OGH 8ObA268/95

OGH8ObA268/9513.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter Ministerialrat Dr.Edith Sellner und Paul Binder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Danute F*****, Diplomkrankenschwester, ***** vertreten durch Dr.Walter Riedl ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Land Steiermark, vertreten durch den Landeshauptmann Dr.Josef Krainer, dieser vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntscheck, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei und der Rekurse beider Parteien gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.Februar 1995, GZ 8 Ra 71/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.April 1994, GZ 22 Cga 1/94w-11, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Der Revision und dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben und in der Sache selbst erkannt: Das erstinstanzliche Urteil wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß es zu lauten hat:

 

Spruch:

"Das Klagebegehren, es werde festgestellt,

1.) daß die Klägerin nicht verpflichtet sei, ab 3.Jänner 1994 ihr Tätigkeit als diplomierte Krankenschwester an dem von ihrem bisherigen Dienstort Knittelfeld verschiedenen neuen Dienstort Mautern zu erbringen, und

2.) daß ihr Dienstverhältnis über die mit Schreiben vom 7.Jänner 1994 ausgesprochene Entlassung hinaus weiterhin aufrecht sei,

wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.596,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.99,34 Ust) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde von der beklagten Partei mit schriftlichem Dienstvertrag ab 2.5.1977 als Vertragsbedienstete aufgenommen. Punkt 11. dieses Dienstvertrages enthielt als "Bezeichnung der Dienststelle (Dienstort), für die der Dienstnehmer aufgenommen wird", die Wortfolge "Landes-Altenpflegeheim Knittelfeld", wo die Klägerin dann als Diplomkrankenschwester ihren Dienst versah. Nach einem Personalschlüssel, den die beklagte Partei unter Beiziehung des Zentralbetriebsratsvorsitzenden W***** für ihre insgesamt vier Landesaltenpflegeheime erarbeitete, bestand zum 31.12.1993 im Landesaltenpflegeheim Knittelfeld ein Überhang von sechs (19 gegenüber 13) diplomierten Pflegern, im Landesaltenpflegeheim Mautern dagegen ein Fehlbestand von 3,5 (12,5 gegenüber 16) diplomierten Pflegern, da in den letzten drei Monaten vor dem genannten Zeitpunkt drei Schwestern in Mautern ausgeschieden waren. Mautern urgierte daher seit Sommer und verstärkt gegen Ende 1993 Diplompflegepersonal und verwies darauf, daß bei Unterbleiben der Abhilfe die Pflege nicht gesichert werden könne. Die Personalabteilung der beklagten Partei mit Dr.E***** und Dr.W***** und der Betriebsrat in Knittelfeld mit Zentralbetriebsratsvorsitzendem W***** kamen bei Durchsicht der Personallisten nach jenen Personen, die am ehesten von Knittelfeld nach Mautern gehen könnten, unabhängig voneinander auf die Klägerin und den am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligten Zweitkläger Erwin T*****, weil andere Bedienstete familiäre Bindungen hatten. Die Kläger wurden zunächst jedoch weder vom Betriebsrat noch von der Leitung des Pflegeheimes oder der Personalabteilung der beklagten Partei informiert. Als die beklagte Partei an W***** Ende November, Anfang Dezember mit dem Hinweis herantrat, daß etwas geschehen müsse

"Mit Schreiben vom 14.12.1993 ... wurde ich von meiner beabsichtigten Versetzung an das Landesaltenpflegeheim Mautern unterrichtet.

Unabhängig der fehlenden Voraussetzung nach § 101 ArbVG 1974 erhebe ich Widerspruch gegen die Versetzung und werde meine Dienstleistung weiterhin am Landesaltenpflegeheim Knittelfeld erbringen."

Am 29.12.1993 äußerten Hofrat Dr.G***** und Dr.W***** von der Personalabteilung der beklagten Partei zu W***** unter Hinweis auf den Schwesternüberhang gegenüber Mautern, daß wegen des dort herrschenden dringenden Bedarfes mit einer befristeten Versetzung für eine Zeit von 13 Wochen vorgegangen werde; über die dauernde Versetzung habe das Arbeitsgericht zu entscheiden.

Am 30.12.1993 übermittelte die beklagte Partei ein Schreiben an die Klägerin, in dem auf die bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichtes gegebene Unwirksamkeit der Versetzungsverfügung vom 14.12.1993 wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates hingewiesen wird. Weiter heißt es darin wörtlich: "Im Hinblick auf den Fehlbestand an Schwestern im Landesaltenpflegeheim Mautern und einen bestehenden Überhang an solchen im Landesaltenpflegeheim Knittelfeld... wird unbeschadet der ha Versetzung vom 14.12.1993 mit selbiger Wirkung, nämlich 3.1.1994, Ihre befristete Versetzung bis 31.3.1994 zum Landesaltenpflegeheim Mautern verfügt". Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Verfügung wurde die Lösung des Dienstverhältnisses angedroht. W*****, von der Klägerin wegen dieses Schreibens um Rat gefragt, äußerte dazu, daß bei einer verschlechternden Versetzung auch für eine Zeit von 13 Wochen der Betriebsrat die Zustimmung verweigere. Er sei gegen die Versetzung, weil das vorhandene Personal in Knittelfeld benötigt werde. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 30.12.1993:

"Mit Telefax vom 30.12.1993... wurde meine vertragsändernde Versetzung ab 3.1.1994 bis 31.3.1994 an das Landesaltenpflegeheim Mautern verfügt.

Unabhängig der fehlenden Voraussetzung nach § 101 ArbVG 1974 erkläre ich meine Arbeitsleistung am bisherigen Arbeitsplatz und unter den bisherigen Bedingungen meine Arbeitsbereitschaft, weiterhin auszuüben."

Am 3.1.1994 fand sich die Klägerin zur Arbeitsaufnahme nicht in Mautern, sondern in Knittelfeld ein. Darauf erklärte die beklagte Partei mit Schreiben vom 7.1.1994 die Dienstverhältnisse der Klägerin mit sofortiger Wirkung ohne Kündigungsfrist für gelöst; dies mit dem Hinweis auf § 34 Abs 2 lit d VBG und mit der Begründung, daß sich die Klägerin geweigert habe, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen.

Die Klägerin ist am 30.4.1952 geboren, geschieden, kinderlos und lebt in einer Lebensgemeinschaft. Sie verdiente zuletzt S 17.000,-- monatlich. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz beträgt in Knittelfeld nur 700 m, die teils zu Fuß und teils mit dem Auto zurückgelegt werden. Mautern ist von Knittelfeld 45 km entfernt, die, wie gerichtsbekannt, im wesentlichen auf Autobahnen zurückgelegt werden können. Die Dienstzeiten in Knittelfeld werden einen Monat im vorhinein festgelegt und erstrecken sich von 6.00 Uhr bis 14.30 Uhr oder 15.00 Uhr, von 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 15.30 Uhr bis 19.00 Uhr sowie von 18.30 Uhr bis 6.30 Uhr. An der Versetzung störte die Klägerin nur die Tatsache, daß sie pendeln hätte müssen. Die Verbindung zwischen Knittelfeld und Mautern mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist ungünstig und erfordert ein Umsteigen in S*****.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 4.Jänner 1994 bei Gericht überreichten Klage die Feststellung, daß die Versetzung unwirksam sei und für sie keine Verpflichtung bestehe, "die neue Tätigkeit auszuüben"; weiters begehrte sie die Feststellung, daß die Entlassung unwirksam und das Arbeitsverhältnis noch aufrecht sei. Sie verwies auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung, daraus folge die Berechtigung des Klagebegehrens, weil die Klägerin durch ihren Dienstantritt am 3.Jänner 1994 in Knittelfeld, anstatt in Mautern, keine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte aus, die Versetzung sei gemäß den §§ 5 und 6 VBG rechtmäßig. Die von der beklagten Partei zunächst behauptete Unanwendbarkeit des sich aus § 101 ArbVG ergebenden Versetzungsschutzes auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Landesaltenpflegeheim wird von der beklagten Partei nicht mehr aufrecht erhalten). Zufolge Nichtbefolgung der Versetzungsanordnung sei die Entlassung berechtigt und wirksam.

