OGH 9ObA165/94

OGH9ObA165/9428.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johannes R*****, Angestellter, *****vertreten durch Dr.Manfred Macher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr.Georg Grießer, Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 642.604,30 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.Februar 1994, GZ 31 Ra 43/93-38, womit infolge Berufungen beider Streitteile das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Mai 1992, GZ 3 Cga 2098/89-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 15.10.1977 bis 6.12.1989 bei der Beklagten beschäftigt. Er studierte 1977 technische Chemie, bekam Kontakt zu Brigitte S*****, die kurz zuvor eine Druckerei gekauft hatte und Geschäftsführerin der Beklagten war. Sie fragte ihn, ob er sich mit zwei alten, funktionsfähigen Kameras im Betrieb auskenne. Der Kläger verbrachte daraufhin einen Monat im Betrieb und versuchte mit der vorhandenen Fotoausstattung brauchbare Aufnahmen für die Reproduktionstätigkeit, zumal weder die Geschäftsführerin noch der damals angestellte Drucker mit dem Betrieb der Kamera vertraut waren. Dem Kläger gelang es, neue Druckvorlagen herzustellen. Als die Geschäftsführerin sah, daß der Kläger sich im Betrieb gut zurechtfindet und den technischen Teil beherrscht, bot sie ihm den Eintritt als Angestellter im Unternehmen an. Über eine kollektivvertragliche Entlohnung wurde nicht gesprochen. Obwohl seine Entlohnung geringer als die des angestellten Druckers war, erschien sie dem Kläger akzeptabel, zumal ihn die Tätigkeit im Unternehmen faszinierte. In der Folge bildete sich der Kläger privat und dienstlich weiter, wobei sich auch sein Aufgabenbereich und seine Tätigkeit weiter entwickelte. Die Betriebsführung erfolgte partnerschaftlich mit der Geschäftsführerin. Sie kümmerte sich um den kaufmännischen Teil, der Kläger um den technischen Bereich. Nach etwa dreijähriger Betriebszugehörigkeit war der Kläger zum "Mädchen für alles" geworden. Zwischen 1983 und 1988 beschränkte sich die Anwesenheit der Geschäftsführerin im Betrieb auf durchschnittlich zehn Wochenstunden. Sie besprach jedoch mit dem Kläger sämtliche Unternehmensprobleme. Sein Einsatz führte zu einer Verbesserung des Umsatzes und zur Einstellung zusätzlicher Kräfte. Er gab den Druckern als Vorgesetzter Arbeitsanweisungen, hatte Bankvollmacht, von der er zumindest ein- oder zweimal Gebrauch machte. Daß sein Gehalt unregelmäßig bezahlt wurde kümmerte den Kläger nicht, weil er gerne im Unternehmen arbeitete und etwas weiterbringen wollte. Die Absicht, den Kläger als Partner in den Betrieb aufzunehmen, scheiterte an steuerlichen Überlegungen. Bei Abwesenheit der Geschäftsführerin akontierte sich der Kläger den Gehalt. Ab 1983 war der Kläger in der Gehaltsrelation zu den übrigen Dienstnehmern der bestbezahlteste. Überstunden wurden dem Kläger bezahlt, doch verzeichnete er sie nie, obwohl ihn die Geschäftsführerin mehrmals darum bat. Der Kläger remonstrierte weder gegen Art und Höhe der Entlohnung noch stimmte er einer Minderentlohnung zu. Ab 1988 war die Geschäftsführerin wieder verstärkt im Unternehmen tätig. Es kam zu Koordinationsschwierigkeiten und Reibungen. Im Februar oder März stellte der Kläger fest, daß drei Gehälter offen waren und urgierte die Zahlung. Nach elf Jahren bat er um eine Abrechnung. Er hatte nie zuvor einen Gehaltszettel gesehen. Mit der erhaltenen Unterlage wandte sich der Kläger an die Arbeiterkammer. Wegen Nichtnachvollziehbarkeit der Abrechnung bat der Kläger über den Klagevertreter im Oktober 1989 um eine Gehaltsaufstellung bis Oktober 1989 und erhielt die Auskunft, bisher als Reprohilfskraft oder -fotograf beschäftigt gewesen zu sein. Über Vorhalt, daß diese Einstufung unrichtig sei, lehnte die Geschäftsführerin weitere Gespräche ab. Am 30.11.1989 nahm der Kläger keinerlei Entgeltzahlungen mehr an. Er verweigerte die Annahme des angebotenen Novembergehaltes und bekam auch keine monatliche Abrechnung, holte am 4. Dezember 1989 seine Sachen und erklärte zwei Tage später seinen Austritt. Austrittsgrund war die Verweigerung der richtigen Einstufung als "rechte Hand" der Geschäftsführung in der III. Verwendungsgruppe als Abteilungsleiter. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses hatte der Kläger 37 offene Urlaubstage. Die von ihm in der Klage behaupteten Überstunden (35 pro Monat) hatte der Kläger geleistet. Die bis zum Beginn der Reibereien gegebene partnerschaftliche Betriebsführung und der dem Kläger dabei eingeräumte Einfluß auf die Betriebsführung und das Betriebsgeschehen wurde vom Kläger so verstanden, daß er als Abteilungsleiter eingestuft sei.

