OGH 8ObA217/94

OGH8ObA217/9417.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Retzer und Dr. Warnung als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Prim.Dr.R***** W*****, ***** vertreten durch Dr.Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde H*****, ***** vertreten durch den Bürgermeister F***** H*****, dieser vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 150.000,-- S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1993, GZ 34 Ra 4/93-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.September 1992, GZ 27 Cga 74/92-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil und Punkt 2.) des erstgerichtlichen Urteiles - das in seinem Punkt 1.) betreffend die Abweisung des Hauptbegehrens in Rechtskraft erwachsen ist werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insoweit zu lauten hat:

Das Eventualbegehren, es werde festgestellt, daß der Kläger berechtigt sei, an jedem Dienstag um 9 Uhr mit dem (seinem) Dienst in AÖ. Krankenhaus der beklagten Partei zu beginnen, insoferne der Krankenhausdienst und die Versorgung der Patienten nicht beeinträchtigt werden, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 49.387,20 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (einschließlich 8.191,20 S Umsatzsteuer und 240,-- S Barauslagen), die mit 12.492,40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 2.075,40 S Umsatzsteuer und 40,-- S Barauslagen) und die mit 7.471,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.245,30 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde mit Sonderdienstvertrag vom 25.10.1979 zum Leiter der internen Abteilung des Krankenhauses H***** bestellt. Laut Punkt I.) des Dienstvertrages (Beil. ./19) wurde er vollbeschäftigt mit 40 Wochenstunden angestellt. Eine Festsetzung der Dienstzeiten enthält der Vertrag nicht. In dessen Punkt II.) wird darauf hingewiesen, daß auf das Dienstverhältnis die dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen des NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes 1976 Anwendung finden.

Nach der gemäß § 16 NÖ-Krankenanstaltengesetz 1974 erlassenen Anstaltsordnung für die Allgemeine öffentliche Krankenanstalt H***** (Beil. ./5) treffen den Abteilungsleiter (Primararzt), nach deren Punkt 5.1.1. "Besondere Dienstobliegenheiten", so insbesondere (Punkt 5.1.1.1.) die verantwortliche ärztliche Leitung der ihm zugewiesenen Abteilung und die Regelung des ärztlichen Dienstes (Diensteinteilung) in seinem Wirkungsbereich. Punkt 5.1.1.1. Absatz 5 der Anstaltsordnung lautet:

"Der Abteilungsleiter hat dem Krankenhaus - unbeschadet der geltenden dienstrechtlichen Vorschriften - soviel Zeit und Arbeitsleistung zu widmen, als es der Dienst und die Versorgung der Patienten erfordert. Er hat ferner dafür zu sorgen, daß er jederzeit auch dann, wenn er nicht in der Krankenanstalt anwesend ist, in Fällen, die sein persönliches Einschreiten erfordern, erreichbar ist, soferne kein geeigneter Vertreter Dienst versieht."

Punkt 5.1.1.1 der Anstaltsordnung enthält ferner folgende Regelung:

"Der Abteilungsleiter ist berechtigt, neben seiner Dienstverpflichtung außerhalb der Anstaltsräume eine ärztliche Praxis auszuüben, soweit sie den Krankenhausdienst nicht beeinträchtigt. Der Abteilungsleiter ist verpflichtet, spätestens 2 Jahre nach seiner Bestellung den ordentlichen Wohnsitz in H***** zu nehmen."

Im Jahre 1983 erstattete der Kläger der Stadtgemeinde H***** als Rechtsträger des Krankenhauses einen Vorschlag über den Dienstbeginn, der schließlich dazu führte, daß der Dienstbeginn mit Punkt 7.00 Uhr festgesetzt wurde (vgl. Beil. ./1und ./2).

Der Kläger betreibt seit 1980 in H***** eine Ordination. Diese war zunächst an drei Tagen pro Woche geöffnet. Auf Grund der Bedingungen der NÖ Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte führte der Kläger ab Mai 1983 wöchentlich einen vierten Ordinationstag, nämlich den Dienstag, ein. Bei Ordinationszeiten von 7.00 (7.30) Uhr früh bis knapp vor 9.00 Uhr begann der Kläger seit Mai 1983 an jedem Dienstag mit seinem Spitalsdienst erst um 9.00 Uhr vormittags. Es ist ihm möglich, das Krankenhaus von seiner Ordination aus innerhalb von 10 Minuten zu erreichen.

Der Arbeitsablauf auf der Abteilung des Klägers im Krankenhaus Hainburg läßt sich grob wie folgt umreißen:

Um 7.00 Uhr wird mit der Care-Visite begonnen, bei der die internistisch intensivmedizinisch zu betreuenden Patienten behandelt werden. Anschließend werden spezielle medizinische Untersuchungen durchgeführt. Um 9.00 Uhr beginnt die allgemeine Dienstbesprechung, bei der alle Ärzte anwesend sein müssen. Hiebei werden die Neuzugänge und besonderen Ereignisse des Vortages, sowie allgemeine medizinische und organisatorische Probleme der Abteilung besprochen. Anschließend an die Dienstbesprechung beginnt die Visite, die etwa 2 1/2 bis 3 Stunden dauert.

Im vom Kläger erstellten Zeitplan für den Dienstablauf ist vorgesehen, daß die Visite um 10.00 Uhr anfangen sollte. Tatsächlich kam es jedoch seit seinem Dienstantritt immer wieder zu Verzögerungen im Dienstablauf, so daß die Visiten oft erst gegen 11.00 Uhr oder 11.30 Uhr begannen. Diese Verzögerungen traten an allen Wochentagen auf. Wenn der Kläger Dienstag zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr nicht im Krankenhaus war, wurden die ihm obliegenden Aufgaben von seiner Stellvertreterin Frau Dr.M***** oder von anderen Oberärzten durchgeführt. (Über die Vertretung enthält Punkt 5.1.1.1 der Anstaltsordnung folgende Regelung: "Der Abteilungsleiter muß bei seiner Verhinderung durch einen Oberarzt oder einen anderen geeigneten Arzt vertreten werden.")

Im Zuge von Überprüfungen durch die beklagte Partei wurden Verzögerungen im Dienstablauf der Abteilung des Klägers festgestellt. Der Bürgermeister der beklagten Partei, F*****, richtete deshalb am 1.2.1991 folgendes Schreiben an den Kläger (Beil. ./8):

"Sehr geehrter Herr Primarius!

Aus gegebenem Anlaß muß ich darauf hinweisen, daß die Führung einer ärztlichen Praxis dem Abteilungsleiter nur erlaubt ist, soweit sie den Krankenhausdienst nicht beeinträchtigt. Ich verweise dazu auch auf das Schreiben des Bürgermeisters vom 7.4.1983, auf mündliche Hinweise und auf die in letzter Zeit zutage getretenen, aber nicht behobenen Versäumnisse.

Sie werden hiemit angewiesen, von nun ab regelmäßig von Montag bis Freitag, den Tagdienst im Krankenhaus voll zu versehen. Tagdienst ist im § 13 NÖSÄG definiert. Nebentätigkeiten sind daher nur an Nachmittagen, frühestens nach 13.00 Uhr, möglich. Ich verweise auf die Anstaltsordnung, Punkt 5.1.1.1.

Entgegenkommenderweise wird Ihnen eine Übergangsfrist bis zum 1.3.1991 eingeräumt."

Der Kläger verlegte mit 1.3.1991 die Ordinationsstunden seiner Privatpraxis von Dienstag morgens auf Samstag morgens und erschien seither auch dienstags um 7.00 Uhr im Krankenhaus. Auch seither kam es jedoch nach wie vor zu Verzögerungen im Dienstablauf in der Abteilung des Klägers.

Der Kläger begehrte zunächst die Feststellung, er sei berechtigt, an jedem Dienstag um 9.00 Uhr mit dem (seinem) Dienst im AÖ. Krankenhaus der beklagten Partei zu beginnen. In der letzten Verhandlung vor dem Erstgericht stellte er ein gleichlautendes Eventualbegehren mit dem Zusatz "insoferne der Krankenhausdienst und die Versorgung der Patienten nicht beeinträchtigt werden" (ON 22, AS 119).

Hiezu brachte der Kläger vor, er habe die Frühordination an jedem Dienstag seit Mai 1983 mit Zustimmung der beklagten Partei geführt. Diese Regelung sei daher Inhalt seines Dienstvertrages geworden. Nach seinem Vertrag mit der NÖ. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte sei er verpflichtet, zumindest einmal in der Woche eine Frühordination zu betreiben, weil verschiedene Untersuchungen voraussetzen, daß die Patienten nüchtern sind.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei nur berechtigt, eine ärztliche Praxis auszuüben, soweit sie den Krankenhausdienst nicht beeinträchtige. Der Kläger sei verpflichtet, den für die interne Abteilung festgesetzten Dienstbeginn um 7.00 Uhr einzuhalten. Durch die "Verwendung von Dienstzeit für die Privatpraxis" sei es nicht zu einer schlüssigen Änderung des Arbeitsvertrages gekommen. Der Kläger halte sich nicht an die Dienstzeiten, dadurch komme es zu vielfachen Unzukömmlichkeiten im Krankenhausbetrieb. Gemäß § 32 des NÖ. Gemeindebeamtendienstgesetzes, das auf das Dienstverhältnis des Klägers anzuwenden sei, könne vom Gemeinderat über Antrag des Beamten eine Verschiebung des Beginnes und des Endes der täglichen Dienstzeit beschlossen werden; einen derartigen Antrag habe der Kläger nicht gestellt. Das Feststellungsbegehren sei auch deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht die Feststellung eines Rechtes begehre. Bei dem Eventualbegehren handle es sich (wie die beklagte Partei in ihrer Berufung verdeutlichte), um ein "Schlag-ins-Wasser-Urteil", es gehe davon aus, daß bei Vorliegen bestimmter Umstände der Kläger im Recht sei, anderenfalls die beklagte Partei.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren - unbekämpft - ab und gab dem Eventualbegehren statt. Ausgehend vom vorstehend wiedergegebenen Sachverhalt führte es rechtlich aus, die Dienstzeit des Klägers sei vertraglich nicht geregelt, zumal auch ein diesbezüglicher Beschluß des Gemeinderates nicht gefaßt worden sei. Nach der gemäß § 914 ABGB zu erforschenden Absicht der Vertragsteile sei nicht anzunehmen, daß eine Regelung der Dienstzeit erfolgt sei. Es werde zwar eine "hohe Anwesenheit" des Klägers im Krankenhaus erwartet, jedoch seien diesbezüglich "Ausmaß und Zeitpunkt" der Verantwortung des Klägers als Primararzt anvertraut. Auch für andere Primarärzte bestehe keine Dienstzeitenregelung. Das Schreiben des Bürgermeisters vom 1.2.1991 sei nicht als Dienstanweisung zu verstehen; ein Weisungsrecht der beklagten Partei bestehe nach der Anstaltsordnung nur gegenüber der Anstaltsleitung, sodaß es rechtlich bedeutungslos sei. Die Berechtigung des Klägers, dienstags erst um 9.00 Uhr im Krankenhaus zu erscheinen, sei nach der Anstaltsordnung zu prüfen. Danach müsse der Kläger bei entsprechendem Bedarf auch dienstags vor 9.00 Uhr im Krankenhaus anwesend sein, weshalb das zu weit gefaßte Hauptbegehren abzuweisen sei. Im Verfahren sei andererseits nichts hervorgekommen, das darauf hingedeutet hätte, daß der Kläger aus krankenhausbetrieblichen Gründen auch jeden Dienstag schon um 7.00 Uhr seinen Dienst versehen müßte. Die festgestellten Verzögerungen hätten sich unabhängig davon, ob der Kläger am Dienstag um 7.00 Uhr oder erst um 9.00 Uhr anwesend war, ergeben. Weiters sei für den Fall seiner Abwesenheit von der Abteilung für eine ausreichende Vertretung durch andere Oberärzte gesorgt. Überdies könne der Kläger binnen kurzer Zeit von seiner Privatpraxis ins Krankenhaus kommen, falls dies erforderlich sein sollte. Da fixe Dienstzeiten für den Kläger nicht vereinbart wurden, könne er sich seine Dienstzeit frei einteilen, allerdings nur insoweit, als dadurch der Betrieb des Krankenhauses nicht beeinträchtigt werde, weshalb dem Eventualbegehren stattzugeben sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteiles erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. In seiner Entscheidungsbegründung führte es aus:

Wesentlich sei, ob der Kläger berechtigt sei, wegen der Ordination in seiner Privatpraxis an Dienstagen von 7.00 bis 9.00 Uhr erst um 9.00 Uhr seinen Dienst im Krankenhaus anzutreten. Dabei komme es nicht auf die Bindung des Klägers an bestimmte Dienstzeiten an, auch nicht, ob er eine freie Dienstzeit habe. Der Kläger habe an den übrigen Tagen (Montag, Mittwoch bis Freitag) den Dienstbeginn um 7.00 Uhr regelmäßig eingehalten. Diese Vorgangsweise sei der Anstaltsleitung bekannt und von ihr geduldet worden. Wegen dieser acht Jahre dauernden Übung habe der Kläger nach allgemeinen arbeitsvertraglichen Grundsätzen - hiezu bedürfe es keiner weiteren Begründung -, ein Recht auf diese Vorgangsweise erworben. § 32 Abs.2 der NÖ. Beamtendienstordnung 1976 stehe dem nicht entgegen, es werde lediglich das Ausmaß der Dienstzeit, nicht aber die zeitliche Lagerung der Dienstzeit, bestimmt. Zu Unrecht berufe sich die beklagte Partei auf das NÖ. Spitalsärztegesetz 1990, das für Primarärzte nicht anzuwenden sei. Nach den Feststellungen bewirke die Abwesenheit des Klägers während seiner Morgenordination "keine Unzukömmlichkeiten des Spitalsbetriebes, zumal für seine Vertretung durch Oberärzte gesorgt sei. Die Organisation einer Krankenhausabteilung ermögliche stundenweise Abwesenheiten des ärztlichen Leiters (Primarztes) ohne nachteilige Folgen. Besondere Umstände, die eine Weisung der beklagten Partei rechtfertigten, wodurch das Recht des Klägers, seine bisher gehandhabte Dienstzeiteinteilung zur Ausübung seiner Privatpraxis eingeschränkt wurde, seien nicht hervorgekommen".

Es liege kein "Schlag-ins-Wasser-Urteil" vor, das Eventualbegehren nehme auf die Anstaltsordnung, dem Krankenhaus soviel Zeit und Arbeitsleistung zu widmen, als der Dienst und die Versorgung der Patienten erforderten, ebenso Bedacht wie auf die Gestattung zur Ausübung einer ärztlichen Praxis, soweit sie den Krankenhausbetrieb nicht beeinträchtige. Dies sei immer dann gegeben, wenn für eine ordnungsgemäße Vertretung gesorgt sei, d.h. wenn ein Oberarzt als Vertreter des Anstaltsleiters (richtig wohl Abteilungsleiters) zur Verfügung stehe. Damit sei auch klargestellt, daß der Kläger nicht berechtigt sei, seine Morgenordination abzuhalten, wenn eine ordnungsgemäße Vertretung bei Verhinderung aller in Betracht kommenden Oberärzte nicht möglich sei.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und auch das Eventualbegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Hiezu wird vorgebracht:

