OGH 11Os44/94

OGH11Os44/9419.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann E***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall, 131 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Dezember 1993, GZ 7 b Vr 9008/93-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die gewerbsmäßige Tatbegehung des dem Angeklagten laut Punkt I des Urteilssatzes zur Last liegenden Diebstahls und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung nach § 130 erster Fall StGB, ferner gemäß § 290 Abs 1 StPO in der gesonderten Beurteilung des Diebstahls laut Punkt II. des Urteilssatzes als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB sowie demzufolge auch im Strafauspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen - auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Johann E***** des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall, 131 (erster Fall) StGB (I./), sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (II./), der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB (III./) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./) schuldig erkannt. Darnach hat er am 12.Mai 1993 in Wien (I./) gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Sweat-Shirt im Wert von 498 S, eine Jogging-Hose im Wert von 349 S und eine Sonnenbrille im Wert von 379 S Verfügungsberechtigten des Kaufhauses I***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegzunehmen versucht, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er Christian R***** und Holger D***** Faustschläge versetzte, Gewalt gegen Personen anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, (II./) vor der zu zu I./ bezeichneten Tat eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Hemd der Marke "La Griffe in einem Wert von unter S 25.000" unbekannten Verfügungsberechtigten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, (III./) Christian R***** vorsäzlich am Körper zu verletzen versucht, indem er einen Glasaschenbecher gegen dessen Kopf warf, der sein Ziel nur knapp verfehlte, (IV./) durch die zu III./ bezeichnete Tathandlung den dort angeführten Aschenbecher, somit eine fremde (bewegliche) Sache, vorsätzlich beschädigt (gemeint: zerstört).

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer nominell auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Die gegen den Schuldspruch nach § 83 Abs. 1 StGB (III./) gerichtete, in Verbindung mit dem Schuldspruch wegen Diebstahls zu I./ des Urteilsspruches eine Tatbeurteilung nach § 131 StGB anstrebende Rechtsrüge (Z 9 lit a, sachlich Z 10) übergeht die dazu festgestellte gesonderte Tatbegehung und die darauf bezogene Differenzierung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen (US 7). Die Rüge läßt solcherart eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes vermissen.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuverweisen.

Berechtigt hingegen ist die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 130 erster Fall StGB (Urteilsfaktum I./) gerichtete Mängelrüge (Z 5), zumal die vom Erstgericht insoweit gezogenen Schlußfolgerungen eines logischen und empirischen Zusammenhanges mit den Sachverhaltsprämissen entbehren und damit unzureichend begründet sind.

Der Angeklagte hat beide ihm zur Last liegenden diebischen Angriffe am selben Tag, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang (US 5) begangen. Im Hinblick darauf, daß das Erstgericht bei identen objektiven Gegebenheiten und bei ersichtlich durchwegs auf die Finanzierung von Suchtgifterwerb ausgerichteter Tatintention des Angeklagten, der bereits mehrere Verurteilungen wegen - in zwei Fällen gewerbsmäßig begangenen - Diebstahls aufweist, zu einer differenten Auslotung der subjektiven Voraussetzungen gewerbsmäßiger Tatbegehung gelangte, indem es (nur) im - dem Urteilsfaktum I./ vorgelagerten - Faktum II./ Gewerbsmäßigkeit nicht annahm, hätte es in Anbetracht der Ambivalenz dieser Würdigung und des dadurch bedingten wechselseitigen Abstimmungsbedarfes einer tragfähigen Begründung für die Annahme eines Handelns des Beschwerdeführers mit gewerbsmäßiger Absicht bedurft. Wegen dieses Begründungsmangels ist im aufgezeigten Umfang eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das angefochtene Urteil außerdem zum Nachteil des Angeklagten mit dem materiellrechtlichen und daher von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet ist: Das Schöffengericht erkannte nämlich - der insoweit rechtsfehlerhaften Anklageschrift ON 4 folgend - den Angeklagten neben dem Verbrechen des versuchten räuberischen und gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall, 131 StGB (I./) auch des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II./) schuldig. Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB bilden aber alle in einem Verfahren dem selben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung eine Subsumtionseinheit, sodaß die getrennte Annahme eines Vergehens des Diebstahls neben einem Verbrechen des Diebstahls unzulässig ist (Foregger-Kodek StGB5 Anm I; Leukauf-Steininger Komm3 RN 6 je zu § 29). Die rechtsirrige Beurteilung des gesetzlich zusammengefaßten Tatgeschehens als zwei gesondert strafbare Handlungen begründet somit Nichtigkeit, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und mangels einer darauf abzielenden Rüge gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war (11 Os 114/90, 14 Os 44/91 ua; Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 10 ENr 22).

Da sich sohin schon bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, darüber hinaus der Angeklagte nicht zwei Diebstähle verantwortet, sondern ohne Rücksicht auf die verschiedene Begehungsform nur ein Delikt, war mit spruchgemäß partieller Urteilsaufhebung und Anordnung einer entsprechenden Verfahrenserneuerung vorzugehen (§ 285 e StPO).

Mit seiner hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte