OGH 4Ob94/94

OGH4Ob94/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Yvonne Louise S*****, vertreten durch Dr.Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) W*****gesellschaft mbH & Co KG; 2) W*****gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 400.000 S), infolge von Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14.April 1994, GZ 3 R 250/93-32, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10.September 1993, GZ 39 Cg 341/91-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben, nicht aber jener der beklagten Parteien.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es - unter Einschluß des bestätigten Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagten Parteien sind schuldig, jede weitere Veröffentlichung des in der 'W*****' Nr.27 vom 4.7.1991 auf Seite 19 abgedruckten Bildnisses der klagenden Partei zu unterlassen, wenn diese im Begleittext als 'lästige Witwe' oder sinngleich herabsetzend bezeichnet oder auch wenn wahrheitswidrig behauptet wird, sie habe Herrn Gerald S***** zunächst zur Verfassung eines Theaterstückes über Robert Stolz gedrängt und versuche nun mit gerichtlicher Verfügung die Aufführung dieses Theaterstückes gegen Treu und Glauben zu verhindern, oder wenn im Begleittext inhaltsgleiche unrichtige Tatsachen behauptet werden.

Der klagenden Partei wird die Befugnis zugesprochen, den Urteilsspruch binnen drei Monaten nach seiner Rechtskraft auf Kosten der hiefür solidarisch haftenden beklagten Parteien im redaktionellen Teil der Wochenzeitschrift 'W*****' zu veröffentlichen, und zwar in schwarzer Umrahmung mit der Überschrift 'Im Namen der Republik!' in fettgedruckten Lettern in Größe der Überschrift des Artikels 'Die lästige Witwe' wie auf Seite 18 der 'W*****' Nr.27 vom 4.7.1991, sowie den Namen der Parteien des Rechtsstreites in gesperrt gedruckten Lettern.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 91.935,10 S bestimmten Prozeßkosten (darin enthalten 5.848 S Barauslagen und 14.347,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen".

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 73.860,52 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 21.640 S Barauslagen und 8.703,42 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Witwe und alleinige Gesamtrechtsnachfolgerin des am 27.6.1975 verstorbenen Komponisten Prof.Robert Stolz. Sie bezeichnet sich als "Frau mit Auftrag und Mission" und hat es sich zur Aufgabe gemacht, für Robert Stolz und seine Musik zu werben.

Die Erstbeklagte ist die Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "W*****", deren Leserzahl bei ca 150.000 lag bzw liegt; die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

Die Klägerin lernte Dr.Gerald S***** im März 1990 anläßlich einer Feier für Prof.Marcel P***** im ORF kennen. Sie machte ihm im Lauf des Gespräches den Vorschlag, ein Porträt zu schaffen, in dessen Rahmen er - nach Art Prof.P*****s - zu einzelnen Musikstücken von Robert Stolz einen von ihm verfaßten Text mit Anekdoten und Erzählungen über Robert Stolz präsentieren sollte. Auf die Frage Dris.S*****, ob auch eine Robert Stolz-Biographie in Bühnenform möglich sei, machte die Klägerin ihre Zustimmung davon abhängig, daß ihr das Manuskript eines solchen Bühnenwerkes zunächst zur Genehmigung vorgelegt werde. Sie erteilte auch keine unbeschränkte Zustimmung dazu, daß Dr.S***** ein Bühnenwerk über Robert Stolz ohne ihre weitere Genehmigung und Mitwirkung verfassen oder hiefür ein Buch der Klägerin nützen könne.

Danach übersandte die Klägerin dem Dr.S***** verschiedene Materialien über Robert Stolz, darunter auch die von ihr als Miturheberin geschaffene Biographie "Servus Du" und ein Manuskript über ein Robert Stolz-Porträt in der von ihr gewünschten und dem Dr.S***** vorgeschlagenen Art.

Anfang Juni 1990 übermittelte Dr.S***** der Klägerin das Manuskript für ein Theaterstück über Robert Stolz. Die Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 7.6.1990 mit, sie glaube, daß sie und Dr.S***** das Projekt noch einmal überdenken müßten. Im darauffolgenden Schreiben vom 9.6.1990 führte sie schließlich aus, sie sei nicht damit einverstanden, daß Dr.S***** Szenen aus dem Leben von Robert Stolz für die Bühne dramatisiert präsentiere.

