OGH 15Os165/93

OGH15Os165/9323.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian H* und Christian St* wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Christian St* sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagten und der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 10.August 1993, GZ 9 Vr 284/93‑38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Dr.Raunig und des für den Angeklagten St* einschreitenden Verteidigers Dr.Zens, jedoch in Abwesenheit eines Verteidigers für den Angeklagten H* sowie in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00165.9300000.1223.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen - unbeschadet des Ausspruches zu III. - unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten Christian St* von der Anklage wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB laut den Punkten B 1 und 4 des Urteilssatzes sowie demzufolge in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch einschließlich des damit verbundenen nachträglichen Strafausspruches gemäß § 15 Abs 1 JGG zum Verfahren AZ U 3/92 des Bezirksgerichtes Raab, jedoch unter Aufrechterhaltung des (beschlußmäßigen) Ausspruches, wonach gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO von einem Widerruf der bedingten Verurteilung (gemeint: Strafnachsicht) zum AZ 9 a E Vr 686/92 des Landesgerichtes Ried im Innkreis abgesehen, jedoch gemäß § 53 Abs 2 StGB die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wird, sowie unter Aufrechterhaltung des diesen Angeklagten betreffenden Ausspruches über die Vorhaftanrechnung, aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Christian St* ist schuldig, er hat am 10.Mai 1993 in Andorf dadurch, daß er dem Christian H* durch einen Vorwand Zugang in das Zimmer der am 5.Juli 1979 geborenen, sohin unmündigen Monika Sch* verschaffte, sie - gemeinsam mit Christian H* - zum Geschlechtsverkehr mit diesem überredete und ein Kondom herbeiholte, das von H* beim anschließenden Geschlechtsverkehr verwendet wurde, sowie mithalf, der Genannten den Slip auszuziehen, zur Ausführung des von Christian H* mit der unmündigen Monika Sch* unternommenen außerehelichen Beischlafes beigetragen.

Christian St* hat hiedurch das Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich (A II) das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, (A III 1) das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15269 Abs 1 StGB, (A III 2) das Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten Sachbeschädigung nach §§ 125, 15 StGB, (A IV 1) das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und (A IV 2) das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15105 Abs 1 StGB nach §§ 28 Abs 1206 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt.

II. Die Staatsanwaltschaft wird mit der den Angeklagten St* betreffenden Berufung ebenso wie dieser Angeklagte mit seiner Berufung auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

III. Der Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Christian H* wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung des Angeklagten Christian H* teilweise Folge gegeben und gemäß § 43 a Abs 3 StGB ein Teil der Strafe, nämlich im Ausmaß von 5 (fünf) Monaten, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen; im übrigen wird auch dieser Berufung nicht Folge gegeben.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

A. Mit dem bekämpften Urteil wurden - insoweit unangefochten - Christian H* (A I 1) des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1, 15 StGB und (A I 2) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie Christian St* (A II) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, (A III 1) des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15269 Abs 1 StGB, (A III 2) des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Sachbeschädigung nach §§ 125, 15 StGB, (A IV 1) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und (A IV 2) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben

(zu A I) Christian H* am 6.März 1993 in Taiskirchen

1. die Claudia W* durch gefährliche Drohung, indem er ein Messer an ihrem Rücken ansetzte, "bzw" durch Gewaltanwendung, indem er sich auf ihren Bauch setzte und ihr den Mund zuhielt, zur Duldung geschlechtlicher Handlungen, nämlich Betasten an der Brust und an der Scheide genötigt, wobei es durch die Gegenwehr der Claudia W* teilweise beim Versuch blieb;

2. das Garagenfenster im Haus der Maria Anna W* durch Einschlagen beschädigt, wodurch ein Schaden von 1.628,60 S entstand;

(zu II) Christian St* am 10.Mai 1993 in Andorf dadurch, daß er mit dem Finger in die Scheide der am 5.Juli 1979 geborenen unmündigen Monika Sch* fuhr, die Genannte auf eine andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

(zu III) Christian St* am 18.März 1993 in Andorf

1. dadurch, daß er um sich schlug und Revierinspektor F* gegen einen Kasten drückte, versucht, Beamte des Gendarmeriepostens Andorf mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der Festnahme und der Sachverhaltsermittlung, zu hindern;

