OGH 8ObA310/94

OGH8ObA310/9427.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler und Mag.Karl Dirschmied als Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef L*****, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch den Bürgermeister Franz G*****, dieser vertreten durch Dr.Josef Faulend-Klauser und Dr.Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung (Streitwert S 200.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Juni 1994, GZ 7 Ra 40/94-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 31.Jänner 1994, GZ 31 Cg 72/93m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben; die vorinstanzlichen Urteile werden mit der Maßgabe bestätigt, daß das erstgerichtliche Urteil zu lauten hat:

Das Klagebegehren, es werde festgestellt, das Arbeitsverhältnis des Klägers bestehe ungeachtet der Kündigung vom 25.3.1993 zum 31.7.1993 weiterhin aufrecht fort, wird abgewiesen.

Die Anfechtung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 9.900,-- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.650,-- S USt) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 1.8.1984 bei der beklagten Partei als Vertragsbediensteter beschäftigt und wurde zum 31.7.1993 gekündigt.

Mit dem Vorbringen, er habe keine Kündigungsgründe im Sinne des § 35 Abs 2 des steiermärkischen Gemeindevertragsbedienstetengesetzes gesetzt, begehrt er in seiner als "Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung" bezeichneten Klage die Fällung des Urteils "Die Kündigung des Klägers, diesem zugegangen am 26.3.1993, durch die beklagte Partei ist rechtsunwirksam".

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, der Kläger habe beharrlich die Dienstzeiten nicht eingehalten, freie Tage ohne Eintragung in die Urlaubskarte in Anspruch genommen, keine Krankenstandsbestätigungen vorgelegt, eine nachlässige Dienstleistung erbracht, den Besuch eines Schulungskurses abgelehnt und am 25.2.1993 den Bürgermeister in einer Fraktionssitzung verhöhnt und angeschrieen.

Das Erstgericht erörterte mit dem qualifiziert vertretenen Kläger die Formulierung des Klagebegehrens, der hiezu vorbrachte, "ungeachtet der Formulierung als Feststellungsklage handle es sich um eine Rechtsgestaltungsklage" (AS 73). Es wies sodann das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen das Vorliegen der von der beklagten Partei im Kündigungsschreiben angeführten Kündigungsgründe fest. In der rechtlichen Beurteilung führte es aus, der Kläger habe Dienstpflichten gröblich verletzt und teilweise sogar Entlassungsgründe verwirklicht. Eine "Verfristung" von Kündigungsgründen sei dem Gericht "unbekannt."

Das Berufungsgericht gab der aus den Gründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in der rechtlichen Beurteilung aus, das vom Kläger - nach Erörterung gemäß § 182 Abs 1 ZPO - aufrecht erhaltene Rechtsgestaltungsbegehren sei verfehlt, die Rechtswirksamkeit der Kündigung sei nicht feststellungsfähig. Gegen den Willen des Klägers sei das Gericht nicht befugt, das Rechtsgestaltungsbegehren in ein Feststellungsbegehren abzuändern. Aus diesem Grunde, nämlich der Verfehlung des Klagebegehrens, sei das abweisende Urteil zu bestätigen. Auf die Fragen der Unverzüglichkeit der Kündigung und der Würdigung des Gesamtverhaltens des Klägers als Kündigungsgrund sei nicht mehr einzugehen.

Dem Kostenrekurs der beklagten Partei gab das Berufungsgericht Folge; es verpflichtete den Kläger zum Kostenersatz an die beklagte Partei hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit der Begründung, es handle sich bei diesem Rechtsstreit nicht um eine Sache der Betriebsverfassung gemäß § 50 Abs 2 ASGG, sondern um eine Rechtsstreitigkeit zwischen dem Kläger und der beklagten Partei im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis (§ 50 Abs 1 Z 1 ASGG), weshalb die Kostenentscheidung des Erstgerichtes gemäß § 58 Abs 1 ASGG verfehlt sei.

