OGH 13Os87/87

OGH13Os87/879.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Juli 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bibulowicz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann B*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28.April 1987, GZ 20 b Vr 6882/86-88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Herle, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Wahrspruchskonform wurde Johann B*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (A), des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB (B) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG 1986 (C) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien

A. am 9.Juni 1986 David A*** durch Versetzen mehrerer Stiche mit einem Springmesser in den Hals und in die Brust vorsätzlich getötet;

B. fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern:

1. am 9.Juni 1986 einen Geldbetrag von 200 S aus dem Nachlaß des David A***;

2. im Juni 1986 einen Videorekorder und zwei Videokassetten Verfügungsberechtigten der Kaiserbründl-Sauna;

C. von Anfang April 1986 bis 9.Juni 1986 eine verbotene Waffe, nämlich ein Springmesser, unbefugt besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte ficht in seiner auf § 345 Abs 1 Z. 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Schuldspruch wegen Mordes an. Eine deren Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung über die Verbrechen des Mordes und des Totschlags erblickt er darin, daß die Erörterung des Begriffs der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung im § 76 StGB nicht schon zur Mordfrage vorgenommen wurde; ferner habe die Erläuterung zur Eventualfrage wegen Totschlags keinen Hinweis enthalten, daß bloß der Affekt des Täters und nicht die Tat allgemein verständlich sein müsse.

Zum ersten Einwand ist darauf zu verweisen, daß die Rechtsbelehrung gemäß § 321 Abs 2 StPO für jede Frage gesondert die gesetzlichen Merkmale der von der jeweiligen Fragestellung erfaßten strafbaren Handlung und die verwendeten gesetzlichen Ausdrücke klarlegen muß. Beim Mord ist aber eine "allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung" kein gesetzliches Merkmal (siehe § 75 StGB). Die zur Eventualfrage in Richtung Totschlag erteilte Rechtsbelehrung enthielt eindeutige Erklärungen zur allgemeinen Begreiflichkeit einer Gemütsbewegung (§ 76 StGB), ohne dabei irgend einen Anlaß zur mißverständlichen Auffassung zu geben, daß nicht nur die Gemütsverfassung des Täters, sondern auch die vorsätzliche Tötung eines Menschen allgemein begreiflich sein müsse. Dem Beschwerdevorbringen zuwider bestand daher keine Notwendigkeit, zwecks richtiger Begriffserläuterung eine diesbezügliche Klarstellung beizufügen. Im übrigen kann die im § 321 Abs 2 StPO gebotene Auslegung der vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes nur in einer vollständigen Erörterung des Inhalts und der Tragweite der jeweiligen Norm bestehen, nicht aber im Aufzeigen von in ihrer denkbaren Vielfalt einer sachdienlichen Erfassung unzugänglichen sonstigen Umständen, welche keine Anwendungsvoraussetzung der betreffenden gesetzlichen Regelung sind.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte Johann B*** nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Es wertete als erschwerend: die grausame Vorgangsweise beim Mord, die einschlägigen Vorstrafen, welche hinsichtlich der Vermögensdelikte nicht nur die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen, sondern darüber hinausgehen, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen, den zweifachen Angriff beim Diebstahl und den relativ raschen Rückfall in die Vermögensdelinquenz. Mildernd fielen demgegenüber ins Gewicht: das Geständnis vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter sowie das Tatsachengeständnis in der Hauptverhandlung, ferner die vernachlässigte Erziehung und die teilweise objektive Schadensgutmachung.

Der Angeklagte beruft gegen das Strafmaß.

Die vernachlässigte Erziehung hat als Milderungsgrund zu entfallen, weil sie mit der Tat in keinem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang steht, dieser vielmehr durch wiederholte zwischenzeitige Abstrafungen unterbrochen ist, die dem Übeltäter seine rechtsfeindliche Einstellung vor Augen geführt haben (LSK. 1983/38, 13 Os 3/81, 13 Os 65/87).

Ein abnormer Geisteszustand des Angeklagten zur Tatzeit lag nicht vor (S. 335 ff./II, ON. 35, ON. 72). Auch hat der Berufungswerber, wie er selbst zugegeben hat, bei der Verübung des Mordverbrechens viel "Geistesgegenwart" gezeigt (S. 327/II). Daß der Angeklagte, obzwar zurechnungsfähig, in einem Rauschzustand gehandelt hätte, läßt sich aus seiner Tatbeschreibung (S. 323 f./II) nicht ableiten, vielmehr hat er sich nach der Tat betrunken (S. 327/II). Eine sadistische Komponente wurde in den Erschwerungsgründen nicht aufgezählt, abschließend jedoch im Urteil illustrativ erwähnt und dies zu Recht: Hat sie doch der Sachverständige aus der Lebensgeschichte des Angeklagten, aus seinem Gesamtverhalten und aus Vorstrafakten abgeleitet (S. 336/II), sie deckt sich auch mit dem nunmehr begangenen, im kriminellen Vergleichsrahmen mit Fug als grausam bezeichneten Mord. Der Angeklagte hat aus Umständen, die in ihrer Bedeutungslosigkeit als Beweggründe für eine Aggressionshandlung völlig unverständlich erscheinen (S. 324 ff./II), das Leben eines Menschen ausgelöscht, der zu seinem späteren Mörder - wie dieser selbst einräumt - "immer nett" war. Zu Recht erschien für diese Täterpersönlichkeit die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe nicht ausreichend.

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