Kläger und Geschäftsführerin hatten im Reprobereich zusammengearbeitet. Die Geschäftsführerin konnte alle Tätigkeiten im Reprobereich durchführen und war befähigt, den Druckbereich zu überwachen. Rund 80 % der Arbeit im Reprobereich fiel auf den Kläger. Sein Schwerpunkt im Betrieb war die Druckvorbereitung, Ausarbeitung des Satzes, Reprofotografie, Montage, das Herstellen von Druckplatten, Übergabe des Auftrages an den Drucker samt notwendigen Anweisungen und dessen Überwachung sowie die Koordination von Subunternehmen wie Buchbinder. Der Kläger konnte auch unter Berücksichtigung kaufmännischer Fakten Kostenvoranschläge erstellen und Nachkalkulationen durchführen. Er besprach aber größere Aufträge mit der Geschäftsführerin. Nur fallweise machte der Kläger schriftliche Offerte. Meist genügten mündliche. Während dem Kläger überwiegend der technische Bereich oblag, brachte er im kaufmännischen Bereich nur 20 % ein, wovon nur 10 % eigenverantwortlich waren. Für Kundengespräche des Klägers gingen täglich eineinhalb Stunden auf. Der Kläger war gegenüber allen im Betrieb Beschäftigten weisungsbefugt. Der Betrieb ist ein Kleinbetrieb mit Stammkunden und meist standardisierten Aufträgen. Sowohl im technischen wie im kaufmännischen Bereich waren zusätzlich zum Kläger und zur Geschäftsführerin zumindest je ein weiterer Dienstnehmer tätig.

Der Kläger begehrt unter Behauptung eines berechtigten Austrittes infolge unrichtiger Einstufung Entgeltdifferenzen zum Abteilungsleiter in der III. Verwendungsgruppe, Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsabfindung für 42 Urlaubstage, Kündigungsentschädigung und Abfertigung sowie Überstundenentgelt im Gesamtbetrag von S 642.607,30 sA.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kläger nicht als Abteilungsleiter beschäftigt und sein Austritt daher unberechtigt gewesen sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 116.946,58 brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von S 525.660,72 sA ab.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Tätigkeit des Klägers nicht der des Abteilungsleiters der III. Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages für das graphische Gewerbe entspreche. Die erforderliche Personalaufsicht, die sich die Geschäftsführerin vorbehalten habe fehle ebenso wie die sonstigen Selbständigkeitselemente. Er habe vielmehr eine Mischtätigkeit aus der eines Reproduktionsfotografen und der eines kaufmännischen Angestellten im graphischen Gewerbe in der Gruppe III des Kollektivvertrages (Lagerleiter, Fakturisten, Expedienten und dergleichen) verrichtet. Für diese Tätigkeiten war das dem Kläger bezahlte Gehalt auch nach zehn Verwendungsjahren angemessen. Der vorzeitige Austritt sei allerdings gerechtfertigt, weil die Beklagte ohne Vereinbarung, daß ein Teil seines Gehaltes für Abgaben und Steuern als Überstundenpauschale verrechnet werde, einen Abzug in der Höhe von S 2.000 bei Auszahlung des Novembergehaltes unberechtigt vorgenommen habe. Ausgehend vom zuletzt bezahlten Gehalt von S 19.300 stehe daher Kündigungs- und Urlaubsentschädigung wie auch der einbehaltene Betrag von S 2.000 samt Zinsen zu.