Im Rechtsstreit 37 Cg 177/91 des Handelsgerichtes Wien begehrte die Klägerin die Verurteilung des dortigen Beklagten Dr.Gerald S*****, die Verwendung des Titels "Servus Du" für sein Theaterstück im Buch "Theaterstücke" sowie die Verwertung dieses Theaterstückes auch unter einem anderen Titel zu unterlassen, wenn es mit dem von der Klägerin und Robert Stolz geschaffenen Werk "Servus Du" wörtlich oder nahezu wörtlich übereinstimmt bzw als Bearbeitung dieses Werkes erscheint. Mit einem inhaltsgleichen Sicherungsantrag strebte die Klägerin ein einstweiliges Erscheinungs- und Aufführungsverbot für das Theaterstück "Servus Du" oder "Mister Stolz goes to Israel" an.

In der Ausgabe der Zeitschrift "W*****" Nr.27 vom 4.7.1991 erschien auf den Seiten 18 und 19 der nachstehende, mit einem Lichtbild der Klägerin illustrierte Artikel:

Das Bildnis der Klägerin ist im österreichischen Fernsehen zwischen dem 22.4.1985 und dem 26.4.1993 insgesamt 27 x in verschiedenen Beiträgen mit Namensinsert erschienen, wobei die Klägerin eine oder die Hauptperson des jeweiligen Beitrages war. Am häufigsten war die Klägerin in der jeweils von Montag bis Freitag im Programm ORF 1 um ca 21.15 Uhr ausgestrahlten Gesellschaftssendung "Seitenblicke" zu sehen, welche von durchschnittlich knapp über 1 Millionen Personen gesehen wird; sie war aber auch Gegenstand der Kulturberichterstattung und nahm ebenso an Studiogesprächen sowie Diskussionen teil.

Am 13.1.1980 hatte die Tageszeitung "K*****" die Klägerin unter dem Titel "Die lästige Witwe" ins Zentrum eines ganzseitigen Artikels gestellt. Die "W*****" vom 22.12.1980 widmete die Titelgeschichte "Die reichsten Witwen" ua der Klägerin. Im "K*****" vom 26.8.1990 war die - dort als "listige Witwe" bezeichnete - Klägerin im Rahmen eines großen, ganzseitigen Berichtes zu sehen. In der "N*****" vom 6.8.1991 war die Klägerin neben einem Artikel über die von ihr betriebene Robert Stolz GmbH abgebildet. Schon vorher hatte diese Zeitung zwischen dem 21.6.1979 und dem 5.8.1991 insgesamt 10 x über die Klägerin berichtet, wobei diese einmal auch einen "Tototip" präsentiert hatte. Auch andere österreichische Zeitungen haben in den letzten Jahren wiederholt über die Klägerin und ihr Anliegen, Robert Stolz und seine Musik in der Öffentlichkeit zu fördern, berichtet. Diese Berichte waren regelmäßig mit Lichtbildern der Klägerin illustriert.

