OGH 10ObS134/94

OGH10ObS134/9431.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ignaz Gattringer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann I*****, Trafikant, ***** vertreten durch Dr.Zamponi-Weixelbaum und Partner Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 37.183,61 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Jänner 1994, GZ 13 Rs 87/93-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 1.April 1993, GZ 14 Cgs 9/93p-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger an Revisionskosten S 1.811,52 (darin enthalten S 301,92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht seit 20.12.1972 von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG. Seit 1.7.1974 übt er die (selbständige) Tätigkeit eines Trafikanten aus. Mit Bescheid vom 8.8.1984 sprach die Beklagte aus, wie hoch ab 1.1.1976 die dem Kläger gewährte Berufsunfähigkeitspension jeweils sei, daß bestimmte Beträge hievon gemäß § 94 ASVG ruhend gestellt werden und daß ein Überbezug von S 258.630,80 entstanden sei, der gemäß § 107 Abs 1 ASVG zum Rückersatz vorgeschrieben werde. Mit weiterem Bescheid vom 1.3.1985 wurde das Ruhen der Leistungen gemäß § 94 ASVG für das Jahr 1983 aufgehoben, wodurch sich der Überbezug letztlich auf S 201.957,60 reduzierte. Gegen den Bescheid vom 8.8.1984 erhob der Kläger rechtzeitig Klage an das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz mit dem Begehren auf Feststellung, daß der von der Beklagten erhobene Rückersatzanspruch nicht zu Recht bestehe. Dieser Rechtsstreit wurde schließlich mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 12.2.1991, 10 Ob S 11/91, dahin beendet, daß in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen festgestellt wurde, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, der Beklagten den für den Zeitraum 1.1.1976 bis 31.12.1982 und 1.1. bis 31.8.1984 geltend gemachten Überbezug an Berufsunfähigkeitspension von insgesamt S 201.957,60 rückzuersetzen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15.12.1990, G 33, 34/89-30 bis G 284/90-5 (Kundmachung BGBl 1991/15) § 94 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen hatte, daß § 94 ASVG in den vorher geltenden Fassungen (der 31. bis zur 40.Novelle) verfassungswidrig war. Damit war die gesetzliche Grundlage für die wegen Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgesprochene Ruhendstellung von Teilen der dem Kläger unbestritten gebührenden Berufsunfähigkeitspension weggefallen. Daraus folgte, daß es sich bei den von der Beklagten ruhend gestellten Pensionsteilen nicht um "zu Unrecht erbrachte Geldleistungen" im Sinne des § 107 Abs 1 ASVG handelte, so daß nicht weiter geprüft werden mußte, ob der Kläger Meldevorschriften verletzt oder sonst einen Rückforderungstatbestand verwirklicht hatte.

Auf das Begehren des Klägers, ihm die einbehaltenen Pensionsraten samt gesetzlichen Verzugszinsen zu überweisen, reagierte die Beklagte mit folgendem Schreiben vom 25.April 1991: "Aufgrund des Urteiles des Obersten Gerichtshofs vom 12.2.1991, GZ 10 Ob S 11/91, sind Sie nicht verpflichtet, den mit Bescheid vom 8.8.1984 festgestellten Überbezug rückzuerstatten. Die zuviel einbehaltenen Raten im Gesamtbetrag von S 201.957,60 werden an Herrn Rechtsanwalt Dr.Harry Zamponi angewiesen.

Dieser Betrag ergibt sich wie folgt: Einbehaltene Raten von 9.1984 bis 1.1990 a S 3.500 ergibt S 227.500, Restrate 2.1990 S 2.793,40 abzüglich der am 20.3.1985 angewiesenen Nachzahlung von S 28.337,40. Ihre Zinsenforderung können wir nicht erfüllen, da das Gesetz keinen Anspruch auf Verzugszinsen vorsieht (SV-Slg 24.061, SSV 25/109, SSV 26/63)."

