OGH 15Os94/95

OGH15Os94/9530.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pointner als Schriftführerin, in der beim Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 15 Vr 3195/94 anhängigen Strafsache gegen Manja Kathrin K***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Grundrechtsbeschwerde der Manja Kathrin K***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 24. Mai 1995, AZ 10 Bs 212/95 (= ON 49 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Manja Kathrin K***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

In dem beim Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 15 Vr 3195/94 anhängigen Strafverfahren wurde am 24.März 1995 gegen Manja K*****, Peter de H***** und Hannes F***** die Voruntersuchung wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB eingeleitet, weil sie nach den sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnissen (ON 2, 3, 17, 19, 27, 28, 44) dringend verdächtig sind, im gemeinsamen Zusammenwirken von Jänner 1994 bis März 1995 in Fürstenfeld (Steiermark) und Freilassing (Bayern) gewerbsmäßig ca 4.600 arbeitsuchende Personen um rund 4 Millionen S betrügerisch geschädigt zu haben, indem sie im Rahmen eines Adressenvermittlungsbetriebes in Zeitungsinseraten Adressen verschiedener Ölbohrfirmen anboten und sodann den Interessenten - unter Mitwirkung von Helfershelfern in den USA - vortäuschten, ihnen gegen Zahlung eines Bearbeitungsbetrages von 900 S über zwei Scheinfirmen (G***** in Florida und Rutherford - USA) einen lukrativen Arbeitsplatz im Ausland zu vermitteln (vgl insb 347 ff/I).

Am 31.März 1995 wurde über Manja K***** die Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO verhängt (3 n iVm 329 und ON 23/I), die nach Durchführung von Haftverhandlungen am 11.April 1995 zunächst bis 11.Mai 1995 (ON 32 und 33) und am 10.Mai 1995 - mit Wirksamkeit bis längstens 10.Juli 1995 - (nur mehr) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr verlängert wurde (ON 40 und 41).

Der von Manja K***** gegen den zuletzt genannten Fortsetzungsbeschluß des Untersuchungsrichters (ON 41) erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem (gleichzeitig eine Beschwerde des Beschuldigten H***** erledigenden) Beschluß vom 24.Mai 1995, AZ 10 Bs 212/95 (ON 49), nicht Folge und sprach aus, daß die (durch gelindere Mittel im Sinne des § 180 Abs 5 StPO nicht substituierbare) Untersuchungshaft aus den zwei angeführten Haftgründen - mit Wirksamkeit bis längstens 24.Juli 1995 - fortzusetzen und deren Dauer nicht unverhältnismäßig sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß des Gerichtshofes zweiter Instanz richtet sich die (rechtzeitige) Grundrechtsbeschwerde der Manja K***** mit der Behauptung, die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft verstoße gegen das Grundrecht auf persönliche Freiheit, die "Verhängung" der Haft stehe zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis, die Dauer der Haft sei im Verhältnis zur angelasteten Tat unverhältnismäßig und die Voraussetzungen der Untersuchungshaft seien nicht mehr gegeben bzw von den Untergerichten unrichtig beurteilt worden (ON 52).

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Vorweg ist festzuhalten, daß auf das Vorbringen, die "Verhängung" der Haft stehe zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis, nicht näher einzugehen ist, weil der Beschluß über die "Verhängung" der Untersuchungshaft (ON 23) unangefochten geblieben ist, sodaß insoweit der Instanzenzug nicht erschöpft ist, was der Geltendmachung dieses Umstandes im Rahmen der vorliegenden Grundrechtsbeschwerde gemäß § 1 Abs 1 GRBG entgegensteht (für viele EvBl 1993/189; 15 Os 74/95).

Soweit die Beschwerdeführerin aber - den dringenden Tatverdacht mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das von ihr abgelegte "umfassende Geständnis" (vgl aber 329 pp verso/I iVm 127/II) bejahend - einwendet, es fehle an bestimmten Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr, vermag sie die - in ihrer Gesamtheit und im Konnex zu sehenden - Argumente der Beschwerdeentscheidung sowie die sich zusätzlich aus der Aktenlage ergebenden Umstände (so etwa: die Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten am 25.Juni 1991 wegen fortgesetzten Betruges zu einer Geldstrafe - vgl 185 = 289/I und 221/II -; Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz durch die Insolvenz ihres Adressenvermittlungsunternehmens; durchdachte, arbeitsteilig und konsequent verfolgte gewerbsmäßige Verübung einer Vielzahl von gleichartigen Betrügereien im In- und Ausland durch mehr als ein Jahr lang trotz eingeleiteter sicherheitsbehördlicher Erhebungen [vgl ua 157 ff/I]; einfache, aber wirksame Art der Geldbeschaffung, die auch imAusland variiert jederzeit aktiviert werden kann, zumal die aus [dem ehemaligen Ost-] Berlin stammende Beschuldigte deutsche Staatsangehörige ist), nicht zu entkräften.

Im übrigen weist die Beschwerde selbst - wenngleich an anderer Stelle (287/II) auf einen weiteren (für den in Rede stehenden Haftgrund relevanten) Mangel in der Persönlichkeitsstruktur der Manja K***** hin, demzufolge die in "Ostdeutschland" aufgewachsene Beschuldigte erst durch den Wegfall der "Deutsch-Deutschen-Grenzen" mit den Mechanismen der Marktwirtschaft in Verbindung kam, sodaß bei ihr "eine leichte Beeinflußbarkeit" gegeben ist.

Die Behauptung, daß seit der 1991 erfolgten Verurteilung "in der Zwischenzeit Besserung" eingetreten ist, steht im Gegensatz zur gegebenen (durch das teilweise Geständnis untermauerten) Verdachtslage, während der Einwand, der Ehegatte der Beschwerdeführerin, Peter K*****, beziehe ein Einkommen und verfüge über Liegenschaftseigentum, schlichtweg aktenwidrig ist, weil dieser nach den sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnissen (vgl 16, 56, 228/I) einkommens- und vermögenslos ist.

Zusammenfassend stellen somit die aufgezeigten konkreten Umstände - der Beschwerde zuwider - eine tragfähige Grundlage für die vom Gerichtshof zweiter Instanz bejahte Annahme jener bestimmten Tatsachen dar, welche auf die akute Gefahr hinweisen, Manja K***** werde auf freiem Fuß - ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens - abermals strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die fortgesetzt (gewerbsmäßig) verübten Betrügereien, deren sie dringend verdächtig ist (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO).

Da nach ständiger Rechtsprechung (vgl für viele: NRsp 1993/51 = AnwBl 1993, 340 [342], 11 Os 36/95, 15 Os 49/95) bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend auch noch der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben ist.

Nach Lage des Falles verbietet die besondere Qualität des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr die Substituierung der Untersuchungshaft durch (in der Beschwerde angebotene) gelindere Mittel nach § 180 Abs 5 StPO.

Angesichts der aktuellen Strafdrohung des § 147 Abs 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) versagt schließlich auch der (nicht näher substantiierte) Beschwerdevorwurf, die (seit 31. März 1995 andauernde) Untersuchungshaft sei im Verhältnis "zur angelasteten inkriminierten Handlung unverhältnismäßig".

Demnach wurde Manja K***** durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt (§ 2 Abs 1 iVm § 7 GRBG), weshalb die unbegründete Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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