2. fremde Sachen des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, nämlich ein Journaldienstpult dadurch, daß er dagegenschlug, beschädigt und einen Monitor des Computers des Gendarmeriepostens Andorf durch Stoßen mit den Füßen zu beschädigen versucht;

(zu IV) Christian St* am 18.Juni 1993 in Wels

1. nachangeführte Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

a) Hildegard L* und Walter Ha* durch Androhen von Schlägen,

b) Rudolf N* durch Androhen des Hinaufwerfens eines Aschenbechers;

2. Hildegard L*, Walter Ha* und Rudolf N* durch die Äußerung, wenn sie wegen der zu IV 1 angeführten Drohungen die Polizei verständigen, werde er sie erschlagen, sohin durch gefährliche Drohung zumindest mit einer körperlichen Verletzung zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht.

B. Darüber hinaus enthält das Urteil auch Freisprüche. Dem Freispruch laut B I des Urteilssatzes sowie dem Schuldspruch des Angeklagten St* laut A II liegt der Anklagevorwurf des in Tateinheit mit dem Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB verübten Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (wonach die beiden Angeklagten am 10.Mai 1993 in Andorf die unmündige Monika Sch* mit Gewalt niedergedrückt hätten und St* einen Finger in deren Scheide eingeführt habe) und der Anklagevorwurf der anschließend in Tateinheit verübten Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und des (von St* insoweit als Beitragstäter gemäß § 12 dritter Fall StGB begangenen) Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (durch Festhalten und Auseinanderdrücken der Beine der Monika Sch* durch beide Angeklagte, wobei H* den Beischlaf vollzog) zugrunde.

Hiezu stellte das Schöffengericht - mängelfrei - folgenden Sachverhalt fest (US 9 ff):

Die Angeklagten H* und St* begaben sich am 10.Mai 1993 gegen 3.30 Uhr morgens nach dem Besuch einer Diskothek zum Wohnhaus der von ihnen als "leichtes Mädchen" eingestuften, am 5.Juli 1979 geborenen, sohin unmündigen Monika Sch*. Dort verschaffte sich zunächst der ortskundige - und anders als H* - auch über das tatsächliche Alter des Mädchens informierte St* unter einem Vorwand durch das Fenster Zutritt in das ebenerdig gelegene Zimmer des Mädchens. Dann ermöglichte er seinem Begleiter H* durch Ablenken des Mädchens, gleichfalls durch das Fenster in das Zimmer einzusteigen, wo letzterer sich vorerst in einem Kasten versteckte. Im Anschluß daran tauschte der Angeklagte St* mit Monika Sch* Zärtlichkeiten aus und führte einen Finger in deren Scheide ein (Schuldspruchfaktum A II). Danach gelang es den beiden Angeklagten - H* hatte inzwischen sein Versteck verlassen ‑, Monika Sch* zum Geschlechtsverkehr mit H* zu überreden. Da sie ihre Zustimmung aber von der Verwendung eines Kondoms abhängig machte, holte St* über ihre Aufforderung ein solches herbei und übergab es H*. Hierauf half St* noch mit, dem Mädchen den Slip auszuziehen. Anschließend kam es - unter Verwendung des Kondoms - zum Geschlechtsverkehr zwischen Monika Sch* und H*, der das Alter der Genannten nicht kannte und sie nach ihrer äußeren Erscheinung für 15 oder 16 Jahre alt hielt. Eine Gewaltanwendung irgendwelcher Art fand bei diesen Vorgängen - entgegen der insoweit nicht für glaubwürdig gehaltenen Aussage der Zeugin Sch* - nicht statt.

Ausgehend von diesen Feststellungen fällte das Schöffengericht (zu B.I des Urteilssatzes) folgenden (hier wörtlich wiedergegebenen) Freispruch:

"B. Hingegen werden die Angeklagten Christian H* und Christian St* von der weiteren Anklage, es haben

I. am 10.5.1993 in Andorf

1. Christian H* und Christian St* im bewußten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) Monika Sch* durch Gewalt, indem sie sie festhielten und ihr die Beine auseinanderdrückten, zur Duldung des Beischlafes mit Christian H* genötigt;

2. Christian H* und Christian St* Monika Sch* mit Gewalt, indem sich Christian H* auf sie legte, woraufhin Christian St* mit dem Finger in ihre Scheide fuhr, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt;

3. Christian H* durch die zu I.1. beschriebene Tat mit der am 5.7.1979 geborenen unmündigen Monika Sch* den außerehelichen Beischlaf unternommen;

4. Christian St* durch die zu I.1. beschriebene Handlung dazu beigetragen, daß Christian H* mit der am 5.7.1979 geborenen unmündigen Monika Sch* den außerehelichen Beischlaf unternimmt;

5. Christian H* durch die unter I.2. beschriebene Handlung dadurch beigetragen, daß Christian St* die am 5.7.1979 geborene unmündige Monika Sch* auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht.