Das Erstgericht stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und wies das Klagebegehren aus folgenden Gründen ab: Die mangels Zustimmung des Betriebsrates rechtsunwirksame Versetzung lt. Schreiben vom 14.12.1993 sei durch die am 30.12.1993 erfolgte befristete Versetzung rechtmäßig abgelöst, weil diese für einen Zeitraum von weniger als 13 Wochen verfügte Versetzung der Zustimmung des Betriebsrates nicht bedürfe. Der Inhalt des Dienstvertrages hindere eine Versetzung gemäß § 6 VBG nicht, die Versetzung sei nicht schikanös erfolgt. Zufolge der Weigerung der Klägerin, eine dienstliche Anordnung zu befolgen, sei ihre Entlassung berechtigt und wirksam.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, indem es den die Entlassung betreffenden Teil der Entscheidung aufhob und dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Hinsichtlich der Abweisung des Begehrens betreffend die Unwirksamkeit der Versetzung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und führte aus:

Die Rechtmäßigkeit der befristeten Versetzung sei gemäß § 101 ArbVG nicht zu bezweifeln. Die Unbequemlichkeit des Pendelns wiege weniger schwer als der Personalausgleichsbedarf der beklagten Partei. Das Pendeln sei der Klägerin als Besitzerin eines PKW wegen der günstigen Verbindung zwischen Knittelfeld und Mautern (überwiegend Autobahn) zumutbar. Hingegen fehlten noch Feststellungen zur Beurteilung der Beharrlichkeit und Schuldhaftigkeit des Verhaltens der Klägerin. Nach der vorausgehenden Versetzungsanordnung vom 17.12.1993 habe bis 3.1.1994 die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates durch gerichtliche Entscheidung nicht erfolgen können. Nach der Umwandlung der zunächst unbefristeten in eine nicht mehr zustimmungspflichtige befristete Versetzung sei hinsichtlich dieser neuen Sachlage der Rechtsirrtum der Klägerin für die beklagte Partei erkennbar gewesen. Wenn die Klägerin ihre Arbeitsbereitschaft an dem früheren Dienstort erklärte, habe sie eine aufklärende Antwort der beklagten Partei erwarten dürfen: "Hätte die Klägerin also der beklagten Partei noch rechtzeitig vor dem 3.1.1994 Gelegenheit zu einer Reaktion auf ihr Schreiben vom 30.12.1993 gegeben und hätte die beklagte Partei dazu geschwiegen, dann durfte die Klägerin darin eine Modifikation des mit Schreiben vom 30.12.1993 zum Ausdruck gebrachten Standpunktes der beklagten Partei sehen, daß eine Nichtbefolgung der Versetzungsanordnung bereits am 3.1.1994 die vorzeitige Lösung des Dienstverhältnisses zur Folge haben würde". Daher bedürfe es noch der ergänzenden Feststellung, wann das Schreiben der Klägerin vom 30.1.1993 bei der beklagten Partei eingelangt sei. Hätte die beklagte Partei eine mögliche Gegenäußerung unterlassen, sei die Dienstpflichtverletzung der Klägerin nicht beharrlich. Wegen der zu erwägenden Umdeutung der Entlassung in eine Kündigung seien ebenfalls noch ergänzende Feststellungen erforderlich.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage fehle, ob sich das Verschulden eines Arbeitnehmers, der auf die Richtigkeit des Rechtsstandpunktes seiner Interessenvertretung vertraut habe, vermindere.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richten sich

1.) die Revision und der Rekurs der Klägerin aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt, und

2.) der Rekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluß abzuändern und der Berufung der Klägerin nicht Folge zu geben, dh im Ergebnis das erstinstanzliche klagsabweisende Urteil wiederherzustellen.

