OGH 9ObA300/92

OGH9ObA300/9216.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Mag.Karl Dirschmied in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** F*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.K***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch ***** Rechtsanwältin *****, wegen 140.982,17 S brutto und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Gesamtstreitwert 155.892,17 S sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Juni 1992, GZ 34 Ra 10/92-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19.April 1991, GZ 4 Cga 2514/90-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

I. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird teilweise bestätigt, so daß es als Teilurteil zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ein Dienstzeugnis mit nachstehendem Inhalt auszustellen:

"Herr Günther Firmkranz, geboren am 10.10.1960, wohnhaft in 3710 Ziersdorf, Roseggerstraße 1, war vom 3.5.1982 bis 7.2.1990 als technischer Zeichner angestellt."

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Teilurteiles wird der Endentscheidung vorbehalten.

II. Im übrigen (das ist hinsichtlich des Zahlungsbegehrens) werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens diesbezüglich sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 140.982,17 S brutto und die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. er sei bei der beklagten Partei seit 3.5.1982 als technischer Zeichner angestellt gewesen; auf das Dienstverhältnis sei der KV für Angestellte des Metallgewerbes anzuwenden. Trotz mehrfacher Urgenz sei die in diesem KV seit 1.1.1989 festgelegte Verkürzung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden von der beklagten Partei nicht eingehalten worden. Am 30.1.1990 habe er auch schriftlich die Bezahlung der über die kollektivvertragliche Arbeitszeit hinaus erbrachten Mehrstunden sowie die Zahlung der mit 1.1.1990 erfolgten kollektivvertraglichen Erhöhung seines Gehaltes begehrt und im weiteren hiefür der beklagten Partei eine Nachfrist bis 6.2.1990 gesetzt. Da die Zahlung bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt sei, habe er, wie bereits in diesem Schreiben angedroht, seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Die rückständigen Zahlungen seien erst am 23.2.1990 geleistet worden. Der Austritt sei daher zu Recht erfolgt. An Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, Abfertigung und anteiligen Sonderzahlungen stehe ihm insgesamt der begehrte Betrag zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Mit Beginn des Jahres 1990 seien die Geschäftsanteile der beklagten Partei auf andere Personen übergegangen; in diesem Zusammenhang sei auch ein Geschäftsführerwechsel eingetreten. Der neue Geschäftsführer habe sich erst die notwendigen Informationen über die dienstrechtlichen Belange der bei der beklagten Partei beschäftigten Personen beschaffen müssen. Dies sei in den ersten Tagen nicht umfassend möglich gewesen. Insbesondere sei nicht klar gewesen, ob die 38,5 Stunden-Woche auch auf den Kläger Anwendung finde. Am 30.1.1990 habe jedoch ein Gespräch mit dem Kläger stattgefunden, in dem diesem vom Geschäftsführer die umgehende Prüfung und Zahlung seiner berechtigten Ansprüche zugesagt worden sei. Dabei sei der Kläger auch darauf hingewiesen worden, daß dies unter Umständen mehr als eine Woche in Anspruch nehmen werde. Sämtliche Forderungen des Klägers seien mit der Abrechnung für den Feber 1990 erfüllt worden. Der Austritt des Klägers nach Setzung einer zu kurzen Nachfrist sei nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers zu Gänze statt; es traf folgende Feststellungen:

Der Kläger war seit 24.3.1982 bei der beklagten Partei beschäftigt; im Dienstvertrag war eine Kündigungsfrist zum 1. und 15. eines jeden Kalendermonats vereinbart worden. Die Gehälter werden im nachhinein gezahlt. Das ab Jänner 1990 gebührende Bruttomonatsgehalt betrug