...........

Es haben hiedurch Christian H* und Christian St* zu I.1. das Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, zu I.2. das Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB, Christian H* zu I.3. das Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und zu I.5. das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen als Beitragstäter nach den §§ 12207 Abs 1 StGB, Christian St* zu I.4. das Verbrechen des Beischlafes mit Unmündigen als Beitragstäter nach den §§ 12206 Abs 1 StGB begangen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen."

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß angesichts des Schuldspruches des Angeklagten St* wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A II) und der nach dem Anklagesachverhalt angenommenen Idealkonkurrenz dieses Tatbestandes mit dem Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB der "Qualifikationsfreispruch" dieses Angeklagten (laut B I.2.) verfehlt war, was indes auf sich beruhen kann.

Den Freispruch des Angeklagten St* vom Anklagevorwurf der in Tateinheit verübten Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und des (als Beitragstäter begangenen) Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB begründete das Schöffengericht damit, daß Monika Sch* sich mit den Geschlechtsakten einverstanden erklärt hatte und der Angeklagte St* sie bei dem vom Angeklagten H* unternommenen Beischlaf weder festgehalten noch ihre Beine auseinandergedrückt habe, weshalb "eine physische Mitwirkung an der Verwirklichung des Tatbildes des § 206 Abs 1 StGB" nicht vorliege (US 30 f).

 

Rechtliche Beurteilung

C. Die Staatsanwaltschaft strebt in ihrer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (lediglich) einen Schuldspruch des Angeklagten St* wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB in Ansehung des vom Angeklagten H* an der unmündigen Monika Sch* unternommenen Beischlafes an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

D. Der Anklagebehörde ist darin beizupflichten, daß der Angeklagte St* zu dem vom Mitangeklagten H* durch den Vollzug eines Geschlechtsverkehrs mit der zur Tatzeit noch nicht 14 Jahre alten Monika Sch* verwirklichten objektiven Tatbestand des Beischlafes mit Unmündigen (§ 206 Abs 1 StGB) insoweit einen Tatbeitrag geleistet hat, als er dem Mitangeklagten H* (unter einem Vorwand) Zutritt in das Zimmer des Mädchens verschaffte, dieses (gemeinsam mit dem Mitangeklagten) zur Gestattung eines Geschlechtsverkehrs mit H* überredete, beim Entkleiden des Mädchens mithalf und dem Mitangeklagten H* ein Kondom übergab, das dieser auch beim Geschlechtsverkehr verwendete.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes erschöpft sich ein sonstiger Tatbeitrag iS des § 12 dritter Fall StGB keineswegs in eine "physischen Mitwirkung" bei der Ausführung der Tat durch den unmittelbaren Täter; für die Annahme einer Beitragstäterschaft genügt vielmehr jede noch so geringe Hilfeleistung für den unmittelbaren Täter vor oder während der Ausführung der geförderten Tat, sofern die Hilfeleistung konkret wirksam geworden ist. Das traf im vorliegenden Fall zu.

Ob St* für diesen Tatbeitrag auch strafrechtlich haftet, hängt davon ab, ob es für die Strafbarkeit der Beitragstäterschaft genügt, daß der unmittelbare Täter den objektiven Tatbestand des betreffenden Delikts verwirklicht hat, oder ob es darüber hinaus erforderlich ist, daß er auch subjektiv tatbestandsmäßig, mithin vorsätzlich gehandelt hat.

Die Generalprokuratur hat in ihrer Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft diesbezüglich folgendes zu erwägen gegeben:

"Der Mitangeklagte Christian H* blieb nur deshalb straflos, weil er bei dem mit Monika Sch* unternommenen außerehelichen Beischlaf deren damals noch unter 14 Jahren gelegenes Alter nicht kannte und sie für älter hielt. Sein Vorsatz war demnach nicht auf das Unternehmen eines außerehelichen Beischlafes mit einer unmündigen Person gerichtet, sodaß von ihm insoweit die subjektive Tatseite des Verbrechenstatbestandes nach § 206 Abs 1 StGB nicht erfüllt wurde.