Das Berufungsgericht wiederholte infolge Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung das Beweisverfahren durch Verlesung der in erster Instanz durchgeführten Zeugenaussagen, vernahm ergänzend den Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten und kam zu den vorzitierten Feststellungen.

Es änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger S 642.604,30 brutto sA zu bezahlen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Meinung, daß der Einbehalt von S 2.000 am 30.11.1989, - weil der Kläger keine Überstundenaufzeichnungen vorlegte, - rechtswidrig gewesen sei, zumal auch ohne Einbehalt der S 2.000 die angebotene Zahlung nicht der schlüssig vereinbarten Einstufung des Klägers als Abteilungsleiter in der III. Verwendungsgruppe entsprach und mit dem Kläger die Führung von Überstundenverzeichnissen nicht vereinbart war. Der Kläger habe gemäß § 863 ABGB von seiner Einstufung als Abteilungsleiter bei seinem Einsatz im Betrieb ausgehen dürfen. Nur deshalb sei der nach Abbruch seines Studiums im Betrieb vorgenommene persönliche Einsatz verständlich. Die im Berufungsverfahren streitverfangenen, vom Kläger begehrten Beträge einschließlich der Sonderzahlungen seien in der Klage ausreichend aufgeschlüsselt und berechtigt.

Gegen dieses Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.

Der gerügte Mangel des Berufungsverfahrens durch Verletzung der Bestimmung des § 488 Abs 4 ZPO liegt nicht vor. Die allgemeine Verpflichtung des Berufungsgerichtes bei Anordnung einer Beweiswiederholung alle mit dem fraglichen Beweisthema im Zusammenhang stehenden Beweise unmittelbar zu wiederholen (9 ObA 210/89, 6 Ob 539/94) besteht dann nicht mehr, wenn die Parteien in Kenntnis der Absicht der Beweiswiederholung und der damit geäußerten Bedenken des Berufungsgerichtes gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nur die Einvernahme einzelner bestimmter Zeugen ausdrücklich beantragen. Zweck der Bestimmung des § 488 Abs 4 ZPO ist, sicherzustellen, daß die Parteien nicht von einer Änderung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht durch neuerliche Aufnahme der in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen Beweise überrascht werden (RZ 1991/20), ohne Gelegenheit zu haben, eine neuerliche Aufnahme der Beweise durch das Berufungsgericht zu beantragen. Hat eine Partei bei der ihr in vier Verhandlungen vor dem Berufungsgericht ausreichend gebotenen Gelegenheit, die Aufnahme aller Beweismittel zu beantragen, sich nur auf einzelne bestimmte Beweise beschränkt, ist das Unterbleiben der unmittelbaren Aufnahme aller übrigen Beweise kein Mangel des Berufungsverfahrens, weil die Parteien auf die Einhaltung dieser Verfahrensbestimmung auch verzichten können (5 Ob 572/93).

Die Ablehnung der im Berufungsverfahren beantragten Beiziehung eines Sachverständigen durch das Berufungsgericht wegen hinreichender Klärung des Sachverhaltes durch die bereits aufgenommenen Beweise kann als Frage der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht bekämpft werden (EFSlg 55.106, 57.830, 64.151).

