European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0070OB00537.940.0323.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Jürgen K***** wurde am 17.1.1994 im Zustand akuter Alkoholintoxikation vor der Aufnahmekanzlei der ***** Landesnervenklinik M*****, in der er von mehreren Voraufenthalten bekannt ist, aufgefunden. Er berichtete von großer Angst und äußerte Selbstmordabsichten.
Bei der Erstanhörung am 18.1.1994 verwies die beigezogene Oberärztin auf die vorangegangenen Verhandlungen anläßlich früherer Unterbringungsverfahren. Jürgen K***** leide an einer frühen Persönlichkeitsstörung mit dem Symptomen Angst, Verzweiflung und Suchtverhalten. Die bisherigen Versuche des Betroffenen, die Erkrankung in den Griff zu bekommen, seien fehlgeschlagen. Es sei zwar nicht ein Abgleiten ins Delirium zu befürchten. Es bestehe aber die Gefahr, daß der Betroffene auf die Dauer einen schweren gesundheitlichen Schaden nehmen werde, wenn er nicht raschest behandelt werde. Als Alternative zur Unterbringung wäre eine Langzeitbehandlung im Krankenhaus Y***** empfehlenswert. Dort habe Jürgen K***** für den nächsten Tag einen Gesprächstermin in Aussicht. Es solle ihm durch die weitere Unterbringung ermöglicht werden, diesen Termin in nüchternem Zustand wahrzunehmen.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Unterbringung des Jürgen K***** nicht weiter zulässig sei, weil nach dem derzeitigen Status kein konkretes Gefährdungselement vorliege.
Dem dagegen erhobenen Rekurs des Abteilungsleiters wurde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die bloße Behandlungsbedürftigkeit rechtfertige nicht die Unterbringung. Es könne daher auch jener Zustand, der durch das unbehandelte Fortbestehen der psychischen Grundkrankheit eintrete, für sich allein noch keine hinreichende Selbstgefährdung im Sinn des § 3 UbG darstellen. Darüber hinaus bestehe nach den Ausführungen der Oberärztin die Möglichkeit, den Betroffenen im Pflege‑ und Therapiezentrum ***** Y***** zu betreuen. Hinter dieser Betreuung habe die Unterbringung nach dem Subsidiaritätsgrundsatz zurückzustehen.
Jürgen K***** wurde inzwischen von der Anstaltspflege entlassen und befindet sich im Pflege‑ und Therapiezentrum ***** Y*****.
Rechtliche Beurteilung
Das als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführte Rechtsmittel des Abteilungsleiters ist nicht zulässig.
Wie der Oberste Gerichtshof in vergleichbaren Fällen mehrfach ausgesprochen hat, könnte mit Rücksicht auf die bereits verfügte Aufhebung der Unterbringung in Erledigung des Revisionsrekurses des Abteilungsleiters nur mehr ausgesprochen werden, daß eine (nicht mehr aktuelle) Unterbringung weiterhin zulässig gewesen wäre. Eine solche Feststellung erfordern die richtig verstandenen rechtlich geschützten Interessen des Kranken aber schon deshalb nicht, weil das Gericht im Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz in Wahrheit stets nur über die Zulässigkeit der weiteren (künftigen) Unterbringung zu befinden hat. Die Entscheidung, daß die weitere Unterbringung berechtigt gewesen wäre, wäre rein theoretischer Natur, weil eine solche Maßnahme gemäß õ 30 UbG nach der Aufhebung der Unterbringung nicht mehr möglich wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes mangelt es daher nach Aufhebung der Unterbringung an einer aufrechten Beschwer des Abteilungsleiters durch die die Unterbringung nicht für zulässig erklärende Rekursentscheidung (5 Ob 505/92, 2 Ob 566/92, 2 Ob 550/91, 6 Ob 568/92 sowie zuletzt etwa 1 Ob 518/93, 3 Ob 501/93, 8 Ob 537/93 ua).
Daher kann auch das im Revisionsrekurs vorgetragene Argument nicht zielführend sein, daß das Rekursinteresse darin bestehe, durch die Rechtsprechung die Frage zu klären, ob die ‑ dem Rechtsmittelwerber in solchen Fällen notwendig erscheinende ‑ Unterbringung bei sogenannten Borderliner‑Persönlichkeitsstörungen mit Selbstschädigung durch Suizidhandlungen, Autoaggressionshandlungen sowie Alkohol‑ und Drogenintoxikationen zulässig ist. Die Gerichte sind nicht berufen, Rechtsfragen unabhängig von einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers zu lösen (in diesem Sinn bereits 3 Ob 501/93).
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