Das Berufungsgericht bewertete den Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, mit über 50.000,-- S.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil und auch gegen den Kostenzuspruch richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird der Abänderungsantrag gestellt, dem Klagebegehren stattzugeben.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zum gerügten Verfahrensmangel, das Berufungsgericht habe formalistisch die Formulierung, nicht aber den Sinn des Klagebegehrens berücksichtigt, war zu erwägen:

Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß Rechtshandlungen und deren Wirkungen nicht feststellungsfähig sind (Kuderna Entlassungsrecht2, 51 mwN; RdW 1991, 55; SZ 23/64; Arb 9193, 9403; Arb 9927 = SZ 53/171; Arb 10.806; Fasching III, 61; Rechberger Rz 5 zu § 228 ZPO) und sich für das vom Kläger angestrebte Rechtsschutzziel nur eine Feststellungsklage, das Arbeitsverhältnis bestehe ungeachtet der Kündigung über den Endzeitpunkt weiterhin fort, eignet. Ein Rechtsgestaltungsbegehren, wonach ein infolge eines besonderen Kündigungs- oder Entlassungsschutzes unauflösbares Arbeitsverhältnis erst nach vorausgehender gerichtlicher Zustimmung in ein durch Kündigung oder Entlassung aufzulösendes umgewandelt wird, wäre vom Arbeitgeber gegen den besonders geschützten Arbeitnehmer zu richten (vgl § 120 Abs 1 ArbVG; §§ 14 f APSG; §§ 10 Abs 3, 12 Abs 1 MschG ua) bzw vom Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber im Falle der Geltendmachung von Anfechtungsgründen etwa im Sinne des § 105 ArbVG (9 Ob A 142/94; 9 Ob A 223/93). Beide Fälle eines Rechtsgestaltungsbegehrens werden hier dem Sinn des vom Kläger verfolgten Rechtsschutzzieles nicht gerecht. Wohl hat das Erstgericht die Frage des Klagebegehrens mit dem Kläger im Rahmen der materiellen Prozeßleitung erörtert (§ 182 Abs 1 ZPO), jedoch muß das Verfehlen der richtigen Formulierung des Klagebegehrens ausnahmsweise trotz des Beharrens auf demselben dann unschädlich bleiben, wenn die Prozeßerklärung des Klägers überhaupt in sich widersprüchlich ist. Hier ist die gewählte Bezeichnung "Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung" schon in sich widersprüchlich und mit dem als Feststellungsbegehren zu deutenden Begehren (Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung) wird eine rechtlich unzulässige Feststellung der Eigenschaft einer Rechtshandlung begehrt. Wenn auch der Kläger darauf beharrte, die Klage sei eine Rechtsgestaltungsklage, so handelt es sich dabei offensichtlich um eine verfehlte rechtliche Qualifikation. Es ist nämlich keineswegs anzunehmen, daß der Kläger den angestrebten Rechtsschutzerfolg gegenüber einer verfehlten Formulierung hintanstellen wollte (vgl JBl 1986, 537 = DRdA 1986/14, 219 zur verfehlten Bindung an eine rechtliche Beurteilung). Damit würde im Sinne der abgelehnten dreigliedrigen Streitgegenstandstheorie (vgl DRdA 1990/37, 349; JBl 1989, 667; Fasching LB2, Rz 1162) ein in sich widersprüchliches Urteil (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO) ergehen.

Dem Sinn des klägerischen Rechtsschutzzieles entsprechend hatte daher eine amtswegige Umformulierung des Klagebegehrens (vgl 9 Ob A 103/93 = ARD 4576/33/94) zu erfolgen.

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht ausdrücklich gebilligten Tatsachenfeststellungen erweist sich die Rechtsrüge des Klägers als nicht berechtigt.

Der Kläger hat sich zahlreicher Verstöße gegen Dienstpflichten schuldig gemacht und dabei Kündigungsgründe im Sinne des § 35 stmk GVBG 1962 verwirklicht. Für die zu ihrer Wirksamkeit des Vorliegens von Gründen bedürftige Kündigung eines Vertragsbediensteten (vgl dazu § 32 VBG) gilt modifiziert das Gebot der Unverzüglichkeit (vgl Arb 10.779; Arb 10.140) ebenso wie bei der Geltendmachung von Kündigungsgründen im Sinne des § 105 ArbVG. Im Gegensatz zur Entlassung bewirkt aber die an die Wahrung von Fristen und Terminen gebundene Periodizität der Kündigung eine Abschwächung des Gebotes der Unverzüglichkeit. Zufolge der neuerlichen Verfehlungen des Klägers vom 25.2.1993 ist die ein Monat später erfolgte Kündigung wegen der beiderseitig drei Monate betragenden Kündigungsfrist gemäß § 36 des steirischen Gemeindevertragsbedienstetengesetzes keinesfalls verspätet, sodaß der Kläger auf einen stillschweigenden Verzicht nicht hätte berechtigt schließen dürfen ("sogenannte Verwirkung").

Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt kann auch in Arbeitsrechtssachen nicht angefochten werden (RZ 1992/96, 290; DRdA 1993, 310 ua).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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