Mit der Behauptung, daß der Veröffentlichung ihres Bildes jeglicher Nachrichtenwert fehle und hiedurch im Zusammenhang mit der Bezeichnung "lästige Witwe" und den unwahren herabsetzenden Tatsachenbehauptungen des Begleitartikels ihre berechtigten Interessen verletzt worden seien, begehrt die Klägerin die Beklagten schuldig zu erkennen, daß sie jede weitere Veröffentlichung ihres in der "W*****" Nr.27 vom 4.7.1991 auf Seite 19 veröffentlichten Bildnisses zu unterlassen haben, wenn diese Veröffentlichung geeignet ist, berechtigte Interessen der Klägerin zu verletzen, insbesondere wenn die Klägerin im Begleittext als "lästige Witwe" bezeichnet und wahrheitswidrig behauptet wird, sie habe Herrn Gerald S***** zunächst zur Verfassung eines Theaterstückes über Robert Stolz gedrängt und versuche nun mittels gerichtlicher Verfügung, die Aufführung des Theaterstückes gegen Treu und Glauben zu verhindern; damit verbindet die Klägerin einen Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im redaktionellen Teil der Wochenzeitschrift der Erstbeklagten.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei eine Person des öffentlichen Lebens im Sinne einer "absoluten Person der Zeitgeschichte"; als solcher stehe ihr der Bildnisschutz des § 78 UrhG nur zu, wenn die Bildnisveröffentlichung für sich allein berechtigte Interessen verletze. Bei Personen, deren Aussehen allgemein bekannt ist, könne nämlich die Veröffentlichung eines - wie hier - völlig harmlosen und sogar äußerst vorteilhaften - Lichtbildes keine berechtigten Interessen beeinträchtigen. Anders als bei Privatpersonen, deren Identität erst durch die Bildnisveröffentlichung bekannt wird, müsse hier der allenfalls ehrenrührige oder kreditschädigende Begleittext bei der Beurteilung der Beeinträchtigung berechtigter Interessen für den Bildnisschutz außer Betracht bleiben. Im übrigen sei die Bezeichnung "lästige Witwe" seit mehr als 10 Jahren der "Spitzname" der Klägerin, den auch ein flüchtiger Leser sofort als Wortspiel in Anlehnung an die berühmte Operette "Die lustige Witwe" von Franz Lehar erkenne. Im übrigen sei das Begehren der Klägerin viel zu weit gefaßt. Schließlich habe ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse der Erstbeklagten bestanden, weil die Klägerin den Literaten Dr.S***** dazu animiert habe, ein Theaterstück über Robert Stolz zu veröffentlichen und ihm zu diesem Zweck mehrere Unterlagen über Robert Stolz zur Verfügung gestellt habe. Erst nachdem das Theaterstück nicht nach den Vorstellungen der Klägerin ausgefallen sei, habe sie Dr.S***** - ohne ihm vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben - klageweise in Anspruch genommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Klägerin sei infolge der häufigen Bildberichterstattung in den Medien in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Wenn sie daher mit Dr.S*****, einem Schriftsteller und Hauptabteilungsleiter des ORF, einen Rechtsstreit darüber führe, ob das von ihm geschaffene Werk auf dem Spielplan des Wiener Volkstheaters bleiben darf oder nicht, so bestehe ein öffentliches Interesse an Information über diese Auseinandersetzung. Da am 4.7.1991 eine gerichtliche Entscheidung noch ausstand, habe die Erstbeklagte über die Auseinandersetzung insoferne wahrheitsgemäß berichtet, als ihr Artikel dem Parteivorbringen entsprochen habe. Im Verfahren 37 Cg 177/91 des Handelsgerichtes Wien habe nämlich Dris.S***** den Standpunkt vertreten, daß ihm von der Klägerin eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden sei. Insoweit liege keine wahrheitswidrige, die berechtigten Interessen der Klägerin verletzende Berichterstattung vor. Ebensowenig könne dem Artikel eine völlig ungehörige Herabsetzung und Verunglimpfung der Klägerin als "hinterlistiges Wesen" entnommen werden. Die Klägerin sei schon am 13.1.1980 in einem Zeitungsartikel erstmals als "lästige Witwe" bezeichnet worden. Durch das Attribut "lästig" werde weder der bloß störende Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens begründet noch ein grobes Unwerturteil gefällt oder die soziale Wertschätzung empfindlich untergraben. Die Klägerin sei dafür bekannt, daß sie ihren Aktivitäten zum Gedenken an Robert Stolz vieles unterordne. Diese Eigenschaft bringe es geradezu zwangsläufig mit sich, daß die Klägerin mitunter (auch) "lästig" werden könne. Das sei der Klägerin laut einem Zeitungsartikel vom 1.3.1980 durchaus selbst bewußt. Wie weit das Engagement der Klägerin bisweilen gehe, zeige auch ihre Parteiaussage in diesem Verfahren:

