OGH 15Os108/95

OGH15Os108/9531.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.August 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang H***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 20.Juni 1995, GZ 16 Vr 756/94-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem im zweiten Verfahrensgang erflossenen angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde der Angeklagte Wolfgang H***** für den schon im ersten Verfahrensgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruch wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 sowie § 15 StGB nach § 207 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Den Unterbringungsausspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er sich gegen die Qualifikation der zu befürchtenden strafbedrohten Handlungen als solche mit schweren Folgen wendet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist insoweit zulässig, weil jenes Element der Gefährlichkeitsprognose, das die Rechtsfrage der Qualifikation der befürchtenden strafbedrohten Handlung mit schweren Folgen betrifft, aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO anfechtbar ist (ÖJZ-LSK 1995/139, 15 Os 53/95, 15 Os 46/95, 11 Os 13/92, 16 Os 57/91).

Ihr kommt aber keine Berechtigung zu.

Die Anlaßtaten, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt wurde, bestanden darin, daß er im Sommer 1993 an verschiedenen Tagen vier Mädchen und einen Knaben im Alter zwischen acht und 11 Jahren teils an den Geschlechtsteilen streichelte, teils an den Brüsten betastete und im Sommer 1994 ein nahezu 14 Jahre altes Mädchen an den Brüsten betastete und versuchte, die Hand des Mädchens auf seinen erregten Penis zu legen.

Das Schöffengericht konstatierte, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.S*****, daß beim Angeklagten eine seelisch-geistige Abartigkeit höheren Grades vorliege und ohne entsprechend massive therapeutische Behandlung eine hohe Rückfallsgefahr bestehe, weshalb konkret zu befürchten sei, daß der - auch schon zweimal wegen gleichartiger sittlicher Verfehlungen an Knaben und Mädchen im Alter zwischen 10 und 12 Jahren vorbestrafte - Angeklagte unter dem Einfluß seiner geistigen Abnormität gleichartige Handlungen wie bisher begehen werde.

Ob die zu befürchtenden strafbedrohten Handlungen solche mit schweren Folgen darstellen, ist anhand aller konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu beurteilen, sohin nach Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen (Leukauf/Steininger Komm3 § 21 RN 13). Wiederkehrende Tathandlungen, durch die Unmündige in ihrer psychischen und sittlichen Entwicklung gefährdet werden, haben einen erheblichen sozialen Störwert (Pallin im WK § 23 Rz 31) und sind deshalb Handlungen mit schweren Folgen (10 Os 83/76, 14 Os 147/87, 15 Os 144/89).

Mit Recht haben die Tatrichter daher auch die vom Angeklagten zu verantwortende teils vollendete, teils versuchte Unzucht mit Unmündigen und demgemäß auch die prognostizierten "gleichartigen Taten wie bisher" als strafbare Handlungen mit schweren Folgen beurteilt. Der Rechtsansicht des Angeklagten zuwider kommt es dabei auf aggressives Verhalten des Täters nicht an; gerade dieser Umstand ist für das Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB, das kein "Gewaltdelikt" ist (vgl Foregger/Serini StGB5 § 207 Erl II), kein Tatbestandsmerkmal, auch ohne Aggressionen kann - wie hier - sexueller Mißbrauch Unmündiger einen enormen sozialen Störwert beinhalten.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Z 2 StPO).

Demnach fällt dem Oberlandesgericht Wien die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung zu (§ 285 i StPO).

Stichworte