Beide Streitteile beantragen in ihren Rechtsmittelbeantwortungen, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt, nicht aber die Revision und der Rekurs der Klägerin.

Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen den (Teil-)Aufhebungsbeschluß gemäß § 45 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG für zulässig erklärt. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 46 Abs 3 Z 2 ArbVG iVm § 50 Abs 2 ASGG liegt jedoch nicht vor; wegen des die Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreffenden Entscheidungsgegenstandes (§ 46 Abs 3 Z 1 ASGG) ist die Revision auch bei Fehlen einer besonderen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG - jeweils idF der ASGG Nov 1994 - jedenfalls zulässig.

Die beklagte Partei führt aus, sie habe schon im Schreiben vom 30.12.1993 die Auflösung des Dienstverhältnisses für den Fall der Nichtbefolgung der befristeten Versetzungsanordnung angedroht, wodurch die Entlassung der Klägerin gemäß § 34 Abs 2 lit d VBG gerechtfertigt sei. Die befristete Versetzung sei aufgrund der §§ 5 und 6 VBG (iVm dem Steiermärkischen Landesvertragsbedienstetengesetz) in Form einer vorübergehenden Dienstzuteilung zulässig. Der Arbeitgeber könne nicht für die unrichtige Rechtsauskunft des Betriebsratsvorsitzenden verantwortlich gemacht werden, der dadurch veranlaßte Rechtsirrtum der Klägerin ändere an der berechtigten Entlassung nichts. Das Schreiben der Klägerin vom 30.12.1993 habe wegen des Dienstschlusses am 31.12.1993 um 12.00 Uhr nicht mehr rechtzeitig behandelt werden können, um einen allfälligen Rechtsirrtum der Klägerin aufzuklären. Der vom Berufungsgericht verlangten ergänzenden Feststellungen bedürfe es nicht.

Hiezu war zu erwägen:

Gemäß § 6 VBG wird der Schutz eines Vertragsbediensteten gegenüber örtlichen Versetzungen im Vergleich zu einem Angestellten nach § 6 Abs 1 AngG eingeschränkt, indem "unter Wahrung der dienstlichen Interessen und mit Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Bediensteten (nur) eine angemessene Übersiedlungsfrist" zu gewähren ist. Eine Versetzung, auf weniger als 13 Wochen befristet, die nur mit dem Nachteil des Pendelns verbunden ist und eine Übersiedlung nicht erforderlich macht, verstößt somit nicht gegen § 6 VBG. Auf die weitergehenden Ausführungen von Grof, Die Rechtsstellung des Vertragsbediensteten anläßlich einer Versetzung (DRdA 1986, 115: die (örtliche) Versetzung sei nur innerhalb der engen Grenzen des Leitungsrechtes des Dienstgebers zulässig (118), sie unterliege den Beschränkungen des Gleichheitsgrundsatzes (122)), und von Schindler,

Der Versetzungsschutz der Vertragsbediensteten (DRdA 1987, 422: ein wirksamer örtlicher Versetzungsschutz für Vertragsbedienstete existiere derzeit nicht (424), lediglich schikanöse Versetzungen seien unzulässig (428)) braucht daher nicht eingegangen zu werden. Der Unterschied gegenüber den Arbeitsverhältnissen von Angestellten (und Arbeitern) ist dabei weniger groß als es zunächst den Anschein hat, wenn berücksichtigt wird, daß die Rechtsprechung gegenüber Arbeitnehmern mit erhöhtem Kündigungs- und Entlassungsschutz in einem weiteren Umfang Versetzungsweisungen als zumutbar erachtet (8 Ob A 309/94; 9 Ob A 192/93 ua).