Sie habe zu Dr.S***** - einem "wichtigen Mann beim ORF" - zunächst einfach "nett" sein wollen; in Wirklichkeit habe sie seinen Roman "Puntigam oder die Kunst des Vergessens", über den sie sich in ihrem Schreiben geradezu hymnisch geäußert habe, niemals gelesen. Im Hinblick darauf, daß die Bezeichnung "lästig" einerseits nichts wirklich Unehrenhaftes zum Ausdruck bringe, andererseits aber auch einer gewissen Berechtigung nicht entbehre, habe der beanstandete Artikel die Interessen der Klägerin im Sinne des § 78 UrhG nicht ernsthaft zu gefährden vermocht.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Beklagten schuldig erkannte, die Veröffentlichung des in der "W*****" Nr.27 vom 4.7.1991 auf Seite 19 veröffentlichten Bildes der Klägerin zu unterlassen, wenn dabei wahrheitswidrig behauptet wird, sie habe Gerald S***** zunächst zur Verfassung eines Theaterstückes über Robert Stolz gedrängt und versuche nun mit gerichtlicher Verfügung die Aufführung dieses Theaterstückes gegen Treu und Glauben zu verhindern, oder wenn im Begleittext inhaltsgleiche unrichtige Tatsachen behauptet werden. In diesem Umfang wurde der Klägerin auch die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung erteilt. Im übrigen bestätigte das Berufungsgericht das auf Unterlassung einer Bildnisveröffentlichung der Klägerin mit dem Begleittext "lästige Witwe" gerichtete Mehrbegehren. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei; das Berufungsgericht stellte ergänzend noch folgenden Sachverhalt fest:

Anläßlich der ORF-Feier im März 1990 hat die Klägerin auch ihr Interesse daran bekundet, daß Dr.S***** ein Theaterstück über Robert Stolz schreibt. Aufgrund dieses Gespräches und der Unterlagen, die ihm die Klägerin in der Folge übermittelte, fühlte sich Dr.S***** angeregt oder zumindest bestärkt, ein Theaterstück über Robert Stolz zu verfassen.

Im Provisorialverfahren des zu 37 Cg 177/91 des Handelsgerichtes Wien geführten Rechtsstreites hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 7.4.1992, 4 Ob 14/92 (mittlerweile veröffentlicht in SZ 65/49 = ÖBl 1992, 75 = MR 1992, 238 = ecolex 1992, 488 - Servus Du), Dr.Gerald S***** verboten, das im Sammelband "Theaterstücke", erschienen im Verlag der h*****gesellschaft mbH & Co KG, enthaltene Theaterstück "Servus Du" oder "Mr.Stolz goes to Israel" unter diesem oder auch unter einem anderen Titel in irgendeiner Weise zu verwerten, insbesondere zu vervielfältigen, zu verbreiten, im Rundfunk zu senden und aufzuführen. Der Rechtsstreit selbst wurde am 21.10.1992 durch Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches beendet, in welchem sich Dr.Gerald S***** verpflichtete, es zu unterlassen, das im Sammelband "Theaterstücke" enthaltene Theaterstück "Servus Du" oder "Mr.Stolz goes to Israel" unter diesem oder auch unter einem anderen Titel in irgendeiner Weise zu verwerten, insbesondere zu vervielfältigen, zu verbreiten, im Rundfunk zu senden und aufzuführen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Berufungsgericht daraus, daß die Klägerin nicht nur in Künstlerkreisen, sondern einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sei. Auch die regelmäßige Medienpräsenz der Klägerin habe aber noch nicht dazu geführt, daß sie eine allgemein bekannte Person geworden wäre. "Allgemeinbekanntheit" liege erst dann vor, wenn das Aussehen einer Person der Allgemeinheit schlechthin, also nahezu jedermann, bekannt ist. Bei Beurteilung der Frage, ob durch die beanstandete Bildnisveröffentlichung berechtigte Interessen der Klägerin verletzt worden sind, müsse daher auch der mit dem Bild zusammenhängende Text berücksichtigt werden. Der beigegebene Text unterstelle aber der Klägerin, daß sie - nachdem sie Dr.S***** bedrängt hatte, ein Theaterstück über ihren verstorbenen Mann zu schreiben - gegen Treu und Glauben Klage eingebracht hat, um eine Aufführung des Theaterstückes zu verhindern, weil dieses nicht zu einer "rückhaltslosen Verklärung" der Vergangenheit ihres Mannes beitrage. Der Erstbeklagten sei kein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse zuzubilligen, weil im beanstandeten Artikel nicht objektiv und ausgewogen über den Rechtsstreit berichtet worden sei, sondern Partei für Dr.S***** genommen wurde, so daß durch die teilweise wahrheitswidrige und unvollständige Darstellung ein unrichtiger Eindruck erweckt worden sei. Die Wiederholungsgefahr sei schon deshalb nicht weggefallen, weil die Erstbeklagte darauf beharre, zu dem Eingriff berechtigt gewesen zu sein, und es gerade im Hinblick auf die Beendigung des Rechtsstreites nahe liege, daß darüber berichtet wird und in diesem Zusammenhang wieder ein Bildnis mit inhaltsgleichen unwahren Behauptungen im Begleittext veröffentlicht wird.