Aus der Versuchsdefinition des § 15 Abs 2 StGB wird die sogenannte limitierte quantitative Akzessorietät der Beihilfe abgeleitet. Darnach setzt die Strafbarkeit wegen Beitragstäterschaft (erst) ein, sobald die (geförderte) Tat des unmittelbaren Täters zumindest (objektiv) das Versuchsstadium erreicht (vgl Leukauf‑Steininger StGB3, RN 50 zu § 12 StGB). Bloß versuchte Beihilfe ist hingegen gemäß § 15 Abs 2 StGB straflos.

Da im vorliegenden Fall der Mitangeklagte Christian H* die äußere (objektive) Tatseite des Verbrechens nach dem § 206 Abs 1 StGB verwirklicht und dieses Delikt in objektiver Beziehung sogar vollendet hat, ist die Frage nach der quantitativen Akzessorietät der Beihilfe des Angeklagten Christian St* nicht problematisch. Allein unter diesem Gesichtspunkt wäre seine Strafbarkeit eindeutig zu bejahen. Es geht hier vielmehr um die Frage der sogenannten qualitativen Akzessorietät des sonstigen Tatbeitrages im Sinne des § 12 dritter Fall StGB. Darnach ist zufolge der die Bestimmung des § 12 StGB und die dort angeführten (drei) Täterschaftformen im Sinne eines eingeschränkten (reduzierten) Teilnahmesystems interpretierenden Lehrmeinung die Strafbarkeit des Beitragstäters (aber auch des Bestimmungstäters) überdies davon abhängig, daß die Tat des unmittelbaren Täters bestimmten rechtlichen Voraussetzungen entspricht. Diese sogenannte limitierte qualitative Akzessorietät der Bestimmungs‑ und Beitragstäterschaft setzt nach dieser Lehrmeinung voraus, daß im Bereiche jener Delikte, die eine vorsätzliche Begehung erfordern, der unmittelbare Täter nicht nur tatbildmäßig, sondern überdies auch rechtswidrig und vorsätzlich handelt (vgl Burgstaller RZ 1975, 13 ff, RZ 1982, 216 und JBl 1984, 390; Fuchs ÖJZ 1986, 263 ff; Lewisch, JBl 1989, 294 ff; Schick, ÖJZ 1984, 475; Zipf ÖJZ 1975, 617 f und Schild, ZfRV 1976, 182 ff).

Für die in diesem Zusammenhang wesentliche Einbeziehung des Vorsatzelementes spricht vor allem folgende Überlegung:

Nach der Versuchsdefinition des § 15 Abs 2 StGB setzt bei Vorsatztaten das Versuchsstadium nicht erst mit einer nach außen hin in Erscheinung tretenden Handlung des Täters ein, die sich bereits als Ausführungshandlung nach dem jeweils in Betracht kommenden Deliktstypus (durch ein dem betreffenden Tatbild entsprechendes äußeres Tatverhalten) darstellt; Versuch liegt vielmehr schon vor, sobald der Täter seinen Entschluß, die (Vorsatz‑)Tat auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12 StGB), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Da somit auch schon eine der Tatausführung unmittelbar vorangehende Handlung dem Versuchsbegriff entspricht, fallen auch an sich deliktsspezifisch neutrale Verhaltensweisen, die sich nach ihrem objektiven Erscheinungsbild in der Außenwelt noch keineswegs als Ausführungshandlungen (oder deren Beginn) zu einem bestimmten Delikt darstellen, schon in den Bereich des (strafbaren) Versuches. In einem solchen Fall ist allein das innere Vorhaben des Täters, also sein Tatplan (und demnach letztlich sein Vorsatz) für die Beurteilung entscheidend, ob er sich bereits im Versuchsstadium befindet. Bei einer solchen Konstellation reicht nämlich allein das objektive Tatverhalten aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten zur Annahme eines ausführungsnahen Versuchs nicht aus. Es kann in einem solchen Fall vielmehr nur bei Kenntnis des Vorhabens (Tatplanes) des Täters beurteilt werden, ob dieser seinen Entschluß (also seinen Vorsatz) zur Tatausführung durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung im Sinne der Versuchsdefinition des § 15 Abs 2 StGB betätigt. Ist aber in einem solchen Fall die Einbeziehung des Vorsatzelementes zur Beurteilung, ob der Täter bereits in das Versuchsstadium eingetreten ist, unerläßlich, geht es bei Beurteilung der Strafbarkeit einer unter diesen Umständen aktuellen Beitragstäterschaft nicht mehr allein um die Frage der (limitierten) quantitativen Akzessorietät der Beihilfe, sondern letztlich auch um ein Problem der qualitativen Akzessorietät, weil bei einer solchen Fallgestaltung die für die Strafbarkeit des Beitragstäters entscheidende Frage, ob der (unmittelbare) Täter der von ihm geförderten Tat bereits das Versuchsstadium erreicht hat, nur unter Einbeziehung des Vorsatzelementes (also nur unter Berücksichtigung der für den unmittelbaren Täter maßgeblichen subjektiven Tatseite) beantwortet werden kann.

