SSV-NF 8/58). 1992 betrug der Hilflosenzuschuß mindestens S 2.887,--, und höchstens S 2.969,--, 1993 mindestens S 3.002,-- und höchstens S 3.028,--. Unter Zugrundelegung eines in Österreich - daß das Berufungsgericht abweichend vom Erstgericht die in- und nicht die ausländischen (in New York gegebenen) Verhältnisse zugrundelegte, wird in der Revision nicht mehr bekämpft (SSV-NF 3/114) - 1992/1.Jahreshälfte 1993 durchaus realistischen Stundensatzes von S 80,-- (10 Ob S 251/92) ergibt sich damit unter Bedachtnahme sogar aller im fraglichen Zeitraum angefallenen Hilfsstunden im Ausmaß von 35 ein Betrag von S 2.800,--, weshalb das Klagebegehren insoweit tatsächlich mit Recht abgewiesen wurde, weil die aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt nicht so hoch sind wie der im fraglichen Zeitraum begehrte Hilflosenzuschuß. Daß in Österreich 1992 eine "schwarz" bezahlte Haushaltskraft nicht unter S 100,-- pro Stunden zu bekommen gewesen sei, ist eine durch nichts gedeckte Behauptung, die auch mit den Ansätzen der einschlägigen Mindestlohntarife nicht in Einklang gebracht werden kann. Auch die in der Revision zitierte Entscheidung 10 Ob S 110/91, welche ihrerseits wiederum auf SSV-NF 3/72 Bezug nimmt, steht damit nicht in Widerspruch. Für eine - wie in der Revision gewünscht - sogar 16 x monatlich zu unterstellende Gesamtbelastung des monatlichen Aufwandes fehlt überhaupt jede realistische wie auch aktenmäßige Deckung.
Das Begehren der Klägerin wurde daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus der Aktenlage.
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