Hingegen seien durch die Bildnisveröffentlichung mit der beifügenden Bezeichnung der Klägerin als "lästige Witwe" keine berechtigten Interessen verletzt worden. Hiezu ergebe sich im Hinblick auf das im Hauptverfahren deutlich hervorgekommene taktische Verhalten der Klägerin bei der Verfolgung ihrer Ziele ein gegenüber der Entscheidungsgrundlage im Provisorialverfahren neues Bild. Mit dieser Bezeichnung werde die Klägerin in Anspielung an das Operettenmilieu einer pointiert formulierten Kritik ausgesetzt, welche im Rahmen der Freiheit der Meinungsäußerung zulässig sein müsse und nicht zuletzt durch das Verhalten der Klägerin auch in gewisser Weise provoziert worden sei. Die Klägerin müsse sich vorhalten lassen, daß sie nicht von Anfang an deutlich zum Ausdruck gebracht habe, von ihrem verstorbenen Mann beauftragt zu sein, schlechthin jedes Theaterstück über ihn zu verhindern. Ein solcher Hinweis wäre aber geeignet gewesen, Dr.S***** davon abzuhalten, Zeit und Mühe in eine Arbeit zu investieren, die die Billigung und die Unterstützung der Klägerin nicht finden konnte. Im Gegensatz dazu habe die Klägerin jedoch Dr.S***** in der Idee, ein Theaterstück zu schreiben, zumindest anfangs noch bestärkt; dies nicht zuletzt auch durch übertriebenes und - wie sie selbst zugebe - ihrer Überzeugung widersprechendes Lob für seine schriftstellerischen Fähigkeiten. Hinzu komme, daß die Klägerin auch den vorangehenden Bezeichnungen als "lästige Witwe" nicht erkennbar widersprochen habe. Auch das berechtigte Anliegen der Klägerin um den Nachlaß ihres verstorbenen Ehegatten nehme der Erstbeklagten nicht das Recht zur Kritik an der Art, wie sie ihre Ziele verfolge. Die Klägerin sei bestrebt, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu gelangen und setze sich und ihre Taten daher auch einer genauen Beobachtung durch diese Öffentlichkeit aus, so daß bei ihr - mehr noch als bei Privatpersonen - eine sachbezogene Kritik zulässig sein müsse. Die in der Bezeichnung als "lästige Witwe" enthaltene Kritik an der Klägerin sei daher gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt, nicht jedoch diejenige der Beklagten.

Der im Hauptverfahren zu beurteilende Sachverhalt weicht von demjenigen, welcher Grundlage der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7.4.1992, 4 Ob 14/92 (inzwischen veröffentlicht in SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe), war, nur insoferne ab, als nunmehr feststeht, daß die Klägerin seit 1980 in den österreichischen Printmedien wiederholt Gegenstand der Wort- und Bildberichterstattung gewesen ist und daß sie auch im Fernsehprogramm des ORF zwischen dem 22.4.1985 und dem 26.4.1993 insgesamt 27 x in verschiedenen Beiträgen mit Namensinsert - zahlenmäßig am häufigsten in der Gesellschaftssendung "Seitenblicke" - zu sehen war.

