Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Gerhard B***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und zugleich gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Ihm liegt zur Last, außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dadurch, daß er am 30.September 1994 in Wien Isabella E***** schlug, festhielt, an den Haaren riß und mehrfach drohte, er werde sie umbringen, zu mehrmaligem Vaginalverkehr sowie zum Oralverkehr zwang, zur Duldung des Beischlafes und zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch und den Unterbringungsausspruch erhob der Angeklagte eine auf die Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; gegen die Strafhöhe sowie gegen die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB wendet er sich mit einer Berufung.
Den geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgrund (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer in der (seiner Meinung nach) unvollständigen Begründung des erstgerichtlichen Ausspruchs über (vermeintlich) entscheidende Tatsachen, weil im Urteil die Aussage der Zeugin Isabella E***** (195), sie habe zur Tatzeit ein Präservativ mitgehabt, ebenso unberücksichtigt geblieben sei, wie deren Äußerung dem Angeklagten gegenüber, sie habe damals nur noch über 40 S verfügt; ferner werde das sicherheitsbehördliche Erhebungsergebnis über die Auffindung eines gebrauchten Präservativs in der tatgegenständlichen Wohnung übergangen, wiewohl dieses der Behauptung E*****s widerspreche, daß kein Kondom verwendet worden sei. Schließlich werde zur Frage, wieviel Geld die Zeugin E***** bei sich gehabt habe, überhaupt nicht Stellung bezogen. Hätte das Schöffengericht all das in seine Erwägungen miteinbezogen, wäre es - so mutmaßt der Rechtsmittelwerber weiter - wohl zu der Annahme gelangt, daß die Prostituierte Isabella E***** "durchaus freiwillig" mitgegangen sei, um als Gegenleistung für Rohypnol mit ihm geschlechtlich zu verkehren.
Der Beschwerde zuwider berührt indes keiner dieser aufgezeigten Umstände - weder für sich allein noch in ihrem Zusammenhang - eine (entweder für die Schuldfrage oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgebende) entscheidungswesentliche Tatsache. Könnte doch selbst bei deren Vorliegen nicht mit Fug angenommen werden, Isabella E***** habe beim mehrmaligen Vaginalverkehr freiwillig mitgemacht und den daran anschließenden Oralverkehr ohne Zwang vorgenommen.
Mit der isolierten Hervorhebung einzelner, an sich völlig unbedeutender Umstände zielt der Beschwerdeführer bloß nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung darauf ab, die Glaubwürdigkeit des ihn belastenden Vergewaltigungsopfers zu erschüttern und seiner (jedweden Einsatz von Gewalt und Drohung in Abrede stellenden) Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Im Gegensatz dazu erschloß das Erstgericht nicht nur alle für die Verwirklichung des in Rede stehenden Verbrechens geforderten subjektiven und objektiven Sachverhaltskomponenten (US 9 ff) in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) aus einer kritischen Gesamtschau der in Frage kommenden Beweisergebnisse sowie unter Verwertung des gewonnenen persönlichen Eindrucks, sondern begründete auch aktengetreu, zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und im Einklang mit den Denkgesetzen, warum es der für glaubwürdig beurteilten Aussage der Zeugin E***** in den entscheidenden Punkten glaubte, die Verantwortung des Angeklagten hingegen als unglaubwürdig verwarf, ohne dabei wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen zu übergehen (vgl US 11 ff).
Ein formeller Begründungsfehler haftet demnach dem bekämpften Urteil nicht an. Nur noch am Rande sei demnach darauf hingewiesen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Version eines freiwilligen Geschlechtsverkehrs als Gegenleistung für Rohypnol mit der als glaubwürdig befundenen Aussage der Zeugin E***** nicht in Einklang zu bringen wäre, wonach sie das Rohypnol bereits im voraus am Karlsplatz bezahlt hatte (und dann nur mehr über 40 S verfügte) und sie zwar (vergeblich) ein mitgebrachtes Kondom verwendet wissen wollte, weitere auf einem Tisch liegende Kondome jedoch nicht von ihr stammten (185 f).
Das nominell auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Beschwerdevorbringen releviert die bereits als formale Begründungsmängel (zu Unrecht) ins Treffen geführten Umstände (nämlich den Besitz eines Präservativs und eines geringen Geldbetrages sowie die Sicherstellung eines gebrauchten Kondoms) als Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite mit der Schlußfolgerung, daß der vom Angeklagten durchgeführte Verkehr "freiwillig" gewesen und demnach das Delikt der Vergewaltigung nicht erfüllt sei.
Solcherart übergeht die Beschwerde aber gerade alle gegenteiligen - wie dargelegt fehlerfrei begründeten - Urteilskonstatierungen (US 9 f), die ausführlich und unmißverständlich schildern, daß der Angeklagte Isabella E***** unter dem Vorwand, die von ihr mit 300 S - bereits am Karlsplatz - bezahlten 20 Stück Rohypnol zu Hause zu haben, zunächst in seine Wohnung lockte, dort über sie herfiel und das körperlich unterlegene, wehrlose Opfer gewaltsam sowie durch Drohung mit dem Umbringen zu mehrmaligem Vaginalverkehr und anschließend unter Einsatz weiterer Gewalt und neuerlicher Morddrohung zu einem Analverkehr zwang.
Unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Behauptung eines Feststellungsmangels und/oder einer unrichtigen Lösung der Rechtsfrage ist aber das Festhalten am gesamten wesentlichen Tatsachensubstrat. Indem die Rüge jedoch an diesem Gebot vorbei argumentiert, bringt sie den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Gleiches gilt für den weiteren Beschwerdevorwurf, die Formulierung (in der rechtlichen Beurteilung - US 18 oben -), daß "der Angeklagte dieses Delikt subjektiv wie objektiv zu vertreten hat", reiche für die Feststellung seines "Vorsatzes" nicht aus.
Wenngleich im Urteil die Worte "Vorsatz" oder "vorsätzlich" nicht vorkommen, läßt die erstgerichtliche Sachverhaltsschilderung über den Ablauf des Tatgeschehens, wonach der Angeklagte die Zeugin E***** mit dem Umbringen bedrohte, "falls sie nicht nach seinem Willen handle" (vgl abermals US 9 f), die der Nichtigkeitswerber außer acht läßt, bei vernünftiger und verständiger Leseart keine andere Deutung zu, als daß der Angeklagte bewußt und gewollt, somit zumindest vorsätzlich im Sinne des § 5 Abs 1 erster Halbsatz StGB, das inkriminierte Verbrechen begangen hat, zumal das Erstgericht die Freiwilligkeit des Opfers auch in seinen beweiswürdigenden Erwägungen wiederholt verneint hat (US 11 vorletzter Absatz, 13 erster Absatz und 15 zweiter Absatz).
In Wahrheit unternimmt der Beschwerdeführer daher auch mit diesem Vorbringen den unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Lösung der Schuldfrage zu kritisieren.
Unter ziffernmäßiger Anrufung des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO vermißt der Rechtsmittelwerber Feststellungen darüber, "ob auf meiner Seite nicht etwa ein Irrtum vorliegt", und "wie es genau dazu gekommen ist, daß die Zeugin E***** mit mir in meine Wohnung gefahren ist". Er sei - argumentiert der Beschwerdeführer weiter - "immer davon ausgegangen, daß die Zeugin E***** völlig freiwillig den Geschlechtsverkehr durchführt".
Diesem (schon in sich widersprüchlichen) Vorbringen genügt es zu erwidern, daß auch dieser Teil der Rechtsrüge einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung entbehrt, weil der Rechtsmittelwerber mit der erstmals in der Nichtigkeitsbeschwerde ins Spiel gebrachten - nicht einmal durch seine Verantwortung gedeckte - Möglichkeit eines Irrtums seinerseits (wofür die Aktenlage allerdings keinen Anhalt bietet) erneut bloß die auf tragende Beweisergebnisse gestützten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu umgehen trachtet, indem er weiterhin auf seiner (vom Schöffengericht als unglaubwürdig abgelehnten) Verantwortung beharrt. Im übrigen ist in den Urteilsgründen (US 9) nachzulesen, wie und unter welchen Umständen E***** in die Wohnung des Angeklagten gelangt ist.
Inwiefern dem Schöffengericht durch das Einweisungserkenntnis eine Verletzung seiner Strafbefugnis unterlaufen sein soll (Z 11 erster Fall), ist dem unsubstantiierten Beschwerdevorbringen ("Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB liegen nicht vor".) nicht zu entnehmen. Dem im § 285 a Z 2 StPO statuierten Gebot der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Nichtigkeitsgründe entspricht nämlich deren bloß ziffernmäßige Ausführung nicht (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 285 a E 43).
Soweit der Nichtigkeitswerber unter diesem Beschwerdepunkt mit Bezugnahme auf das von ihm in wesentlichen Teilen unvollständig und isoliert zitierte Gutachten des Sachverständigen Prim.Dr.G***** rügt, es liege "also keine aus gutachterlicher Sicht nachweisbare Gefährlichkeit vor", könnte darin der Sache nach entweder der Vorwurf eines formellen Begründungsmangels (Z 5) oder eine Bekämpfung der erstgerichtlichen Gefährlichkeitsprognose erblickt werden.
In keiner der beiden Richtungen stellt sich jedoch das Vorbringen als taugliche Ausführung eines Nichtigkeitsgrundes dar.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Gefährlichkeitsprognose ausschließlich mit Berufung bekämpfbar (SSt 57/23 = JBl 1986,737 = RZ 1987/5 uvam); lediglich jenes Element der Gefährlichkeitsprognose, das die Rechtsfrage der Qualifikation der zu befürchtenden strafbedrohten Handlung mit schweren Folgen betrifft, wäre mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO anfechtbar (12 Os 181/94, 11 Os 13/92, 16 Os 57/91). Insoweit enthält die Beschwerde aber keine Ausführungen. Hinsichtlich aller weiteren Prognoseelemente können Einwendungen formeller Begründungsmängel - ebenso wie die Behauptung von Verfahrensmängeln - nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden, sondern allein mit Berufung (11 Os 13/92, 12 Os 114/92, 16 Os 59/91, 15 Os 133/87, Mayerhofer/Rieder StPO3 § 433 E 5, Bertel Grundriß4 Rz 831, SSt 57/23), die vorliegend ohnedies erhoben wurde.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, daß die aktuelle Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB entgegen der Bestimmung des § 436 Abs 1 StPO ohne vorangegangene Voruntersuchung erfolgt ist, doch ist eine Verletzung dieser Vorschrift nicht mit Nichtigkeit bedroht (Mayerhofer/Rieder aaO § 436 E 2), sodaß diesbezüglich für ein amtswegiges Vorgehen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 290 Abs 1 StPO kein Anlaß besteht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung (§ 285 i StPO).
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