Der Kläger habe keine bestimmte Dienstzeit, er habe den Beginn und das Ende selbst bestimmen können. Dies schließe eine Abänderung bestehender Arbeitszeiten durch schlüssiges Verhalten der beklagten Partei aus. Bei einem nicht an bestimmte Dienstzeiten gebundenen (freien) Mitarbeiter, könne die Erbringung der Arbeitsleistung zu bestimmten Zeiten nicht bewirken, daß der andere Vertragsteil auf eine Bindung an diese Arbeitszeiten zu schließen berechtigt sei. Die beklagte Partei dürfe zwar nicht in die freie Arbeitszeitgestaltung des Klägers eingreifen, dessenungeachtet müsse er aber die Sacherfordernisse des Dienstbetriebes beachten, insbesondere, daß das "wesentliche Geschehen im Spitalsbetrieb" am Vormittag ablaufe. Er habe die in der Anstaltsordnung vorgesehenen Überwachungspflichten persönlich wahrzunehmen. Es könne nicht angenommen werden, daß die beklagte Partei darauf schlüssig verzichtet habe. Die Spitalsordnung bezwecke, Kollisionen mit einer Privatordination zugunsten des Spitalsbetriebes zu regeln. Erst ab dem Eingriff in die "freie Arbeitszeiteinteilung" des Klägers könnte die widerspruchslose Hinnahme des Zuwiderhandelns des Klägers eine schlüssige Vertragsänderung bewirken.

Mit der Anstaltsordnung werde dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht betreffend eine einseitige Änderung und Arbeitszeit vorbehalten. Der Ausfall der Anwesenheit des Klägers könne nicht mehr "eingeholt" werden, sondern habe organisatorische Nachteile zur Folge, insbesondere eine Mehrbelastung der übrigen Beschäftigten. Durch den verspäteten Dienstbeginn des Klägers an einem Wochentag infolge seiner Privatordination sei es zu Beeinträchtigungen des Krankenhausdienstes gekommen, dabei sei nicht eine nachträgliche, sondern eine vorausschauende Prüfung vorzunehmen. Durch regelmäßige Ordinationszeiten erfolge eine Beeinträchtigung, die durch die Möglichkeit des telefonischen Rückrufes nur unzureichend behoben werden könne. Der den Gegenstand des Eventualbegehrens bildende bedingte Rechtsanspruch des Klägers werde von der streitigen anspruchsbegründenden oder anspruchsvernichtenden Sachverhaltsbehauptung der fehlenden oder vorhandenen Beeinträchtigung abhängig gemacht, wodurch die Feststellungsklage unzulässig werde.

Das Vorhandensein einer Vertretung durch Oberärzte schließe eine Beeinträchtigung nicht aus, der Begriff der Beeinträchtigung des Krankenhausbetriebes sei wesentlich weiter gefaßt, wodurch das reibungslose, auf den Abteilungsleiter zugeschnittene Teamwork beeinträchtigt werde.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Nach dem durch die Bestimmungen der Anstaltsordnung ergänzten Inhalt des Dienstvertrages des Klägers ist dieser an keine bestimmte Dienstzeit gebunden; er hat allerdings als Abteilungsleiter dem Krankenhaus so viel Zeit und Arbeitsleistung zu widmen, als es der Dienst und die Versorgung der Patienten erfordern. Demgemäß darf er (Punkt 5.1.1.1 der Anstaltsordnung) auch seine Privatpraxis nur ausüben, soweit sie den Krankenhausdienst nicht beeinträchtigt.

Hieraus folgt, daß der Kläger grundsätzlich jedenfalls berechtigt ist, während des Tages und somit auch Dienstag morgens nicht auf der Abteilung anwesend zu sein. Seine Abwesenheit darf aber nicht den Erfordernissen des Dienstbetriebes und der Patientenversorgung widersprechen. Zu den Erfordernissen des Dienstbetriebes und der Patientenversorgung zählt jedenfalls auch der rechtzeitige Dienstablauf. Verzögerungen in diesem Dienstablauf muß der Abteilungsleiter durch organisatorische Maßnahmen und insbesondere auch durch seine eigene Dienstanwesenheit begegnen, denn er hat eben die Vertragspflicht, dem Krankenhaus so viel an Arbeitsleistung zu widmen, als es der Dienst und die Versorgung der Patienten erfordern.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen kam es auf der Abteilung des Klägers seit seinem Dienstantritt immer wieder zu Verzögerungen im Dienstablauf, und zwar an allen Wochentagen. Gerade wegen dieser festgestellten Verzögerungen richtete die beklagte Partei als Arbeitgeber an den Kläger das Schreiben vom 1. Februar 1991, in welchem auf die zutage getretenen Versäumnisse hingewiesen und der Kläger angewiesen wurde, ab 1. März 1991 den Tagdienst im Krankenhaus regelmäßig von Montag bis Freitag voll zu versehen. In der Folge verlegte der Kläger die Ordinationsstunden seiner Privatpraxis von Dienstag auf Samstag; auch seither kommt es auf seiner Abteilung zu Verzögerungen im Dienstablauf.

Es ist offenkundig, daß diese ständigen Verzögerungen im Dienstablauf durch eine insgesamt längere und - der Dienstpflicht entsprechend - tätige Anwesenheit des Klägers auf der Abteilung jedenfalls reduziert würden. Leistet der Kläger auch Dienstag bereits zwischen 7 Uhr und 9 Uhr seinerseits Dienst, dann müssen nämlich allfällige - sich auch jeweils auf die Folgetage auswirkende - Verzögerungen auf der Abteilung jedenfalls geringer sein als wenn zufolge seiner Abwesenheit auch noch seine Dienstleistung fehlt.

Unter diesen Umständen kann sich der Kläger somit aber nicht auf das ihm grundsätzlich zustehende vertragliche Recht, die Zeit seiner persönlichen Anwesenheit auf der Abteilung selbst zu bestimmen, berufen. Solange es zu ständigen Verzögerungen auf seiner Abteilung kommt - und dies ist bis zuletzt der Fall - ist er jedenfalls nicht berechtigt, an Dienstagen erst um 9 Uhr mit seinem Dienst zu beginnen; er ist vielmehr verpflichtet, Verzögerungen des täglichen Dienstablaufes auch durch seine Anwesenheit schon ab 7 Uhr früh zu verringern. Der behaupteten stillschweigenden Genehmigung (§ 863 ABGB) seiner zweistündigen Abwesenheit an Dienstagen steht schon der Umstand entgegen, daß der Arbeitgeber erst im Zuge von Erhebungen von den ständigen Verzögerungen des Dienstablaufes auf der Abteilung des Klägers erfuhr und diesen sodann unter Bezugnahme auf diese "in letzter Zeit zutage getretenen, aber nicht behobenen Versäumnisse" umgehend auf die durch die Führung der Privatpraxis - fortlaufend - eintretende Beeinträchtigung der dienstvertraglichen Pflichten hinwies.

Auch das Eventualbegehren des Klägers war daher abzuweisen. Demgemäß kann es dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die mit dem Schreiben der beklagten Partei vom 1. Februar 1991 an den Kläger ergangene Weisung, von Montag bis Freitag den Tagdienst im Krankenhaus voll zu versehen, eine Umformulierung des Feststellungsbegehrens unter Bezugnahme auf diese Weisung (vgl. die unter Bezugnahme auf eine Weisung formulierten Feststellungsbegehren in dem zwischen den Streitteilen dieses Verfahrens geführten, zu 9 ObA 56/93 entschiedenen Rechtsstreit) erforderlich gewesen wäre (vgl. die Maßgabebestätigung in SZ 57/1).

Die Entscheidung über die Pflicht zum Ersatz der Verfahrenskosten gründet sich auf § 41 ZPO, jene betreffend die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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