Der Oberste Gerichtshof interpretierte bisher allerdings die Bestimmung des § 12 StGB über die Behandlung aller Beteiligten als Täter und die dort angeführten (drei) Täterschaftsformen in Übereinstimmung mit der gegenteiligen, ein Teilnahmesystem für den österreichischen Strafrechtsbereich ablehnenden Lehrmeinung (so Kienapfel, AT E 2 Rz 42, ferner JBl 1974, 121 ff, ÖJZ 1979, 91, JBl 1984, 389; ferner Schmoller ÖJZ 1983, 347; Triffterer, Beteiligungslehre 65 f und AT 391, 393 ff; Leukauf‑Steininger, StGB3, RN 4, 10, 12, 31 und 50) überwiegend im Sinne eines funktionalen Einheitstätersystems (wobei diese Interpretation nach dem Wortlaut des § 12 StGB keineswegs zwingend ist) und gelangte somit folgerichtig zu einer Ablehnung jeder qualitativen Akzessorietät der Bestimmungs‑ und Beitragstäterschaft (vgl 12 Os 172/76 = SSt 48/30; 9 Os 143/76 = RZ 1978/72; 10 Os 186, 201, 202/77 = RZ 1978/73; 13 Os 98/85 = RZ 1986/31M; 15 Os 34/89 = JBl 1990, 331 ff ua).

Diesen (strengen) Standpunkt (vgl hiezu Leukauf‑Steininger StGB3, RN 50 zu § 12 StGB) hat jedoch der Oberste Gerichtshof nicht durchgehalten. So hat er in seiner Entscheidung vom 16.Dezember 1983, 10 Os 168/83 = JBl 1984, 389 (mit Glossen von Burgstaller und Kienapfel), betont, daß die Strafbarkeit eines Beteiligten im Sinne des § 12 zweiter und dritter Fall StGB (also die Strafbarkeit der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft) zwar nicht die Strafbarkeit des unmittelbaren Täters voraussetze, wohl aber, daß dessen Verhalten (objektiv) tatbildmäßig und rechtswidrig ist. Damit hat aber auch der Oberste Gerichtshof prinzipiell die These von der limitierten qualitativen Akzessorietät anerkannt (vgl Burgstaller JBl 1984, 390) und nur das im Bereiche der Vorsatzdelikte zur Verwirklichung des jeweils in Betracht kommenden Tatbestandes beim unmittelbaren Täter erforderliche Vorsatzelement (innere Tatseite) als eine weitere, im Sinne der limitierten qualitativen Akzessorietät für die Strafbarkeit der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft geforderte Voraussetzung ausgeklammert. Hingegen ist allgemein unbestritten, daß die Strafbarkeit des Bestimmungs- und Beitragstäters unberührt bleibt, wenn es beim unmittelbaren Täter (bloß) an der Schuld fehlt. Dies läßt sich schon aus § 13 StGB ableiten.

Von der bisherigen - die Einbeziehung (auch) des Vorsatzelementes ablehnenden - Judikatur des Obersten Gerichtshofes ausgehend (und nur dann) erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft als berechtigt, weil darnach der Angeklagte Christian St*, der das wahre Alter des zur Tatzeit noch nicht 14 Jahre alten Tatopfers kannte und auch insoweit bei seiner die Tat des Mitangeklagten H* fördernden Tätigkeit vorsätzlich gehandelt hat, Beitragstäterschaft im Sinne des § 12 dritter Fall StGB zum Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB zu verantworten hat. Denn der hier allein als unmittelbare Täter in Betracht kommende Mitangeklagte Christian H* hat jedenfalls das objektive Tatbild des vorerwähnten Verbrechens (rechtswidrig) verwirklicht. Es fehlte bei ihm mangels Kenntnis des (noch) unmündigen Alters des Tatopfers lediglich der ua zur Herstellung de subjektiven Tatseite dieses Verbrechenstatbestandes erforderlichen Vorsatz, mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf zu unternehmen."

