Spruch:
A. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen, nämlich in der Anordnung der Anstaltsunterbringung des Franz G***** gemäß § 21 Abs 1 StGB wegen der Urteilstat laut Punkt I des Urteilssatzes, unberührt bleibt, im Ausspruch, daß er auch aus Anlaß der Begehung der unter Punkt II 1. und 2. des Urteilssatzes bezeichneten Taten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unterzubringen sei, aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Der Antrag der Staatsanwaltschaft, Franz G***** auch deshalb in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB unterzubringen, weil er unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustandes fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern,
1. weggenommen hat, nämlich
a) am 9.März 1994 in Rastenfeld Hildegard und Kurt Gr***** 6.000 S,
b) am 14.Mai 1994 in Eisengraben Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr 3.000 S,
c) am 6.Juli 1994 in Krems/D. Verfügungsberechtigten des *****Drogeriemarktes eine Packung After-Shave-Lotion im Wert von 279
S,
2. wegzunehmen versucht hat, nämlich
a) am 26.Juli 1994 in Krems/D. Verfügungsberechtigten des Schuhgeschäftes "J*****" ein Paar Schuhe im Wert von 199 S,
b) am 8.Juli 1994 in Krems/D. Verfügungsberechtigten des *****Drogeriemarktes Toiletteartikel im Wert von 218,90 S,
c) am 31.Mai 1994 in Krems/D. Verfügungsberechtigten der Firma S***** ein Paar Laufschuhe im Wert von 1.799 S und
d) am 25.Februar 1994 in St.Pölten Verfügungsberechtigten der Firma Sp***** Bekleidungsstücke im Wert von 796 S,
wird abgewiesen.
B. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
C. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des 30jährigen Pensionisten Franz G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustandes (§ 11 StGB)
I) am 29.Juli 1994 in Lichtenau Beamte, nämlich die Gendarmeriebeamten Si*****, D*****, H***** und E*****, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern versucht hat, indem er, nachdem er sich zunächst anläßlich seiner Anhaltung nach ausgesprochener Festnahme gewaltsam von Bezirksinspektor Si***** losgerissen und später im Keller des Wohnhauses seiner Eltern eingeschlossen hatte, gegen die Beamten Si*****, D*****, H***** und E***** äußerte, der erste, der hereinkomme, sei dran, wobei er drohend einen Hammer in den Händen hielt, und
II) in der Zeit zwischen 25.Februar 1994 und 26.Juli 1994 in Rastenfeld, Eisengraben, Krems an der Donau und St.Pölten fremde bewegliche Sachen in einem (auch insgesamt) 25.000 S nicht übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, in (im Urteilsspruch konkretisierten) drei Angriffen weggenommen und in (gleichfalls im Urteilsspruch näher bezeichneten) vier Angriffen wegzunehmen versucht,
"somit eine Tat begangen hat, die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1, erster Fall StGB, welches mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, (und zu II) als Vergehen des teilweise versuchten, teilweise vollendeten Diebstahles nach den §§ 127 und 15 StGB) zuzurechnen gewesen wäre".
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil vom Betroffenen erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a - der Sache nach aber auch auf Z 11 - StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.
Soweit sich der Beschwerdeführer mit der Verfahrensrüge (Z 4) gegen die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Einvernahme des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr.F***** zum Nachweis dafür wendet, daß sich der Betroffene der seinerzeitigen ambulanten Behandlung durch diesen Arzt nicht entzogen habe, diese weiterhin möglich wäre und die Medikation jedenfalls nur über Rat des Arztes von März bis September 1994 abgesetzt worden sei (53/II), und mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Vorliegen von Feststellungsmängeln zum Einweisungserfordernis der (qualifizierten) Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 21 Abs 1 letzter Satz StGB behauptet, zielt er auf die Bekämpfung einer Ermessensentscheidung ab und führt demnach die Nichtigkeitsbeschwerde nicht prozeßordnungsgemäß aus.