Ungeachtet der unterschiedlichen Formulierung des § 101 ArbVG gegenüber § 14 Abs 2 Z 6 Betriebsrätegesetz ändert dies nichts an der Zulässigkeit auch verschlechternder Versetzungen für voraussichtlich weniger als 13 Wochen. Ein diesbezüglicher Rechtsirrtum der Klägerin bzw des sie beratenden Betriebsratsvorsitzenden ist wegen des unmißverständlichen Wortlautes des § 101 ArbVG jedenfalls vorwerfbar (Kuderna, Das Entlassungsrecht2, 74 mwN). Das Risiko der Fehlbeurteilung, eine nicht zustimmungspflichtige Versetzung bedürfe der Zustimmung, trägt der Dienstnehmer; dies bedeutet im Regelfall zugleich die Rechtmäßigkeit einer wegen Nichtbefolgung ausgesprochenen Entlassung (Schindler aaO, 427). Ein Grund für eine Verpflichtung des Dienstgebers, einen durch einen Dritten, nämlich den Betriebsratsvorsitzenden, veranlaßten Irrtum, rechtzeitig aufzuklären, ist nicht ersichtlich, zumal der Betriebsrat an der Erklärung der Klägerin vom 30.12.1993 (Blg./G) in keiner der beklagten Partei erkennbaren Weise als Vertreter, Bote usw mitwirkte. Das allgemeine Interventionsrecht (§ 90 ArbVG) berechtigt den Betriebsrat, entsprechende Maßnahmen zu beantragen, verleiht ihm aber noch nicht die Stellung eines Vertragspartners bei Willenserklärungen des Arbeitnehmers (im Sinne des § 876 ABGB) in der Weise, daß dem Arbeitgeber die Pflicht auferlegt würde, beim Arbeitnehmer vom Betriebsrat induzierte Rechtsirrtümer vor allfälligen Sanktionen aufklären zu müssen.

Der Rechtsirrtum der Klägerin ist dieser umsomehr vorwerfbar, als sie, wenn auch über Veranlassung des Betriebsrates, das zumutbare Pendeln kompromißlos ablehnte, obwohl die Nachteile des Pendelns überdies durch die gemäß ihrem § 74 auch auf Vertragsbedienstete anzuwendende Reisegebührenvorschrift zumindest erheblich gemildert werden. Geradezu unvertretbar ist hingegen die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel - unter Hinweis auf die ihrer Meinung nach analog anzuwendenden Bestimmungen des § 44 Abs 3 BDG - vertretene Ansicht, durch ihren Widerspruch gelte die Weisung bis zu ihrer schriftlichen Wiederholung als zurückgezogen. Aus der vorausgehenden Regelung des § 44 Abs 2 BDG ergibt sich, daß dies nur bei der Weisung durch ein unzuständiges Organ oder einer solchen Weisung, deren Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde, in Betracht kommt. Die Versetzungsweisung aufgrund des Schreibens der beklagten Partei vom 30.12.1993 stammte vom zuständigen Personalreferenten des Amtes der Landesregierung und ließ im Falle ihrer Befolgung einen Verstoß gegen strafgesetzliche Vorschriften nicht im entferntesten befürchten.

Kuderna verweist zum Entlassungsgrund nach § 34 Abs 2 lit d VBG (aaO 202) auf die vergleichbare Bestimmung des § 27 Z 4 zweiter Tatbestand AngG (aaO 111 f). Die der Klägerin hinsichtlich ihres Dienstortes ab 3.1.1994 erteilte Weisung war eindeutig und verständlich. Der von der Klägerin behauptete Rechtsirrtum bedeutet keinen Schuldausschließungsgrund (Kuderna aaO, 74), denn bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt war er vermeidbar. Insbesondere wäre der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Beharrlichkeit (Kuderna aaO, 115) es leicht zumutbar gewesen, sich gegen die ihrer irrigen Meinung nach rechtswidrige Weisung in einer weniger riskanten Weise zu wehren (vgl die Befolgung einer Versetzungsweisung unter Protest iVm einer Feststellungsklage im Falle von Arb 10.500 = RdW 1986, 219 = DRdA 1986, 436). Der vom Berufungsgericht vermißten ergänzenden Feststellungen durch das Erstgericht bedarf es daher nicht.

