OGH 15Os173/93

OGH15Os173/9320.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Jänner 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erwin E* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18.Oktober 1993, GZ 20 c Vr 7028/92‑47, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO ergangenen Widerrufsbeschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Angeklagten E* und des Verteidigers Dr.Herndlhofer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0150OS00173.9300000.0120.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erwin E* auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 16.Juli 1993 in Wien dadurch, daß er als letzter Kunde einer B*‑Filiale eine Spielzeugpistole dergestalt gegen die Kassierin Sabine M* richtete, so daß nur deren Lauf zu sehen war, und diese mit den Worten: "Das ist ein Überfall, jetzt gehen wir nach hinten!" sich in das in der Filiale befindliche Büro zu begeben aufforderte, dort der die Tagesabrechnung durchführenden Filialleiterin Maria T* unter vorgehaltenem Lauf der ansonsten abgedeckten Plastikpistole mit den Worten "Seid ruhig, dann passiert Euch nichts. Ich habe nichts zu verlieren, weil ich erst gestern aus dem Knast entlassen wurde!" befahl, alles Geld in einen Plastiksack zu geben, und T* schließlich aufforderte, das restliche Geld aus der Kassa im Verkaufsraum zu entnehmen und in die Plastiktragtasche zu geben, wobei er unmittelbar davor der mittlerweile in das Büro herbeibefohlenen dritten Angestellten Elisabeth A* ein Stanleymesser, das er die ganze Zeit über neben der Pistole in der zweiten Hand gehalten hatte, an den Hals setzte, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, Verfügungsberechtigten der B* Warenhandel AG fremde bewegliche Sachen, nämlich 101.070 S Bargeld, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung eines Stanleymessers, sohin einer Waffe, verübte.

Er bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 8, 10 a und 12 (der Sache nach bloß Z 8 und 12) des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich nur gegen die Annahme der Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB richtet.

Mit seiner Instruktionsrüge (Z 8) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die den Geschworenen zum Waffenbegriff des § 143 StGB erteilte Rechtsbelehrung, wobei er deren Schlußsatz als mit der herrschenden Rechtsprechung nicht im Einklang stehend rügt. Er verkennt, daß eine unrichtige und demnach zur Irreführung der Geschworenen geeignete Rechtsbelehrung im Sinne des eingewendeten Nichtigkeitsgrundes nur dann vorliegt, wenn ihr maßgebender Inhalt gesetzlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des Strafrechtes oder des Strafverfahrensrechtes widerspricht, wobei für diese Beurteilung die Ausführungen in ihrer Gesamtheit und nicht einzelne aus dem Zusammenhang gelöste Teile heranzuziehen sind (13 Os 102/91, 15 Os 45,46/92; siehe weiters Mayerhofer‑Rieder, StPO3, § 345 Z 8 ENr. 49 und 50). Indem der Beschwerdeführer einen Satz aus der Rechtsbelehrung herausgreift, setzt er sich darüber hinweg, daß diese insgesamt den von der Rechtsprechung geprägten erweiterten Waffenbegriff des § 143 StGB rechtsrichtig und hinlänglich darlegt. Im übrigen stellt sich der gerügte Satz ‑ auch isoliert betrachtet ‑ nicht als unrichtig dar, zumal er den zu SSt. 53/22 ergangenen Ausspruch des Obersten Gerichtshofes zum Waffenbegriff der genannten Gesetzesstelle ‑ wenn auch verkürzt ‑ wiedergibt.

Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung der Belehrung der Geschworenen dahin rügt, daß die "anderen Mittel" im Sinne der §§ 109 Abs. 3 Z 2, 129 Z 4 StGB (wie etwa Injektionsspritzen) nicht unter den Waffenbegriff des § 143 StGB fallen, übersieht er, daß die Instruktion bloß eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der in Rede stehenden strafbaren Handlung sowie eine Auslegung der in den Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu enthalten hat (§ 321 Abs. 2 StPO), nicht aber die in ihrer denkbaren Vielfalt einer erschöpfenden Erfassung gar nicht zugänglichen sonstigen Umstände aufzeigen muß, welche keine Anwendungsvoraussetzung der betreffenden gesetzlichen Regelung sind. Es ist somit nicht Aufgabe der Rechtsbelehrung, auf etwas hinzuweisen, was zur Herstellung eines Tatbestandes nicht ausreicht (Mayerhofer‑Rieder, StPO3, § 321 ENr. 6; 13 Os 87/87).

Unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 10 a und 12 (der Sache nach nur Z 12) des § 345 Abs. 1 StPO bringt der Beschwerdeführer vor, daß es sich bei dem von ihm gebrauchten Stanleymesser um keine Waffe im Sinne des § 143 StGB handle. Unter Waffen nach der genannten Gesetzesstelle sind aber nach ständiger Rechtsprechung nicht nur Waffen im technischen Sinn, sondern alle Gegenstände zu verstehen, die als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Raubdrohung ad hoc geeignetes Instrument gebraucht werden und bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf den ersteren gleichwertig sind (Leukauf‑Steininger, Komm.3, § 143 RN 10 mwN). In diesem Sinne vermag sogar der abgeschlagene Boden eines Trinkglases mit scharfzackigem Rand eine Waffe darzustellen (SSt. 53/22). Umso eher muß dies für ein Stanleymesser gelten, auch wenn dessen Klinge ‑ wie der Beschwerdeführer vorbringt ‑ mit Sollbruchstellen im Einzentimeterabstand versehen sein mag. Wird ein solches Messer ‑ gleich wie lang die Klinge herausgeschoben ist ‑ dem Raubopfer an den Hals gesetzt, so ist es als Mittel zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einer Waffe im Sinne des Waffengesetzes gleichzusetzen. Bei einer solche von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch festgestellten Anwendung des Messers besteht die Gefahr nicht nur in der Möglichkeit eines Stiches, mit dem die Halsschlagader verletzt werden könnte (vgl. wiederum SSt. 53/22), sondern auch ‑ infolge der rasierklingenscharfen Schneide eines solchen Messers ‑ in der Möglichkeit eines Schnittes durch die Kehle des Opfers (vgl. hiezu 14 Os 41/93 gleichfalls ein Stanleymesser betreffend). Das Erstgericht hat daher die dem Angeklagten angelastete Tat zu Recht der Strafbestimmung des § 143 zweiter Fall StGB unterstellt. Soweit der Beschwerdeführer Feststellungsmängel zur Beschaffenheit des bei der Tat verwendeten Stanleymessers geltend macht, ist er darauf zu verweisen, daß nach den Prozeßgesetzen im Verfahren vor dem Geschworenengericht keine über den Wahrspruch der Geschworenen hinausgehende Urteilsfeststellungen zur Schuldfrage vorgesehen sind.

Die ‑ wie schon von der Generalprokuratur aufgezeigt ‑ zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die (wegen einer auf einer gleichen schädlichen Neigung beruhende) Vorstrafe, als mildernd hingegen das Geständnis in Richtung des Grundtatbestandes und die Sicherstellung des geraubten Bargeldes.

Überdies widerrief das Erstgericht die bedingte Nachsicht der über den Angeklagten mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5.Februar 1992, AZ 7 b E Vr 8501/91 wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 StGB verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten.

Der Angeklagte bekämpft den Strafausspruch mit Berufung und begehrt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung; gegen den Widerrufsbeschluß hat er Beschwerde erhoben.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Geschworenengericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe nicht nur vollständig angeführt, was der Berufungswerber gar nicht in Zweifel zieht; entgegen seiner Ansicht wurden diese aber auch zutreffend gewürdigt. Unter Bedacht auf das Fehlen eines reumütigen, vollen Geständnisses und den Rückfall bloß ca. eineinhalb Jahre nach einschlägiger Vorabstrafung kann schon von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe, wie dies ua für die Anwendung des § 41 Abs. 1 StGB erforderlich wäre, keine Rede sein. Darüber hinaus kann dem Berufungswerber im Hinblick auf den schweren Rückfall eine günstige Prognose (eine weitere Voraussetzung für die Anwendung außerordentlicher Strafmilderung) nicht erstellt werden. Da über den Angeklagten die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde und die Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB nicht gegeben sind, konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein.

Aber auch die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß ist nicht im Recht. Denn die gravierende Straffälligkeit des Beschwerdeführers in offener Probezeit ‑ erneut wegen einer gegen das Rechtsgut fremdes Vermögen gerichteten strafbaren Handlung ‑ lassen den Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht geboten erscheinen, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB). Demnach ist auch die Beschwerde nicht berechtigt.

 

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