OGH 8ObA309/94

OGH8ObA309/9424.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer und die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter und Heinrich Dürr in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann S***** vertreten durch Dr.Johann Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der B***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner ua Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.) Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer Disziplinarstrafe (Streitwert S 20.000,--), 2.) Feststellung der Nichtverpflichtung zur Verrichtung von Parteienverkehr (Streitwert S 51.000,--) und 3.) Leistung von S 3.000,-- sA, infolge Revision beider Parteien (Revisionsinteresse der klagenden Partei S 51.000,--; der beklagten Partei S 23.000,--) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juni 1994, GZ 7 Ra 21/94-13, womit infolge Berufung beider Teile das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Oktober 1993, GZ 36 Cga 136/93k-7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.215,36 (einschließlich S 202,56 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, daß die Bewertung des Streitgegenstandes unanfechtbar ist (§ 45 Abs 1 Z 1 aF ASGG iVm § 500 Abs 4 ZPO; Kuderna, Komm ASGG 223 mit Berufung auf Petrasch, ÖJZ 1983, 201; JBl 1985, 113). Diesem Umstand kommt aber keine Bedeutung zu, weil das Berufungsgericht die Revision ohnedies zugelassen hat und erhebliche Rechtsfragen vorliegen.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es grundsätzlich, auf diese zu verweisen (§ 48 ASGG).

Den Revisionsausführungen ist im übrigen zu erwidern:

1.) Zur Revision der beklagten Partei:

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger habe mit der Selbstanzeige gemäß § 114 Abs 2 DO.A keine Dienstpflichtverletzung gestehen, sondern lediglich auf diesem Weg die Frage klären wollen, ob er als bestellter Prüfer auch mit einem ganz geringen Teil seiner Arbeitskraft zur Verrichtung von Parteienverkehr herangezogen werden dürfe, ist, wie sich aus dem Text der Selbstanzeige eindeutig ergibt, zutreffend. Eine Verpflichtung, diese Frage im Wege eines Prozesses vor dem Arbeits- und Sozialgericht zu klären, ist aus keiner Vorschrift abzuleiten und es ist dem Kläger sogar zuzustimmen, daß ein solcher Weg möglichst nicht beschritten werden sollte.

2.) Zur Revision des Klägers:

Der Kläger ist gemäß § 37 DO.A in der Gehaltsgruppe D, Dienstklasse II/7 eingereiht und unkündbar. Er wurde im Oktober 1970 zum Prüfer in einer Landesstelle bestellt. In den Jahren 1973 bis 1983 wurden die Prüfer dieser Landesstelle wegen eines Personalüberhangs infolge Fusionierung mit einem anderen Sozialversicherungsträger auch zur Verrichtung von Parteienverkehr herangezogen. Im August 1983 war dieser Überhang an Dienstposten der Gehaltsgruppe D, Dienstklasse II, beseitigt, sodaß verfügt wurde, daß der Parteienverkehr bis auf weiteres von den Sachbearbeitern zu versehen sei. Nachdem vorerst im November 1992 eine weitergehende Verpflichtung der Prüfer zur Vornahme des Parteienverkehrs angeordnet worden war, wurde diese wegen behaupteter Überlastung der Prüfer umgehend ausgesetzt und nach einer Prüfung der Belastungsverhältnisse mit der hier strittigen Verfügung vom 6.5.1993 angeordnet, daß jeder Prüfer bei gleichbleibenden Bezügen verpflichtet ist, jede zwanzigste Woche eine Woche lang Parteienverkehr zu verrichten.

Der Kläger will festgestellt wissen, daß er hiezu nicht verpflichtet ist.

Eine Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers gibt es nach dessen unbestrittener Angabe nicht. Allgemein wird die Tätigkeit eines Prüfers, der gemäß § 37 DO.A in der Gehaltsgruppe D, Dienstklasse II/7 eingereiht ist, dahingehend umschrieben, daß er gleichartige Arbeiten der in der Dienstgruppe C, Dienstklasse III/6.2, 6.6 oder

6.9 einzureihenden Angestellten auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit eigenverantwortlich zu überprüfen hat. Die Auskunftserteilung erfolgt in der Regel von in der Dienstgruppe C, Dienstklasse III, eingereihten Dienstnehmern.

Der Kläger hat also nach der hier bekämpften Verfügung mit einem ganz geringen Teil seiner Arbeitskraft (ca 5 %) Arbeiten zu verrichten, die üblicherweise von Dienstnehmern ausgeführt werden, die in einer geringfügig niedrigeren Stufe eingereiht sind, aber den Aufgabenbereich des Klägers betreffen - er prüft ja die Vorerledigungen solcher Dienstnehmer. Daß ihm ein derartiger Parteienverkehr nicht zugemutet werden könne, hat er selbst nicht behauptet; die ihm übertragenen Aufgaben im Parteienverkehr (Auskunftserteilung, Aufnahme von Anträgen) sind nicht mit den in der Revision nunmehr aufgezählten, völlig andersartigen und minderwertigen Aufgaben, die einem Angestellten nicht zugemutet werden können (vgl zB Arb 6945), vergleichbar.

Der Kläger meint lediglich, es handle sich um eine vertragsändernde Weisung, die er ohne seine Zustimmung nicht erfüllen müsse und auch nicht erfüllen könne, weil der Parteienverkehr mit der mit ihm vereinbarten Tätigkeit des Prüfers inkompatibel wäre, da er dann uU von ihm aufgenommene Anträge prüfen müsse. Das letzteres nicht zutrifft, hat das Berufungsgericht unter Hinweis z.B. auf die vergleichbare Tätigkeit auch eines Richters oder Rechtspflegers an Amtstagen zutreffend verneint.

Die Art der geschuldeten Dienste ist häufig nur in groben Umrissen vereinbart. Näher bestimmt wird der Vertragsinhalt durch die redliche Verkehrssitte. Das Weisungsrecht des Dienstgebers bezieht sich nur auf solche Dienste, die der Dienstnehmer auf Grund seiner vertraglichen Verpflichtung bzw mangels einer solchen Vereinbarung im Rahmen des den Umständen nach Angemessenen zu verrichten verpflichtet ist. Je allgemeiner die Dienstpflicht umschrieben ist, desto weiter reicht das Weisungsrecht des Dienstgebers; je enger und genauer die Dienstpflicht vertraglich präzisiert ist, desto eingeschränkter ist das Weisungsrecht des Dienstgebers (Arb 6.298). Die tatsächliche Verwendung bezeichnet nur in den seltensten Fällen die Grenzen der Arbeitspflicht (WBl 1988, 90).

Gerade dann, wenn wie hier ein unkündbares Dienstverhältnis vorliegt, darf das dem Dienstgeber zustehende Weisungsrecht hinsichtlich der Verwendung des Dienstnehmers nicht zu eng umgrenzt werden (Arb. 8.451); anderenfalls könnte die Tätigkeit der Dienstnehmer nicht den Bedürfnissen des Betriebes angepaßt werden (JBl 1987, 468 betreffend die Tätigkeit eines "unterbeschäftigten" Angestellten einer Sozialversicherungsanstalt mit weiteren gleichwertigen und ihm zumutbaren Tätigkeiten).

Im Hinblick darauf, daß das Aufgabengebiet des Klägers nur allgemein umrissen, aber keineswegs besonders spezifiziert ist, und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger als bestellter Prüfer durch zehn Jahre auch zum Parteienverkehr herangezogen worden war und nur bis auf weiteres von dieser Tätigkeit entbunden wurde, kann es dem Dienstgeber nicht verwehrt sein, betrieblich notwendige oder zwecks gleichmäßiger Belastung seiner Dienstnehmer zweckmäßige geringfügige Veränderungen vorzunehmen, die mit keinerlei finanziellen oder sonstigen Nachteilen für den Kläger verbunden sind; daß eine solche Notwendigkeit zur Umverteilung der Arbeit nicht vorläge und die beklagte Partei nur aus reiner Willkür diese Weisung getroffen hätte, behauptet der Kläger selbst nicht. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht erkannt, daß die dem Kläger aufgetragene, einen ganz geringen Teil seiner Arbeitskraft in Anspruch nehmende Tätigkeit im Parteienverkehr zu den den Umständen angemessenen Diensten gehört, die der Dienstgeber anzuordnen berechtigt und der Kläger zu verrichten verpflichtet ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Da beide Parteien die Revision der Gegenseite erfolgreich abgewehrt haben, sind ihnen jeweils die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzusprechen. Der der beklagten Partei zuerkannte Betrag ergibt sich aus der Differenz der auf Grund des unterschiedlichen Streitwerts unterschiedlich hoch zu bestimmenden Kosten der Revisionsbeantwortung.

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