Der Oberste Gerichtshof sieht sich - auch unter Berücksichtigung der von der Generaprokuratur im ersten Teil ihrer Stellungnahme vorgetragenen Erwägungen - nicht veranlaßt, von seiner in ständiger Judikatur (vgl ua zuletzt SSt 56/19; JBl 1990, 331 mit Berichtigung des Leitsatzes in JBl 1990, 468; JBl 1990, 533) übereinstimmend mit jenem Teil der Lehre, der die §§ 12 ff StGB im Sinne des funktionalen Einheitstätersystems interpretiert (vgl hiezu va die Schrifttumsnachweise bei Fabrizy WK § 12 Rz 85 und bei Leukauf‑Steininger Komm3 § 12 RN 50 iVm RN 4), vertretenen Auffassung abzugehen, wonach es für die Strafbarkeit eines sonstigen Tatbeitrages genügt, daß der geförderte unmittelbare Täter tatbildmäßig, dh objektiv tatbestandsmäßig handelt und es nicht auch der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands, mithin eines vorsätzlichen Handelns des unmittelbaren Täters, bedarf. Die Beitragstäterschaft ist demnach zwar - was unbestritten ist - (limitiert) qqantitativ akzessorisch, nicht aber qualitativ akzessorisch, auf welches Erfordernis der andere Teil der Lehre (vgl auch hiezu die Schrifttumsnachweise bei Fabrizy aaO und bei Leukauf‑Steininger aaO) abstellt.

Soweit die Generalprokuratur aus dem Erfordernis quantitativer Akzessorietät in Verbindung mit den Merkmalen eines Versuches im Sinne des § 15 Abs 2 StGB Rückschlüsse dahin zieht, daß der unmittelbare Täter, damit der Beitragstäter strafbar wird, auch vorsätzlich gehandelt haben müsse, vermengt sie zum einen die quantitative Akzessorietät mit der qualitativen Akzessorietät und mißdeutet zum anderen das Wesen der quantitativen Akzessorietät: Letztere stellt nur darauf ab, daß der unmittelbare Täter die äußere Tatseite des betreffenden Delikts so hergestellt haben muß, wie es dem Versuch entspricht, also objektiv das Versuchsstadium erreicht haben muß (vgl Leukauf‑Steininger aaO § 12 RN 50; siehe auch Fabrizy aaO § 12 Rz 87).

Die von der Generalprokuratur als Indiz für eine Hinwendung des Obersten Gerichtshofes zur These der qualitativen Akzessorietät ins Treffen geführte Entscheidung JBl 1984, 389 rückt zwar das Erfordernis rechtswidrigen Handelns des unmittelbaren Täters in den Vordergrund, stimmt aber im hier aktuellen Bereich mit der (vor und nach dieser Entscheidung) immer wieder zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Obersten Gerichtshofes überein, daß es seitens des geförderten unmittelbaren Täters keines vorsätzlichen Handelns bedarf, um die Strafbarkeit des Beitragstäters zu begründen. Daß aber das Verhalten des Angeklagten H* rechtswidrig war, ist nicht zweifelhaft.

Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zeigt sich demnach, daß der Freispruch des Angeklagten St*, der seinerseits das wahre Alter des Tatopfers kannte und dennoch dazu beitrug, daß der Mitangeklagte H* mit ihre geschlechtlich verkehrte, verfehlt ist. Wie bereits ausgeführt, genügt für die Annahme eines sonstigen Tatbeitrages jede auch noch so geringe, für die ausgeführte Tat konkret wirksam gewordene physische oder auch nur psychische Förderung des unmittelbaren Täters. Einen solchen sonstigen Tatbeitrag hat aber St* zu verantworten, denn er eröffnete dem Mitangeklagten H* unter einem Vorwand den Zutritt zum Zimmer des unmündigen Mädchens, überredete es gemeinsam mit H* zur Gestattung eines Geschlechtsverkehrs mit diesem, schaffte ein Kondom für diesen Geschlechtsverkehr herbei und half beim Entkleiden des Mädchens, alles Handlungen, die unzweifelhaft eine Förderung des strafgesetzlich verpönten Geschlechtsverkehrs mit einer Unmündigen darstellten.