Ob der Kläger infolge des Anbotes der Geschäftsführerin als Angestellter in das Unternehmen einzutreten, zu diesem Zeitpunkt Angestellter "ex contractu" war, was nicht notwendigerweise zur Anwendung des Kollektivvertrages technische Angestellte und der dortigen Einstufungskriterien geführt, sondern nur die vertragsmäßige Behandlung als Angestellter unter Zugrundelegung des Angestelltengesetzes als Vertragsschablone bewirkt hätte (9 ObA 245/93 = Infas 1994 A 107; WBl 1994, 200), ist nicht zu untersuchen. Es haben sich nämlich keine Anhaltspunkte ergeben, daß dem Kläger auch die Anwendung des Kollektivvertrages technische Angestellte oder die Einstufung in einer bestimmten Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages zugesichert worden wäre. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes kann aus der partnerschaftlichen Betriebsführung mit der Geschäftsführerin, die sich um den kaufmännischen und der Kläger um den technischen Bereich kümmerte oder aus den dem Kläger eingeräumten Befugnissen in bezug auf die Betriebsführung und das Betriebsgeschehen eine konkludente Einstufung als Abteilungsleiter in die III. Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages Technische Angestellte (= KVTA) nicht abgeleitet werden.

Mangels einer ausdrücklichen Erklärung über die Einstufungsfrage ist die Einstufung auf Grund der tatsächlichen Verwendung des Kläger im Betrieb vorzunehmen. Die Betrauung des Klägers mit dem technischen Bereich des Betriebes hätte dann die Einstufung nach der III. Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages zur Folge gehabt, wenn der Kläger Abteilungsleiter gewesen wäre.

Weder der KVTA noch der nach § 2 Z 1 KV sinngemäß anzuwendende Mantelvertrag für Arbeiter des graphischen Gewerbes definieren den in der Gehaltstabelle verwendeten Begriff des Abteilungsleiters, sodaß dessen Bedeutung durch Auslegung zu ermitteln ist.

Kollektivverträge sind in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6 und 7 ABGB), auszulegen. Dabei ist vom objektiven Inhalt der Norm auszugehen. Maßgebend ist nur der in der Norm objektiv erkennbare Wille des Normengebers. Der Normadressat muß sich an den klaren Wortlaut der Norm halten können und muß in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, daß die Norm so gilt, wie sie von ihm verstanden werden muß. In erster Linie ist daher der Wortsinn auch im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (DRdA 1994/3 [Jabornegg]).

Unter Abteilung im Sinne des Kollektivvertrages ist nach § 2 der Vereinbarung der Kollektivvertragsparteien der Verantwortungsbereich des Abteilungsleiters zu verstehen. Das ist ein organisatorisch oder fachlich im Rahmen des Betriebes abgegrenzter technischer Bereich, für den ein Leiter verantwortlich ist und in dem zumindest ein weiterer Arbeitnehmer (neben dem Abteilungsleiter) beschäftigt sein muß, um die Einstufung in die erste Gehaltsstufe der III.Verwendungsgruppe zu ermöglichen. Der Kollektivvertrag unterscheidet nicht zwischen Kleinst- oder anderen Betrieben und bietet keinen Anhaltspunkt, daß für einen Kleinstbetrieb, in dem im technischen Betriebsteil neben dem Verantwortlichen nur ein weiterer Arbeitnehmer beschäftigt ist, die Einstufung als Abteilungsleiter nach dem Willen der Kollektivvertragsparteien ausgeschlossen wäre. Selbst bei Vorhandensein lediglich eines kaufmännischen und eines technischen Betriebsbereiches handelt es sich beim technischen Bereich um einen fachlich abgegrenzten Verantwortungsbereich. Daß eine Einstufung als Abteilungsleiter nur dann in Frage kommt, wenn ein Betrieb mehrere technische Abteilungen aufweist, läßt sich dem Kollektivvertrag nicht entnehmen.