Wenn die Klägerin darauf verweist, der zuständige Betriebsratsvorsitzende habe den angeblichen Personalnotstand in Mautern und die Überkapazitäten in Knittelfeld anders als die beklagte Partei eingeschätzt, so ist ihr zu erwidern, daß die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit von Personalmaßnahmen des Arbeitgebers nicht der Beurteilung durch den Betriebsrat unterliegen. Wenn sich dieser eine solche Befugnis entgegen § 39 Abs 3 zweiter Satz ArbVG anmaßt, so ändert dies nichts an der vom Gericht zu beurteilenden Zumutbarkeit der befristeten Versetzung der Klägerin, zumal sie gegen diese - weit entfernt von einer Schikane - nur die Unbequemlichkeit des Pendelns ins Treffen führt.

Die unrichtige Rechtsauskunft des Betriebsratsvorsitzenden macht die Entlassung nicht unzulässig. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb des Verhalten eines Arbeitnehmers und seine rechtsgeschäftlichen Erklärungen einer unterschiedlichen Beurteilung unterliegen sollten, je nachdem ob sie ausschließlich aus eigenem Entschluß gereift sind oder nach vorausgehender Beratung durch einen Betriebsrat, der nicht gesetzlicher Vertreter der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer in

bezug auf deren privatrechtliche Ansprüche ist (vgl Arb 10.024 = EvBl

1981/198, 576 = SZ 54/49), sodaß sich der wirklich oder vermeintlich

vertretene Arbeitnehmer auch nicht von den Folgen einer unrichtigen Beratung freizeichnen kann (vgl Beck-Mannagetta, in der Anm DRdA 1992, 290 zum "Handeln auf eigene Gefahr"). Im Fall der Entscheidung vom 25.1.1989, 9 Ob A 296/88 = WBl 1989, 248 = RdW 1990, 55, hat der Oberste Gerichtshof den klagenden Arbeitnehmer für die Folgen der durch seine Interessenvertretung zuteil gewordenen unrichtigen Auskunft über seine arbeitsvertraglichen Pflichten ohne Bedenken verantwortlich gemacht und sogar als Indiz für die Beharrlichkeit seines Handelns berücksichtigt. Der angebliche Irrtum in der Beurteilung des Verhaltens der Klägerin durch den Dienstgeber wurde vom Dienstgeber weder veranlaßt noch mußte er ihm auffallen, noch wurde er rechtzeitig aufgeklärt. Eine rechtzeitige Aufklärung hätte - wenn überhaupt - nur bis zum Ausspruch der Entlassung erfolgen können. Nach der durch den Zugang bewirkten Rechtsgestaltung konnte ein einseitiger Widerruf nicht mehr erfolgen. Nur einvernehmlich hätten die Wirkungen einer Entlassung rückgängig gemacht werden können (vgl Kuderna aaO, 32). Aus diesen Erwägungen erweist sich das Rechtsmittel der beklagten Partei als berechtigt, nicht aber das der Klägerin, sodaß der erkennende Senat gemäß § 519 Abs 2 dritter Satz ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen kann.

Die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils hat mit der Maßgabe zu erfolgen, daß die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Rechtshandlung nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann (Arb 10.806; RdW 1991, 55, 8 Ob A 217/94; 8 Ob A 310/94; ua).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in erster und zweiter Instanz keine Kosten verzeichnet. Sollte dies auch in der irrigen Annahme, bei der Entlassung der Klägerin und der Versetzungsvorfrage handle es sich um eine Streitigkeit aus der Betriebsverfassung im Sinne des § 58 Abs 1 erster Satz ASGG erfolgt sein, so ist jedenfalls die Bedingung des Kostenzuspruches nach § 54 Abs 1 ZPO nicht erfüllt. Eine Streitigkeit gemäß § 50 Abs 2 ASGG wäre etwa im Falle der Klage des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat auf Ersetzung der verweigerten Zustimmung durch das Gericht gegeben.

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