Aus den angeführten Gründen war daher der Freispruch des Angeklagten St* laut den Punkten B I 1 und 4 aufzuheben und sogleich in der Sache selbst erkennend mit einem Schuldspruch dieses Angeklagten (allerdings nur) wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB vorzugehen.

E. Bei der demnach erforderlichen Strafneubemessung beim Angeklagten St* wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung mehrerer Verbrechen und Vergehen, als mildernd ein teilweises Geständnis und den Umstand, daß es bei drei deliktischen Angriffen beim Versuch blieb.

Die Strafe ist über diesen Angeklagten nunmehr nach § 206 Abs 1 StGB auszumessen, also nach einer Strafdrohung, die - unter Berücksichtigung des § 5 Z 4 JGG - bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht. Der personalen Täterschuld und dem Unwert der verschuldeten Taten entspricht eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten.

Angesichts der gehäuften Delinquenz dieses Angeklagten innerhalb kurzer Zeit und der Wirkungslosigkeit sowohl eines Schuldspruches unter Vorbehalt der Strafe als auch einer bedingten Strafnachsicht kann nicht mehr angenommen werden, daß die bloße Androhung der Freiheitsstrafe (oder eines Teiles hievon) genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Der von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpfte und daher dem Verschlechterungsverbot unterliegende Ausspruch gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO, vom Widerruf der zum AZ 9 a E Vr 686/92 des Landesgerichtes Ried im Innkreis gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und gemäß § 53 Abs 2 StGB die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, war aufrecht zu erhalten.

Der im erstgerichtlichen Urteil enthaltene Ausspruch einer "Straffestsetzung" (gemeint: eines nachträglichen Strafausspruches) zum AZ U 3/92 des Bezirksgerichtes Raab war hingegen ersatzlos aufzuheben. Denn inhaltlich des Protokolles über die Hauptverhandlung wurden der Angeklagte St* und seine gesetzlichen Vertreter hiezu nicht gehört. Dies abgesehen davon, daß den dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Akten - der Akt AZ U 3/92 des Bezirksgerichtes Raab stand nicht zur Verfügung ‑ ein gemäß § 16 Abs 1 JGG erforderlicher Antrag des Staatsanwaltes nicht zu entnehmen ist (und im übrigen auch die erforderliche Einbeziehung des genannten Aktes unterblieben zu sein scheint).

F. Zu den Strafberufungen hinsichtlich des Angeklagten H*

Das Schöffengericht verhängte über H* nach §§ 28 Abs 1202 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Es wertete bei diesem Angeklagten als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen, als mildernd seinen bisher ordentlichen Lebenwandel, den Umstand, daß es beim Vergehen nach § 202 Abs 1 StGB teilweise beim Versuch blieb, und eine Schadensgutmachung in Ansehung der ihm zur Last liegenden Sachbeschädigung.

Während die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung des Strafausmaßes anstrebt, begehrt der Angeklagte H* dessen Herabsetzung und die Gewährung einer bedingten - zumindest aber teilbedingten - Strafnachsicht.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist nicht, hingegen jene des Angeklagten H* teilweise berechtigt.

Wenngleich die zu A I 1 des erstgerichtlichen Urteilsspruches umschriebene Tat dadurch erhebliches Gewicht erhält, daß der Angeklagte H* der im sechsten Monat schwangeren Claudia W* ein Messer ansetzte und sich auf ihren Bauch setzte, erscheint angesichts seiner bisherigen Unbescholtenheit eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten durchaus tatschuldangemessen und tätergerecht. Das Strafausmaß ist andererseits aber auch nicht reduktionsbedürftig, zeigt sich doch im Tathergang auch eine nicht unerhebliche Brutalität.

Die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten H* und der Umstand, daß er ein Übel von mehr als drei Monaten Untersuchungshaft zu verspüren hatte, lassen jedoch die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß die bloße Androhung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten (neben der durch Anrechnung verbüßten Strafe von zwei Monaten) genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es bedarf vorliegend auch nicht aus generalpräventiven Erwägungen der vollständigen Strafvollstreckung.

 

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