Die Leiterqualifikation des Klägers für den technischen Bereich wurde nicht dadurch verhindert, daß er mit der Geschäftsführerin bei größeren Aufträgen Rücksprache hielt oder diese mit ihm sämtliche Unternehmensprobleme besprach, weil er ungeachtet des Umstandes, daß ihm der technische Bereich oblag, der Geschäftsführerin unterstellt war und seine Selbständigkeit daher begrenzt war.

Es ist aber auch die Angestelltenqualifikation des Klägers im Sinne der §§ 1, 2 AngG, 1 KVTA gegeben. Reicht seine Angestelltentätigkeit auch nicht aus, um seine Einstufung in die Verwendungsgruppen der Gehaltstabelle kaufmännische Angestellte des Kollektivvertrages für das graphische Gewerbe zu ermöglichen, weil die überwiegende Bedeutung seiner Tätigkeit für den Betrieb der technische Produktionsbereich war, so beinhaltete seine Tätigkeit auch nicht zu vernachlässigende Elemente, die sich als Angestelltentätigkeit qualifizierten, wie die regelmäßigen Kundengespräche, Erstellung von Kostenvoranschlägen und Kalkulationen, Überwachung und Koordination von Subunternehmen, seine Weisungsbefugnis gegen Bedienstete und die damit verbundene Vertrauensposition, seine Bankvollmacht, die insgesamt wegen ihrer Bedeutung bei Beurteilung der Gesamttätigkeit des Klägers und des Zusammenhanges mit dem Produktionsprozeß ungeachtet ihres Umfanges notwendig waren, um einen reibungslosen Betriebsablauf im technischen Bereich zu garantieren. Unter diesen Umständen kommt es daher nicht auf das zeitliche Überwiegen der technischen Arbeiten an, weil bei Bewertung der Gesamtheit der Tätigkeiten des Klägers ihrer Bedeutung nach die höher qualifizierten Tätigkeiten als Leiter des technischen Bereiches gegenüber der Tätigkeit des Reprofotografen in dem vorliegenden Kleinbetrieb überwiegen und für den Dienstgeber die ausschlaggebende Bedeutung hatten (Martinek-M. und W.Schwarz AngG7 67 mwN, Arb 9.090, 9.749, 10.045, 10.932, 9 ObA 98/93, 9 ObA 242/93).

Der Kläger ist daher als technischer Angestellter der III. Verwendungsgruppe einzustufen. Welche Verwendungsgruppenjahre als technischer Angestellter dem Kläger anzurechnen sind, - der Kläger geht offenbar nach seinen Gehaltsansätzen in der Klage von zwölf aus -, läßt sich den Feststellungen nicht eindeutig entnehmen, die nur davon ausgehen, daß der Kläger nach etwa dreijähriger Betriebszugehörigkeit zum "Mädchen für alles" geworden ist. Ob und wann er damit die Qualifikation als technischer Angestellter in der III. Verwendungsgruppe erreicht hat, ist damit nicht beantwortet. Die dem Kläger auf Grund einer unrichtigen Einstufung zustehenden Differenzansprüche können noch nicht errechnet werden.

Entgegen der Meinung der Revision stellte das Berufungsgericht die bei Beendigung des Dienstverhältnisses noch offenen Urlaubstage mit 37 fest. Ob diese schon vom Erstgericht vorgenommene Feststellung bestritten war, kann im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden. Das Berufungsgericht nahm die in der Klage behauptete Leistung der (35 monatlichen) Überstunden als erwiesen an, sodaß für eine Anwendung des § 273 ZPO kein Raum ist. Wie das Berufungsgericht allerdings zum Zuspruch des in der Klage begehrten Betrages von 60.391 S kam, läßt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen.