Entgegen der Meinung der Beklagten hält der erkennende Senat an seiner, erstmals in SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe dargelegten und seither wiederholt bekräftigten (4 Ob 89/92, insoweit von den Veröffentlichungen in EvBl 1993/58, ZfRV 1993, 151 und ecolex 1993, 159 nicht umfaßt; ÖBl 1993, 36 - Ronald Leitgeb und 39 - Austria-Boß; ecolex 1993, 736) Rechtsansicht fest, daß selbst bei im öffentlichen Leben stehenden Personen, deren Aussehen aber nur einem beschränkten Teil der hiefür interessierten Öffentlichkeit bekannt ist, jedenfalls der mit der Bildnisveröffentlichung zusammenhängende Text zu berücksichtigen ist, wird doch auch in diesen Fällen - so wie bei unbekannten Privatpersonen - die Verletzung durch die Beigabe des Bildes noch verschärft und eine "Prangerwirkung" erzielt, weil die Person des Angegriffenen erst damit einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht wird. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit den schon in SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe vorgezeichneten Überlegungen ("wenn auch die Klägerin ... wiederholt Gegenstand der Wort- und Bildberichterstattung gewesen sein mag, so ist doch ihr Aussehen keineswegs allgemein, sondern nur einem an diesem Kulturbereich interessierten Teil der Öffentlichkeit bekannt") - zutreffend erkannt, daß die Klägerin zwar eine "Person des öffentlichen Lebens", aber ihr Aussehen keineswegs allgemein bekannt ist. Letzteres wäre, da die Wochenzeitschrift der Erstbeklagten in ganz Österreich vertrieben wird, nur dann der Fall, wenn die Klägerin einen extrem hohen Bekanntheitsgrad hätte, so daß ihr Bild so gut wie jedem Österreicher vertraut ist (4 Ob 75/94; vgl Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht, 110 f Rz 7.1:

"Alle Personen, die vor allem in ihrem Aussehen durch ihr laufendes Auftreten in der Öffentlichkeit über einen begrenzten Bekanntheitsgrad hinaus einer breiten Öffentlichkeit, also der Allgemeinheit bekannt sind. Mit anderen Worten: jedermann weiß, wie die betreffende Person aussieht"). Auch wenn daher die Klägerin in den letzten 13 Jahren wiederholt Gegenstand der Wort- und Bildberichterstattung in den elektronischen und den Printmedien gewesen ist, folgt daraus noch nicht, daß ihr Aussehen allgemein bekannt wäre, sondern nur, daß es dem am speziellen Kulturbereich der Operette oder am "Gesellschaftsklatsch" interessierten Teil der Öffentlichkeit bekannt ist (so schon SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe).

Daher muß hier auch der beanstandete Begleittext zur Bildnisveröffentlichung Berücksichtigung finden. Daß aber die beanstandeten herabsetzenden und objektiv unwahren Tatsachenbehauptungen und die in diesem Zusammenhang erfolgte Bezeichnung der Klägerin als "lästige Witwe" deren berechtigte Interessen verletzen, ist schon in der Entscheidung SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe dargelegt worden. Soweit die Beklagten dem nunmehr auch entgegenhalten, daß bei Ausfüllung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "berechtigte Interessen" der neue § 7 a MedienG herangezogen werden müsse, ist ihnen entgegenzuhalten, daß der Schutz des § 78 UrhG nicht auf einen Identitätsschutz beschränkt ist. § 7 a MedienG ist somit nur für einen Teilbereich eine lex specialis zu § 78 UrhG; aus den Voraussetzungen für einen Verstoß gegen § 7 a MedienG kann noch nicht auf die Voraussetzungen für eine Verletzung berechtigter Interessen im Sinne des § 78 UrhG geschlossen werden (4 Ob 15/93, insoweit von der Veröffentlichung in ecolex 1993, 736 nicht umfaßt).

Im Hauptverfahren haben die Beklagten - anders als im Provisorialverfahren - nunmehr auch ein berechtigtes Interesse der Erstbeklagten an der Bildnisveröffentlichung behauptet, weil diese im Rahmen einer die Öffentlichkeit interessierenden Prozeßberichterstattung erfolgt sei. Ein derartiges Interesse an der Veröffentlichung des Bildnisses einer "Person des öffentlichen Lebens" im Zusammenhang mit einem von ihr angestrengten Prozeß kann jedoch der Erstbeklagten nur dann nicht abgesprochen werden, wenn die Berichterstattung wahr ist (ÖBl 1993, 36 - Ronald Leitgeb) und die Veröffentlichung des Bildnisses nicht (auch) dazu dient, die Aufmerksamkeit der Leser auf grob ehrenrührige Behauptungen zu lenken, so daß diese einprägsamer werden (ecolex 1993, 736). Da aber die im vorliegenden Fall beanstandete Berichterstattung tendenziös Partei für den Prozeßgegner der Klägerin ergriffen und dessen - objektiv unrichtigen - Standpunkt als wahr herausgestellt hat, die Klägerin - im Zusammenhang damit - überdies im Titel und im Text des Artikels als "lästige Witwe" bezeichnet worden ist, kann überhaupt kein selbständiges, geschweige denn ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse des Bildverbreiters gerechtfertigt sein. In einem solchen Fall versagt auch die Berufung der Beklagten auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung: Daß nämlich die Herabsetzung einer Person durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen Kritik überschreitet und selbst im Wege einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (NRSp 1992/199; ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre; MR 1993, 14 - Spitzelakt; zuletzt etwa 4 Ob 40/93; 6 Ob 17/94; 6 Ob 21/94); das trifft auch auf eine Bildberichterstattung zu.

