Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.543,50 (darin S 257,25 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 17. Dezember 1986 zu ihrer Witwenpension den Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, und trug ihr eine vorläufige Zahlung von S 2.500,- im Monat auf. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die 1910 geborene Klägerin lebt in Boston in den Vereinigten Staaten. Sie kann sich aufgrund ihres - näher
beschriebenen - körperlichen Zustands allein an- und auskleiden, essen, sich waschen, die Notdurft verrichten, eine Mahlzeit zubereiten und die Wohnung auf einfache Weise säubern, ohne sich zu bücken. Sie kann jedoch keine Lebensmittel ohne fremde Hilfe herbeischaffen, die Wohnung nicht gründlich säubern und die große Wäsche nicht besorgen. Zur Versorgung des Haushalts braucht sie etwa zweimal wöchentlich fremde Hilfe in der Dauer von jeweils drei Stunden, für die sie 60 Dollar in der Woche zu zahlen hat. Wenn sie sich für die Lebensmittelzustellung fremder Hilfe bedient, muß sie im Monat mindestens 25 Dollar ausgeben. Weitere Kosten fallen bei der Klägerin in den Wintermonaten an, wenn sie das Haus wegen des starken Winters an der Ostküste der Vereinigten Staaten in der Zeit von Dezember bis März nicht verlassen kann. Sie kann in diesem Zeitraum keine Medikamente besorgen und keine gesellschaftlichen oder religiösen Kontakte aufnehmen. Dazu braucht sie fremde Hilfe. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Klägerin Anspruch auf Hilflosenzuschuß gemäß § 105 a ASVG habe, weil die durch ihre Hilflosigkeit verursachten Kosten höher als der begehrte Hilflosenzuschuß seien. Das Berufungsgericht wies infolge Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren ab. Die Kosten der Besorgung der großen Wäsche seien nicht zu berücksichtigen, zumal auch nicht eingeschränkte Personen die große Wäsche üblicherweise in einer Wäscherei reinigen ließen. Da auch schwere Haushaltsarbeiten nur in größeren Zeitabständen anfielen und Nahrungsmittel nicht täglich besorgt werden müßten, sei auszuschließen, daß die Klägerin hiefür auch nur annähernd einen Betrag in der Höhe des Hilflosenzuschusses aufwenden müsse.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung (an das nicht näher bezeichnete Gericht) zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens werden in der Revision zwar bezeichnet, jedoch nicht ausgeführt.
Zur rechtlichen Beurteilung der Sache vertritt der Oberste Gerichtshof seit seiner grundlegenden Entscheidung SSV-NF 1/46 und mehreren damit übereinstimmenden Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Rentner oder Pensionist nur dann Anspruch auf Hilflosenzuschuß hat, wenn die Kosten der infolge der Hilflosigkeit notwendigen Dienstleistungen im Durchschnitt mindestens so hoch wie der begehrte Hilflosenzuschuß sind. Er hat dabei aber nicht zur Frage Stellung genommen, welche Kosten maßgebend sind, wenn der Rentner oder Pensionist im Ausland wohnt. Nach Ansicht des erkennenden Senates kann nur auf die Kosten Bedacht genommen werden, die ein im Inland lebender Rentner oder Pensionist unter den Verhältnissen hätte, die jenen am nächsten kommen, in denen der den Hilflosenzuschuß begehrende, im Ausland lebende Rentner oder Pensionist lebt. Ergibt sich aus den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen nichts anderes, muß nämlich davon ausgegangen werden, daß der österreichische Gesetzgeber bei Erlassung eines Gesetzes die Verhältnisse im Inland im Auge hatte und nur hiefür eine Regelung erlassen wollte. Die für die Hilfeleistung erforderlichen Kosten sind nur als Maßstab im Sinn der Absicht des Gesetzgebers, mit dem Hilflosenzuschuß den erhöhten Aufwand des Rentners oder Pensionisten wenigstens teilweise abzudecken, zu werten und stellen daher nur ein Indiz für den Bedarf nach ständiger Wartung und Hilfe dar. Da der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Höhe des Hilflosenzuschusses offensichtlich auch die mit der Hilfeleistung verbundenen Kosten im Auge hatte, kann nur von den vergleichbaren Kosten einer Hilfeleistung in Österreich ausgegangen werden. Ebenso wie der Anspruch auf Hilflosenzuschuß nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Rentner oder Pensionist in einem Land mit niedereren Kosten als in Österreich lebt, kann es den Anspruch auf Hilflosenzuschuß nicht begründen, wenn die in diesem Land auflaufenden Kosten höher als in Österreich sind. Hier ist es daher nicht entscheidend, daß die Kosten, welche die Klägerin an ihrem Wohnort für die infolge ihrer Hilflosigkeit notwendigen Dienstleistungen aufwenden muß, den Betrag des Hilflosenzuschusses übersteigen. Es kommt vielmehr darauf an, ob dies auch der Fall wäre, wenn sie in vergleichbaren Verhältnissen in Österreich lebte. Der Oberste Gerichtshof hat für die Verhältnisse in Österreich schon mehrfach ausgesprochen, daß der Anspruch auf Hilflosenzuschuß nicht besteht, wenn Hilfe nur für das Besorgen der Lebensmittel, das gründliche Säubern der Wohnung und das Waschen der großen Wäsche notwendig ist, wobei er auf die heute übliche Ausstattung der Haushalte mit Geräten und Maschinen hingewiesen hat (vgl. schon SSV-NF 1/46). Er hält an dieser Rechtsansicht fest und billigt daher die damit übereinstimmende Auffassung des Berufungsgerichtes.
Für die Klägerin ist nichts daraus zu gewinnen, daß sie im Winter ihre Wohnung nicht verlassen kann. Die Notwendigkeit, die Wohnung zu säubern oder die große Wäsche zu besorgen und Lebensmittel einzukaufen, wird hiedurch nicht wesentlich vergrößert. Daß sie Medikamente häufiger als Lebensmittel besorgen lassen muß, ist nicht hervorgekommen. Auf die Möglichkeit, gesellschaftliche oder religiöse Kontakte zu pflegen, kann nicht Bedacht genommen werden. Ohne daß damit das Recht auf solche Kontakte oder deren Notwendigkeit in irgendeiner Weise in Frage gestellt werden soll, können sie bei der Entscheidung über den Anspruch auf Hilflosenzuschuß nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht lebensnotwendig sind, der Hilflosenzuschuß nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers aber nur für die Wartung und Hilfe bei lebensnotwendigen Verrichtungen gebührt (vgl. SSV-NF 2/12). Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/66).
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