Ob der auf die Verweigerung der richtigen Einstufung gegründete Austritt berechtigt war, kann infolge der noch nicht feststehenden Differenzansprüche zum Austrittszeitpunkt nicht beurteilt werden. Von einer bloßen objektiven Rechtswidrigkeit des Vorenthaltens der Differenzansprüche auf Grund einer unrichtigen Auslegung des Kollektivvertrages kann nicht gesprochen werden (9 ObA 300/92 mwN). Die Beklagte hat auf Grund der Behauptung des Klägers, seine Einstufung sei unrichtig, weitere Gespräche darüber abgelehnt. Daher hat sie auch verhindert, daß der Kläger ein von der Revision vermißtes bestimmtes Begehren erhebt, sodaß er seine Mitwirkungspflicht, sein Begehren vor seinem Austritt zu verdeutlichen, nicht verletzen konnte. Vom bloßen Vorliegen verschiedener Rechtsmeinungen kann bei der vom Dienstgeber verweigerten Möglichkeit, die Ansprüche zu detaillieren und seine Rechtsmeinung zu begründen ebenso keine Rede sein (Arb 10.471) wie von der Verletzung der Verpflichtung, dem Arbeitgeber Gelegenheit zu geben, die Entgeltdifferenzen vor Austritt zu begleichen (Arb 10.535).

Es steht fest, daß die Beklagte am 30.11.1989, also entgegen dem Vorbringen in der Revision, vor erklärtem Austritt am 6.12.1989 S 2.000 einbehielt, weil der Kläger keine Überstundenaufzeichnungen vorlegte. Da das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes, daß dieser Betrag als Teil des Entgelts einbehalten worden war, nicht erkennbar übernahm sondern auf Grund der Beweiswiederholung neue Feststellungen traf, kann dieser Umstand ohne Klärung der darüber zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarungen den Austritt nicht rechtfertigen. Das dem Kläger jedenfalls zustehende fällige Gehalt ist allerdings von dem über Nachweis der Mehrleistungen durch den Kläger zu bezahlenden Überstundenentgelt zu unterscheiden und hätte auch bei einer rechtswidrigen Weierung des Klägers, Überstundenaufzeichnungen zu machen, nicht zurückbehalten werden dürfen (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 187).

Der erkennbaren Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger nur bei Vereinbarung von Überstundenaufzeichnungen zum Nachweis seiner Mehrleistungen verpflichtet war, kann nicht beigetreten werden, weil der Dienstnehmer schon nach § 8 Z 1 des Mantelvertrages verpflichtet ist, für die Betriebsabrechnung erforderliche Vordrucke nach den Wünschen des Dienstgebers arbeitsbegleitend und gewissenhaft auszufüllen und ein Verzicht des Arbeitgebers auf diese Vorgangsweise für die Vergangenheit nicht sein Recht, Aufzeichnungen ab einem bestimmten Zeitpunkt zu verlangen, beeinträchtigt. Ob es sich dabei um Vordrucke oder über Verlangen des Dienstgebers zu erstellende Überstundenaufzeichnungen handelt, ist ohne Belang. Jedenfalls hat der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen für Überstundenentgelt zu beweisen (Grillberger AZG 88 mwN).

Zur Feststellung der Verwendungsgruppenjahre, der Entgeltdifferenz auf Grund der unrichtigen Einstufung und der davon abhängigen Höhe der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche und des ausstehenden Überstundenentgelts war das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die Ergänzung seiner Feststellungen aufzutragen. Nur wenn keine Entgeltdifferenz auf Grund der unrichtigen Einstufung festgestellt werden kann, wäre die Berechtigung des Einbehaltes der S 2.000 zur Rechtfertigung des Austrittes zu prüfen.

Was die Frage des erstmals in der Revision aufgeworfenen vom Vorliegen des Austrittsgrundes abhängigen (Arb 10.726) Mitverschuldens des Klägers am Austritt nach § 32 AngG betrifft, braucht schon auf Grund der Unzulässigkeit dieser Neuerung darauf nicht eingegangen zu werden. Zumindest ein entsprechendes Tatsachenvorbringen hätte in den Vorinstanzen erstattet werden müssen (9 ObA 39/91).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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