Mit der Verfahrensrüge will der Betroffene - der Sache nach - nämlich nur unter Beweis stellen, daß nach seiner Person bei einer an sich möglichen, bloß ambulanten Betreuung keineswegs ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegt, der die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen als naheliegend befürchten läßt. Damit ficht er aber ebenso wie mit dem - Feststellungsmängel reklamierenden - Teil der Rechtsrüge (I.2.a) allein die ihm vom Erstgericht erstellte Gefährlichkeitsprognose an.
Nach ständiger Rechtsprechung sind indes mit Nichtigkeitsbeschwerde
(§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall oder § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall
StPO) nur die Grundvoraussetzungen einer Einweisung nach § 21 Abs 1
StGB, nämlich Anlaßtat, Zurechnungsunfähigkeit, geistige oder
seelische Abartigkeit von höherem Grad und die Rechtsfrage der
Qualifikation der zu befürchtenden strafbedrohten Handlung mit
schweren Folgen, anfechtbar. Dagegen ist die Gefährlichkeitsprognose
als richterliche Ermessensentscheidung ausschließlich mit einer (hier
ohnehin erhobenen) Berufung bekämpfbar, auch wenn - wie vorliegend -
ein Verfahrens- (Z 4) und/oder materiell-rechtlicher
Feststellungsmangel behauptet wird (vgl zu all dem SSt 57/23 = JBl
1986, 737 = RZ 1987/5; 11 Os 13/92, 13 Os 26/94, 12 Os 181/94, 15 Os
46/95, 15 Os 53/95; Mayerhofer/Rieder StPO3 § 433 E 1 ff; Bertel Grundriß4 Rz 831).
Soweit der Beschwerdeführer - gemäß den dargestellten Voraussetzungen als einzige Behauptung eines Nichtigkeitsgrundes - teils in der Nichtigkeitsbeschwerde, teils auch in der Berufung vorbringt, die zu befürchtende strafbedrohte Handlung könne "mangels entsprechender Feststellungen nicht als solche von derartiger Schwere" qualifiziert werden, übergeht er die Urteilsfeststellung, wonach ua Aggressionshandlungen gegen Personen, "deren Folgen nicht begrenzt sind, also auch sehr schwer sein können" (US 13 oben), "also auch mit schweren oder tödlichen Verletzungen" (US 14 oben) verbundene Aggressionsdelikte zu befürchten sind. Indem der Beschwerdeführer diese Konstatierungen übergeht, führt er indes die Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß aus.
Im bisher behandelten Umfang war der Nichtigkeitsbeschwerde daher ein Erfolg zu versagen.
Im Recht ist der Betroffene hingegen mit jenem Teil der Rechtsrüge (I.2.b - der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO geltend machend -), demzufolge das in Punkt II des Urteilssatzes geschilderte (nicht nach §§ 128 bis 131 StGB qualifizierte) Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB zur Begründung seiner Anstaltsunterbringung nicht hätte herangezogen werden dürfen.
Liegen nämlich dem Betroffenen mehrere Taten zur Last, von denen - wie in dem hier aktuellen Fall - nur eine den Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB entspricht, weil sie mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, während die anderen zufolge der für sie maßgeblichen niedrigeren Strafdrohung (hier: § 127 StGB Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen) nicht einweisungsrelevant sein können, und stützt das Gericht (rechtsirrig) sein Einweisungserkenntnis spruchgemäß auch auf diese Taten, dann hat es insoweit seine Einweisungsbefugnis überschritten. Diesfalls ist das Erkenntnis in diesem Punkt nichtig im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO, und zwar unbeschadet des Umstandes, daß dem Betroffenen daneben auch eine einweisungsrelevante Anlaßtat (hier: das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB) zur Last liegt. Denn der im Urteilstenor dekretierte Tatvorwurf kann von der darauf gestützten Sanktion nicht getrennt werden; diese basiert damit aber auch auf nicht einweisungsrelevanten Taten, wobei die darin gelegene Urteilsnichtigkeit den Betroffenen beschwert (vgl EvBl 1989/185; 15 Os 144/89; JBl 1991, 326; 13 Os 85/91), müßte doch als Folge eines solchen Urteilsspruches selbst bei einem - etwa nach teilweiser Wiederaufnahme des Verfahrens - eintretenden Wegfall jenes Teils, der die einweisungsrelevante Anlaßtat betrifft, die - dann nur mehr auf einweisungsirrelevante Taten bezogene - Einweisung aufrecht bleiben.
Indem das Erstgericht das bekämpfte Einweisungserkenntnis auch auf die im Punkt II des Urteilssatzes bezeichneten Diebstahlstaten stützt, die im Hinblick auf die hier anzuwendende (bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe reichende) Strafdrohung des § 127 StGB dem Erfordernis einer Anlaßtat gemäß § 21 Abs 1 StGB nicht entsprechen, hat es - wie die Beschwerde im Ergebnis zutreffend rügt insoweit seine Einweisungsbefugnis überschritten. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß im Urteilsspruch die Subsumtion der Straftaten laut II "als Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach den §§ 127 und 15 StGB" in Klammer gesetzt ist (US 4) und in den Urteilsgründen als Anlaßtat lediglich das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt (I des Urteilssatzes) genannt wird (US 13). Wird doch solcherart dem Betroffenen im Urteilsspruch unmißverständlich auch das Vergehen nach §§ 127 und 15 StGB als Anlaßtat uneingeschränkt angelastet.
In diesem Punkt war demnach der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen Folge zu geben und wie aus dem Urteilsspruch ersichtlich zu entscheiden.
In der Berufung bekämpft der Betroffene die "unrichtige Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose" im wesentlichen mit der Argumentation, daß nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen eine ambulante Therapie mit flankierenden Maßnahmen ausreiche, um bei ihm die Gefährlichkeit der Begehung von "Prognosetaten" auszuschließen, jedoch dem Urteilssachverhalt nicht zu entnehmen sei, daß mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, er werde sich einer ambulanten Therapie entziehen; der Schluß, es sei bei ihm (künftighin) die Begehung von Taten mit schweren Folgen zu befürchten, sei nicht zulässig, weil er vorliegend bereits auf gutes Zureden hin seinen Widerstand gegen die einschreitenden Beamten aufgegeben und er die für die Gefährlichkeitsprognose (zusätzlich) herangezogenen (lediglich versuchten) Brandstiftungen bereits in den Jahren 1984 bis 1986 verübt habe; bei Beurteilung des Wahrscheinlichkeitsgrades weiterer schwerer Delinquenz sei insbesondere auf die persönlichen Eigenschaften des Betroffenen, seinen Zustand, sein Krankheitsbild sowie auf Art und Umstände der Anlaßtat Rücksicht zu nehmen; eine allgemeine Vermutung bzw eingeräumte Möglichkeit, er könnte solche Delikte neuerlich begehen, reiche für die Anordnung der Unterbringung nicht aus.
Die Berufung ist nicht begründet.
Bei der gebotenen Gesamtbetrachtungsweise aller aktenmäßig getroffenen und einwandfrei begründeten Feststellungen (US 5 ff) kann - der Berufung zuwider - kein Zweifel bestehen, daß das Erstgericht alle für die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 21 Abs 1 StGB erforderlichen Tatsachenkomponenten angeführt und daraus auch gesetzeskonforme rechtliche Konsequenzen gezogen hat.
Nach den Intentionen der Rechtsmittelausführungen geht es dem Betroffenen ohnehin nicht so sehr darum, die ihm auf der Grundlage der vorhandenen Verfahrensergebnisse erstellte Gefährlichkeitsprognose zu bekämpfen, sondern in Wahrheit darum, daß der bei ihm gegebenen Gefährlichkeit - nach seiner Meinung - durch ambulante Therapie wirkungsvoll begegnet werden könne.
Abgesehen davon, daß der (zumindest zeitweise behandlungsunwillige) Berufungswerber nach seinem bisherigen (im Urteil anschaulich dargelegten) Verhalten für eine derartige Maßnahme in der Tat ungeeignet erscheint, bietet die Möglichkeit einer anderweitigen psychiatrischen Behandlung keinen Grund, von der - wie das Erstgericht zutreffend ausführt - nach dem Gesetz gebotenen Anstaltsunterbringung abzusehen (vgl 15 Os 26/90, abermals JBl 1991, 326).
Sohin war insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
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