In der Folge erließ die Beklagte noch den Bescheid vom 12.6.1991, der über die Pension des Klägers ab 1.1.1984 abspricht. Darin wird eine für die Zeit vom 1.1.1984 bis 30.6.1991 entstandene Nachzahlung von S 97.647,70 (ohne einen Ausspruch über allfällige Zinsen) angewiesen.

Gegen das vom Kläger als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten vom 25.4.1991 richtet sich die vorliegende rechtzeitige Klage mit dem Begehren, die Beklagte sei schuldig, kapitalisierte Verzugszinsen von S 37.183,61 samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu bezahlen. Die Beklagte habe die einbehaltenen Raten zurückgezahlt, jedoch jegliche Zinsenzahlung versagt, obwohl dem Kläger nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs bei objektivem Verzug gemäß § 1333 ABGB Zinsen in der Höhe von 4 % zustehen würden.

Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage und wendete die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Bei dem Klagebegehren handle es sich um keine Sozialrechtssache, weil ein Anspruch auf Verzugszinsen in § 65 Abs 1 ASGG nicht angeführt sei.

Das angerufene Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht erklärte sich zunächst für unzuständig und wies die Klage zurück. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Mit Beschluß vom 15.12.1992, 10 Ob S 287/92 (= SSV-NF 6/148) gab der Oberste Gerichtshof dem Revisionsrekurs des Klägers Folge, er verwarf die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Zusammengefaßt sprach der erkennende Senat aus, daß zur Entscheidung über eine Klage gegen einen die Zahlung von Verzugszinsen ablehnenden Bescheid, womit kapitalisierte Verzugszinsen unter anderem mit der Begründung begehrt werden, der Kläger habe wegen verspäteter Pensionszahlung mit Rücksicht auf die Geldentwertung die geschuldete Leistung noch gar nicht vollständig erhalten, die Arbeits- und Sozialgerichte zuständig sind. Die Frage, ob ein solches Zinsenbegehren materiell berechtigt ist und die weitere Frage, ob Verzugszinsen überhaupt einen Ausgleich der Geldentwertung bezwecken sollen, wurden in diesem Beschluß ausdrücklich offengelassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In den Sozialversicherungsgesetzen sei ein Anspruch des Versicherten auf Zahlung von Verzugszinsen nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung der grundsätzlich nur für Rechtsverhältnisse des Privatrechtes geltenden Bestimmungen der §§ 1333 und 1334 ABGB im Bereich des Leistungsrechtes der Sozialversicherung komme mangels einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht in Betracht. Das Problem verspäteter Leistungen durch den Sozialversicherungsträger sei dem Gesetzgeber bewußt gewesen, wie aus verschiedenen Regelungen der Sozialversicherungsgesetze (§ 368 Abs 2 ASVG, § 194 Abs 1 GSVG, § 182 BSVG, §§ 71 Abs 2 und 89 Abs 2 ASGG) eindeutig hervorgehe. Eine Regelung über Verzugszinsen sei jedoch nur für den Fall des Verzuges des Beitragsschuldners getroffen worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SSV-NF 4/131 = DRdA 1991, 463 verneinte auch das Berufungsgericht das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes und damit die Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung durch Analogie. Auch in einer weiteren Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof ein auf 13,5 % Zinsen gerichtetes Mehrbegehren unter Hinweis darauf abgewiesen, daß ein solches Zinsenbegehren im ASVG nicht begründet sei (SSV-NF 4/162). Nicht unbedingt zwingend erscheine auch das Argument, eine Verneinung der Analogie würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, weil den Versicherungsträgern Verzugszinsen gewährt würden (§ 59 ASVG), nicht aber den Versicherungsnehmern. Bei der zuletzt genannten Bestimmung handle es sich um eine solche des V.Abschnittes des ersten Teiles des ASVG ("Mittel der Sozialversicherung"), somit aus dem Bereich des Versicherungsverhältnisses, welches alle mit der Beitragspflicht zusammenhängenden Rechte und Pflichten umfasse. Die Forderung nach einer Gleichbehandlung in diesem engeren, sachlich eher zusammengehörenden Bereich von Bestimmungen sei eher gerechtfertigt, als die Ableitung aus Rechten des Sozialversicherungsträgers im Bereich des Versicherungsverhältnisses gegenüber seinen Pflichten im Leistungsverhältnis. Der vorliegende Fall stelle hinsichtlich des Vorenthaltens tatsächlich gebührender Versicherungsleistungen sicherlich einen Sonderfall dar. Für die Mehrzahl der Ansprüche auf Versicherungsleistungen würden sich - die Durchführung des vom Gesetz vorgesehenen Verfahrens sei dem Sozialversicherungsträger ja vorgeschrieben - bei Annahme eines Anspruches auf Verzugszinsen die weitere Frage stellen, ab welchem Zeitpunkt überhaupt objektiver Verzug anzunehmen sei, sollten die Voraussetzungen für eine Bescheiderteilung schon vor Ablauf der Fristen des § 368 Abs 1 ASVG gegeben sein. Die Annahme des Verzuges mit Stichtag käme jedenfalls nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht sprach noch aus, daß die Revision mit Rücksicht auf bereits zwei Entscheidungen des Höchstgerichtes zur Zinsenfrage nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nicht gefolgt werden kann zunächst der Ansicht des Klägers, seine Revision sei schon nach § 46 Abs 3 ASGG zulässig und der Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes hätte unterbleiben müssen. Das hier gegenständliche Klagebegehren auf Zahlung kapitalisierter Verzugszinsen betrifft nämlich keine wiederkehrenden Leistungen in Sozialrechtssachen. Werden die in § 54 Abs 2 JN genannten Nebenansprüche selbständig geltend gemacht, dann sind sie der Wertberechnung zugrunde zu legen. Daher richtet sich in solchen Fällen der Streitwert nach der Höhe der selbständig eingeklagten Zinsen (Fasching, Komm.I 341 Anm 4; ZPR2 Rz 260). Die Revision ist aber nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts abhängt, der erhebliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung SSV-NF 4/131 betraf nicht eine vorenthaltene, bereits rechtskräftig zuerkannte Leistung; die Entscheidung SSV-NF 4/162 betraf wohl eine Pensionsnachzahlung, bezog sich aber in ihrer Begründung nur auf die frühere Entscheidung. Auch zu den geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken wurde in diesen Entscheidungen nicht Stellung genommen.

