OGH 9ObA49/95

OGH9ObA49/9510.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Ernst Viehberger und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Waltraud K*****, Musiklehrerin, ***** vertreten durch Dr.Konrad Carl Borth und Dr.Johannes Müller, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Verein S***** M*****, vertreten durch Dr.Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung des Bestehens eines Dienstverhältnisses (Streitwert S 218.260,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 1994, GZ 12 Ra 83/94-45, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.März 1993, GZ 19 Cga 10/92a-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.665,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.777,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Ob das Berufungsgericht die Meinung zum Ausdruck brachte, daß die die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausführende Berufung sich ausschließlich mit Rechtsfragen und die damit im Zusammenhang stehenden sekundären Verfahrensmängel beschäftige, begründet, weil damit ein Widerspruch zwischen Tatsachenfeststellungen und Akteninhalt nicht hergestellt wird, keine Aktenwidrigkeit (SSV-NF 7/32). Weil das Berufungsgericht dennoch den in der Berufung angeführten Verfahrensmangel der Nichtdurchführung der Parteienvernehmung der Klägerin als nicht gegeben erachtete, verneinte es auch inhaltlich den behaupteten Verfahrensmangel erster Instanz, so daß er nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sein kann (RZ 1989/16, RZ 1992/15, SZ 62/157; SSV-NF 7/12 ua). Die Unterlassung der Durchführung erst im Berufungsverfahren angebotener Beweise ist weder ein Verfahrensmangel erster Instanz noch ein solcher des Berufungsverfahrens, weil solche Beweise gegen das Neuerungsverbot verstoßen.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Entlassung der Klägerin wegen erheblicher Ehrverletzung zutreffend bejaht, sodaß es genügt auf die Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Zu ergänzen ist lediglich folgendes:

Die mit der Betriebsvereinbarung eingeführte Disziplinarordnung ist nicht als Beschränkung des dem Dienstgeber nach den Normen des materiellen Rechts zustehenden Entlassungsrechtes anzusehen (Arb 10.433, 10.606; 9 Ob A 192/94), weil sie die Wirksamkeit der Entlassungserklärung nicht an das vorhergehende Erkenntnis der Disziplinarkommission bindet, dem hier ohnehin nur der Charakter einer Empfehlung zu einer Entlassung zukäme. Nach § 19 Abs 5 der Betriebsvereinbarung endet das Dienstverhältnis durch vorzeitige Auflösung nach den Bestimmung des Angestelltengesetzes, wobei ein darauf gerichteter Antrag der Disziplinarkommission nur als ein wichtiger Grund im Sinne des Angestelltengesetzes gilt, ohne eine Entlassung aus anderen wichtigen Gründen auszuschließen. Für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder die Fällung eines Disziplinarerkenntnisses im vorliegenden Fall fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Ein Beweisverfahren über den Willen der Kollektivvertragsparteien war entbehrlich, weil die Auslegung eines Kollektivvertrages wie auch einer Betriebsvereinbarung vom objektiven Inhalt der Norm und des daraus objektiv erkennbaren Willens des Normgebers unter Zugrundelegung des Wortlautes zu erfolgen hat (DRdA 1994/3 [Jarbornegg], 9 Ob A 165/94). Aus dem Wortlaut und Zusammenhang der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung läßt sich nicht entnehmen, daß die Entlassung nur im Rahmen und im Zusammenhang eines Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden kann, sodaß eine ohne ein solches vorgenommene Beendigungserklärung durch den Dienstgeber nicht rechtsunwirksam ist (9 Ob A 201, 202/94 = ecolex 1995, 120).

Der Direktor und der Geschäftsführer führen gemeinsam die laufenden Geschäfte, wobei der Direktor den Verein nach außen vertritt und in sein Aufgabengebiet insbesondere die Lehreranstellung gehört. Der gemeinsame Beschluß des Geschäftsführers und des Direktors auf Entlassung der Klägerin, der keine Entscheidung mit finanziellen Auswirkungen wie etwa eine Bankzeichnung oder ein Vertragsabschluß ist, entsprach daher jedenfalls dem Statut als qualifizierter normativer Ordnung. Selbst bei Annahme einer Kollektivvertretung muß das gemeinsame Handeln nicht gleichzeitig erfolgen, noch muß die Gemeinsamkeit dem anderen Vertragspartner gegenüber hervortreten (9 Ob A 155/90). Für die Gültigkeit einer vom berechtigten Vertreter der Beklagten nach außenhin gesetzten Handlung ist nur das erkennbare Handeln für die Beklagte erforderlich, nicht aber die nur als Ordnungsvorschrift anzusehende Doppelzeichnung der Entlassungserklärung, die die Gültigkeit des Vertretungsaktes nicht berührte, zumal die Beklagte die Entlassungserklärung ohnehin gegen sich gelten ließ und daher zumindest, was auch ausreicht, konkludent zugestimmt hat (Bydlinski, Gesamtvertretung und Verkehrsschutz JBl 1983, 627 [636], Koppensteiner GmbHG Komm Rz 15 zu § 18 mwN) aber sogar die Doppelzeichnung während des Verfahrens als Zeichen ihrer Zustimmung nachgeholt wurde (AS 54). Von der unwirksamen Sanierung einer ursprünglich fehlerhaften Entlassung kann nicht ausgegangen werden (SZ 64/154).

Entscheidend für die, für das Vorliegen des Entlassungsgrundes der erheblichen Ehrverletzung im Sinne des § 27 Z 6 AngG erforderliche Annahme einer Verletzungsabsicht ist, ob die Begehungshandlung objektiv geeignet ist, ehrverletztend zu wirken (Kuderna Entlassungsrecht2 123 mwN). Die wiederholte Äußerung, der Betriebsratsvorsitzende und andere bestimmt bezeichnete Mitarbeiter der Beklagten seien kriminell bzw sie hätten kriminelle Handlungen begangen, kann nicht als einmalige Entgleisung der Klägerin im Zuge einer, eine gewisse Ausnahmesituation begründenden Gerichtsverhandlung angesehen werden. Auch bei jahrelangen Spannungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien und Emotionen in Streßsituationen fallen diese Äußerungen nicht in den Rahmen der Wahrung berechtigter Interessen oder der Ausübung berechtigter Kritik oder der Verteidigung (Kuderna aaO 123 f; Arb 9111, 9188), weil sie als unbegründeter Vorwurf einer niedrigen Gesinnung keine adäquate Reaktion der Klägerin in einem Kündigungsanfechtungsverfahren bildeten. Sie standen mit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung, ob sie nun berechtigt oder unberechtigt war, in keinem Zusammenhang, waren objektiv erheblich ehrverletzend und begründeten die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung (Ind 1994, 2210).

Es ist nur zu prüfen, ob die Entlassungserklärung vom 18.10.1991 das Dienstverhältnis beendete. Eine Entlassungserklärung vom 15.10.1992 ist nicht aktenkundig, weil die Übergabe des Entlassungsschreibens vom 18.10.1991 nunmehr in der verbesserten Form der Doppelfertigung durch Geschäftsführer und Direktor in der Verhandlung vom 15.10.1992 keine neue Entlassungserklärung beinhaltete.

Die Dienstfreistellung zum Zeitpunkt der Entlassungserklärung änderte nichts daran, daß die Beendigungserklärung das Dienstverhältnis ungeachtet dieses Umstandes beendete, weil die Dienstfreistellung das aufrechte Bestehen des Dienstverhältnisses voraussetzte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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