18.428 S. Die mit 1.1.1990 eingetretene Erhöhung der Istlöhne nach dem Kollektivvertrag für Angestellte der Gas- und Wasserleitungsinstallateure um 5,3 % wurde bei der Gehaltsauszahlung für Jänner nicht berücksichtigt. Der Kläger machte den Geschäftsführer hierauf am 30.1.1990 aufmerksam und forderte die Zahlung bis 6.2.1990. Am selben Tag richtete er ein Schreiben an die beklagte Partei, in dem er seine Forderungen zusammenfaßte und erklärte, daß er sich weitere rechtliche Schritte vorbehalte, wenn die Forderungen nicht bis zum genannten Termin erfüllt seien. Mit Schreiben vom 7.2.1990 erklärte der Kläger seinen vorzeitigen Austritt. Ende Feber 1990 wurde die Gehaltsdifferenz für Jänner und das vollständige Gehalt für Feber gezahlt. Im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses waren 27 Werktage an Urlaub offen.

Hieraus zog das Erstgericht den Schluß, daß der Austrittstatbestand des § 26 Z 2 2.Fall AngG erfüllt sei; die beklagte Partei habe dem Kläger das ihm gebührende Entgelt dadurch vorenthalten, daß sie die kollektivvertragliche Erhöhung des Gehaltes trotz Nachfrist nicht gezahlt habe. Dies sei rechtswidrig erfolgt. Der Geschäftsführerwechsel per 1.1.1990 könne die Nichtzahlung des Differenzbetrages nicht rechtfertigen. Da der Austritt des Klägers bereits aus diesem Grund zu Recht erfolgt sei, erübrige es sich, den weiter geltend gemachten Austrittsgrund zu prüfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat dessen rechtlicher Beurteilung im wesentlichen bei. Dem Geschäftsführer der beklagten Partei sei spätestens seit dem 30.1.1990 bewußt gewesen, daß dem Kläger die Entlohnung für Mehrstunden, die dieser zufolge der mit 1.1.1989 eingetretenen Arbeitszeitverkürzung geleistet habe, sowie die mit 1.1.1990 eingetretene kollektivvertragliche Gehaltserhöhung vorenthalten worden sei. Da die rückständigen Beträge auch während der Nachfrist nicht gezahlt worden seien, sei der Kläger zum Austritt ohne Rücksicht darauf berechtigt gewesen, ob der Geschäftsführer gegenüber dem Kläger dessen Forderungen anerkannt und die Zahlung zugesagt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren des Klägers abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 26 Z 2 AngG ist als wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, insbesondere anzusehen, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zustehende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält. Im Zusammenhang damit hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach darauf hingewiesen, daß nicht schlechthin jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung, die dem Angestellten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigt (Arb 7644 = SozM I D 375; Arb 7838 = SozM I A d 543; Arb 9897 = SozM I A d 1242 ua). Ob diese Voraussetzungen zutreffen, kann immer nur auf Grund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (Arb 10.147); eine einmalige kurzfristige Verzögerung der Entgeltzahlung wird in der Regel nicht als ungebührliches Vorenthalten im Sinne des § 26 Z 2 AngG gewertet werden können, sofern der Dienstnehmer nicht annehmen muß, er werde das ihm gebührende Entgelt nicht bekommen (EvBl 1953/116; SozM A d 1037; im gleichen Sinne auch Arb 10.477). In der Entscheidung infas A 132/86 wurde der einmalige Verzug bei der Auszahlung einer kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung nicht als so schwerwiegende Vertragsverletzung beurteilt, daß der Angestellte hierauf mit dem Setzen einer siebentägigen Nachfrist und nach deren Ablauf mit dem vorzeitigen Austritt reagieren dürfe, wenn ihm - wie dort feststand - vom Dienstgeber die Nachzahlung mit der nächsten Gehaltsauszahlung zugesagt worden ist. Wohl wurde in der Entscheidung Arb 10.395 bei nur geringem Gehaltsrückstand ein ungebührliches Vorenthalten des Entgelts und damit ein Austrittsgrund angenommen, dies jedoch nur im Hinblick darauf, daß in diesem Fall bereits längere Zeit Schwierigkeiten bei der Gehaltsauszahlung bestanden und es sich nicht um bloß vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten handelte.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kann aufgrund der bisher vorliegenden Tatsachenfeststellungen die Erfüllung eines Austrittstatbestandes nicht angenommen werden. Der Umstand, daß dem Kläger die kollektivvertragliche Gehaltserhöhung nicht innerhalb der von ihm gesetzten Nachfrist gezahlt wurde, rechtfertigt für sich allein ohne nicht weiteres den vorzeitigen Austritt. Das Vorbringen der beklagten Partei ist daher für die Entscheidung keineswegs unerheblich. Es wird sohin der genaue Inhalt des zwischen dem Geschäftsführer und dem Kläger am 30.1.1990 geführten Gespräches festzustellen sein. Wurde dem Kläger bei dieser Gelegenheit die Nachzahlung des Differenzbetrages, dessen Höhe nicht festgestellt wurde, der aber offensichtlich nicht beträchtlich war, mit der nächsten Gehaltsauszahlung zugesagt, so könnte der Verzug mit der Zahlung über die gesetztes Nachfrist hinaus nicht als so schwerwiegende Vertragsverletzung beurteilt werden, daß von einem gerechtfertigten Austritt des Klägers ausgegangen werden könnte, zumal dann der auch dem Kläger bekannte Wechsel der Organe der beklagten Parteien und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten nicht ganz unbeachtet bleiben können. Nach den bisherigen Feststellungen lagen jedenfalls keine Umstände vor, die den Kläger zu dem Schluß hätten veranlassen können, er werde sein Entgelt nicht bekommen.

Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, daß die Nichtzahlung der kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung durch die beklagte Partei den Kläger zum Austritt nicht berechtigte, so wird auch das weitere Vorbringen des Klägers bezüglich des Rückstandes der beklagten Partei mit der Zahlung der sich aus einer kollektivvertraglichen Arbeitszeitverkürzung ergebenden Mehrstunden zu prüfen sein. Die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes entbehren jeder Feststellungsgrundlage. Sollte die Frage, ob die Arbeitszeitverkürzung auch auf das Dienstverhältnis des Klägers Anwendung zu finden hatte, auf der Grundlage einer zumindest vertretbaren Rechtsauffassung tatsächlich strittig gewesen sein - nach den Verfahrensergebnissen war die Frage der Anwendbarkeit des KV auf die Dienstverhältnisse im Betrieb der beklagten Partei auch Gegenstand von Verhandlungen mit dem Betriebsrat - so wird zu beachten sein, daß der Tatbestand des ungebührlichen Vorenthaltens des Entgeltes dann nicht erfüllt ist, wenn nur eine objektive Rechtswidrigkeit vorliegt; so wird etwa das Vorliegen eines Austrittstatbestandes verneint, wenn der Rechtsanwendung eine subjektiv nicht bewußte oder fahrlässig unrichtige Auslegung eines Kollektivertrages zugrunde gelegt wurde (Martinek-M. Schwarz-W. Schwarz, AngG7 569 mwN; Kuderna, Das Verschulden des Arbeitgebers am vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, DRdA 1984, 8 ff) Auch in diesem Zusammenhang kann der Tatsache des Geschäftsführerwechsels Bedeutung zukommen.

Daß das Dienstverhältnis beendet wurde, ist unstrittig. Unabhängig davon, ob der Austritt des Klägers zu Recht erfolgte, hat er daher gemäß § 39 Abs 1 AngG Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Martinek-M. Schwarz-W. Schwarz aaO 728). Das darauf gerichtete Begehren des Klägers, gegen das auch von der beklagten Partei nichts vorgebracht wurde, ist daher berechtigt. In diesem Umfang konnte ein Teilurteil gefällt werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Teilurteiles gründet sich auf § 392 ZPO, hinsichtlich des von der Aufhebung betroffenen Teiles der Entscheidung auf § 52 ZPO.

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