In der Sache ist davon auszugehen, daß die Sozialversicherungsgesetze für den Anspruch auf Leistungen die Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen nicht vorsehen (SSV-NF 4/131 = DRdA 1991, 463 mwN). Hingegen bestimmt § 1333 ABGB, daß der Schaden, welchen der Schuldner seinem Gläubiger durch Verzögerung der bedungenen Zahlung des schuldigen Kapitals zugefügt hat, durch die von dem Gesetz bestimmten Zinsen vergütet wird. Diese Bestimmung gilt unmittelbar nur für Rechtsverhältnisse des Privatrechts (vgl § 1 ABGB) und könnte daher im Bereich des öffentlichen Rechts nur im Wege der Analogie angewendet werden. Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Bestimmung ist aber eine Rechtslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Eine Lücke im Rechtssinn ist dann gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müßte. Eine Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (Koziol-Welser, Grundriß9 I 24 f mwN bei FN 55 und 56).

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis Slg 28/1919 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, die §§ 1333 und 1334 ABGB über Verzugszinsen seien auch bei Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses anzuwenden, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, und daß unter diesen Voraussetzungen im Fall jedes, auch des objektiven Verzuges des Schuldners von diesem dem Gläubiger Verzugszinsen zu leisten seien (so etwa VfSlg 129/1922, 3909/1961, 5079/1965, 7571/1975, 8542/1979, 9498/1982, 10.498/1985 und 10.795/1986). Der Verfassungsgerichtshof hat sich allerdings mit der Frage der planwidrigen Unvollständigkeit (namentlich des hier anzuwendenden ASVG) nicht näher auseinandergesetzt, sondern gemeint, daß die "direkte oder analoge" Anwendung zivilrechtlicher Normen auf öffentliche Rechtsverhältnisse nicht absolut ausgeschlossen sei (so VfSlg 3909/1961) und daß etwa § 1334 ABGB in öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen "sinngemäß" anzuwenden sei (VfSlg 10.498/1985 uva). Der Oberste Gerichtshof hat hingegen eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes deshalb verneint, weil der Gesetzgeber im Sozialrecht mehrfach Leistungen vorgesehen habe, die dem Anspruchswerber für die Dauer eines Verfahrens zu gewähren seien, daß dazu Verzugszinsen aber nicht gehörten, obwohl in anderem Zusammenhang die Pflicht zur Zahlung solcher Zinsen festgelegt werde. Das Unterbleiben einer Regelung über die Zahlung von Verzugszinsen für Versicherungsleistungen (§ 65 Abs 1 Z 1 ASGG) entspreche dem Willen des Gesetzgebers, weshalb die Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 1333 ABGB nicht gegeben seien und für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen Verzugszinsen nicht gebührten (SSV-NF 4/131 = DRdA 1991, 463).

Ein weiteres Argument für die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich aus der Bestimmung des § 213 a Abs 2, 2.Satz ASVG idF der 49.Novelle, BGBl 1990/294, wonach dann, wenn die Integritätsabgeltung nicht im Kalenderjahr des Eintrittes des Versicherungsfalles zuerkannt wird, die maßgebliche Bemessungsgrundlage mit einem sich aus § 213 a Abs 3 ASVG idF des SRÄG 1990, BGBl 1990/741, ergebenden Faktor aufzuwerten ist. Damit will der Gesetzgeber offenkundig den durch die Inflation bewirkten Wertverlust dieser Sozialversicherungsleistung bei späterer Auszahlung wettmachen (Dörner, Die Integritätsabgeltung nach dem ASVG [1994], 134), und zwar anders als durch eine Verzinsung des Anspruches.

In der Lehre wird unterschieden, ob Verzögerungen in der Leistungsfeststellung oder nur in der Flüssigmachung der Leistung aufgetreten sind (Schrammel in Tomandl, SV-System 5.ErgLfg 176 f):

Habe der Sozialversicherungsträger rechtzeitig einen Bescheid über eine Geldleistung erlassen und komme es nur zu Verzögerungen in der Flüssigmachung der Leistung, so ergebe sich ein Verzugszinsenanspruch von selbst. Die Auszahlungstermine seien im Gesetz genau festgelegt. Ein Bescheid über die Verzugszinsenforderung sei in diesem Fall nicht mehr zu erlassen; damit komme eine Klage vor den Sozialgerichten nicht in Frage, da das Bescheidrecht wesentliche Klagsvoraussetzung sei. Komme es hingegen zu Verzögerungen in der Leistungsfeststellung (Überprüfung des Anspruches, Bemessung der Leistung), bedürfe die Frage des Verzuges einer bescheidmäßigen Erledigung, da der Eintritt der Fälligkeit nicht von vornherein feststehe. Wenngleich die Sozialversicherungsgesetze über Verzugszinsen keine Regelung enthielten, seien im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs auch im sozialversicherungsrechtlichen Schuldverhältnis Verzugszinsen zu leisten.