Mit Recht wendet sich die Klägerin daher gegen die Teilabweisung des Begehrens auf Veröffentlichung ihres Bildnisses, soweit sie im Begleittext als "lästige Witwe" bezeichnet worden ist. Sie hat zwar ihr gemäß der Entscheidung SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe im Obersatz zu weit gehendes Unterlassungsbegehren auch im Hauptverfahren nicht eingeschränkt, aber doch in ihrem Klagevorbringen im Zusammenhalt mit dem - zu weit bzw zu allgemein gefaßten - Obersatz ihres Unterlassungsbegehrens unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Bildnisveröffentlichung sowohl im Zusammenhang mit der Bezeichnung als "lästige Witwe" als auch im Zusammenhang mit einer wahrheitswidrigen Berichterstattung verboten werden soll, daß also das im konkretisierenden Teil ihres Begehrens ("insbesondere") aufscheinende Bindewort "und" nicht kumulativ gemeint ist. Daß aber die Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit der Bezeichnung als "lästige Witwe" bereits für sich allein die Interessen der Klägerin verletzt hat, ist im Sinne der Entscheidung SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe zu bejahen, wurde doch mit einer solchen Bezeichnung das von der Klägerin verfolgte Anliegen als Witwe ihres verstorbenen Ehegatten jedenfalls lächerlich gemacht und so in herabsetzender Weise verspottet. Es kommt daher entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht darauf an, ob die Klägerin dem Dr.S***** aus - im Artikel gar nicht dargelegten - Gründen möglicherweise tatsächlich "lästig" gewesen ist.

Die hiefür behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten haben sich im erstinstanzlichen Verfahren auf einen Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht berufen. Ihr diesbezüglicher, erstmals in der Berufungsbeantwortung erhobene Einwand, war daher eine unzulässige Neuerung, auf welche das Berufungsgericht zufolge ihrer Unbeachtlichkeit gar nicht einzugehen gehabt hätte. Die Klägerin hat aber in ihrer Revision keine Mängelrüge dagegen erhoben, daß das Berufungsgericht die von den Beklagten geforderte ergänzende Feststellung über den am 27.10.1992 im Rechtsstreit 37 Cg 177/91 des Handelsgerichtes Wien geschlossenen Submissionsvergleich des dortigen Beklagten getroffen hat. Soweit die Beklagten daraus in ihrer Revision weiterhin den Wegfall der Wiederholungsgefahr ableiten, genügt der Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, haben die Rechtsmittelwerber doch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz und auch im Rechtsmittelverfahren unverändert den Standpunkt vertreten, daß die Erstbeklagte zu der beanstandeten Handlung berechtigt gewesen sei (SZ 63/75 mwN; 4 Ob 80/94).

Unverständlich und nicht nachvollziehbar ist schließlich die Auffassung der Beklagten, wonach allein schon durch die festgestellte Art der Beendigung des zu 37 Cg 177/91 des Handelsgerichtes Wien geführten Rechtsstreites das berechtigte Interesse der Klägerin an der im vorliegenden Verfahren beantragten Urteilsveröffentlichung gemäß § 85 UrhG beseitigt worden sein soll.

Diese Erwägungen führen bereits zur Stattgebung der Revision der Klägerin, im übrigen aber zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Dem zu weit gefaßten Unterlassungsbegehren war dabei im Sinne der obigen Ausführungen mit einer einschränkenden und - gegenüber SZ 65/50 = ÖBl 1992, 87 - Lästige Witwe - verdeutlichten Fassung des Unterlassungsgebotes Rechnung zu tragen.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle in Verbindung mit § 50 Abs 1 ZPO.

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