Auch diese Ausführungen nehmen zur Frage des Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht Stellung und sind daher nicht geeignet, den erkennenden Senat zu einem Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung zu veranlassen, selbst wenn man davon ausgeht, daß es im vorliegenden Fall nicht zu einer Verzögerung in der Flüssigmachung der Leistung, sondern zu Verzögerungen in der "Leistungsfeststellung" (Feststellung des Ruhens eines Leistungsanspruches im Sinne des § 367 Abs 2 ASVG) gekommen sei. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, daß sich die Beklagte zunächst auf die Ruhensbestimmung des § 94 ASVG stützen konnte und an diese Bestimmung auch bis zu deren Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof gebunden war. Dieser Fall ist daher durchaus dem der Entscheidung SSV-NF 4/162 zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar, in dem der dortige Kläger unter dem Titel der Aufrechnung einbehaltene Pensionszahlungen nachgezahlt erhielt, nachdem der Oberste Gerichtshof die Aufrechnung von Geldleistungen des Versicherungsträgers mit Beitragsschulden gegenüber dem Bürgen für nicht zulässig erkannt hatte; auch in diesem Fall wurde das im ASVG nicht begründete Begehren auf Verzugszinsen abgewiesen. Übrigens wurden vom arbeitsrechtlichen Senat des Obersten Gerichtshofs die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1333 ABGB auch im Bereich des IESG verneint, weil auch diesem Gesetz eine planwidrige Unvollständigkeit hinsichtlich der Ansprüche auf Verzugszinsen nicht entnommen werden konnte (9 Ob S 18/92 = WBl 1993, 123 = RdW 1993, 250 = ARD 4451/19/93).

Der erkennende Senat hat auch bereits auf die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen: Dort wurde erst mit der Einführung des § 44 SGB I eine alte sozialpolitische Forderung erfüllt, die davon ausging, daß Ansprüche auf Sozialleistungen Rechtsansprüche seien und daher - ebenso wie im bürgerlichen Recht - die Nachteile verspäteter Zahlung ausgeglichen werden müßten (SSV-NF 6/148 unter Hinweis auf Hauck-Haines, Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil K § 44 SGB I Rz 1). Das frühere Recht hatte eine Regelung der Verzinsung von Sozialleistungen nicht enthalten. In der Rechtsprechung war umstritten, ob die Vorschriften des BGB über Verzugs- und Prozeßzinsen im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar seien; das Bundessozialgericht hatte dies abgelehnt (Hauck-Haines aaO Rz 2).

Da der erkennende Senat auch nicht die Meinung des Revisionswerbers teilt, eine Verneinung der Analogie würde zumindest dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, führt auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis. Daß der Gesetzgeber etwa in § 59 ASVG die Entrichtung von Verzugszinsen für rückständige Beitragszahlungen vorsieht, nicht aber bei Säumigkeit mit der Erbringung von Sozialversicherungsleistungen, ist nicht willkürlich, sondern offenbar darin begründet, daß die Aufbringung der Mittel der Sozialversicherung (Abschnitt V des ersten Teiles des ASVG) mit der Erbringung von Versicherungsleistungen in keinem Sachzusammenhang steht, wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat. Es besteht aber auch keine Möglichkeit, irgendeine hier anzuwendende Bestimmung des Sozialrechtes, die für den vorliegenden Rechtsstreit präjudiziell wäre, in einem Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Die Anregung des Revisionswerbers, der Oberste Gerichtshof möge einen Antrag beim Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung "sämtlicher Bestimmungen des ASVG, die einer analogen Anwendung des § 1333 ABGB entgegenstehen", stellen, ist deshalb nicht zielführend, weil der Gesetzgeber nach Auffassung des Senates den Anspruch auf Verzugszinsen für Versicherungsleistungen bewußt nicht einräumen wollte, deshalb eine diesbezügliche Norm nicht vorsah und andere Bestimmungen des ASVG nicht präjudiziell sind. Einem sozialpolitischen Bedürfnis auf Verzinsung von Versicherungsleistungen nach dem ASVG könnte daher nur der Gesetzgeber entsprechen, wie dies etwa in der Bundesrepublik Deutschland geschehen ist.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger die Hälfte seiner Revisionskosten zuzusprechen (SSV-NF 6/61 ua).

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