OGH 10ObS239/93

OGH10ObS239/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekurs- und Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Herbert Vesely (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Desanka St*****, vertreten durch Dr.Othmar Wokalik, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Alterspension infolge Rekurses (und Revision) der klagenden Partei gegen die in Beschlußform ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Juli 1993, GZ 33 Rs 72/93-15, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22.Dezember 1992, GZ 14 Cgs 125/92-6, zurückgewiesen (und dieses Urteil inhaltlich bestätigt wurde), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Berufung wurden das erstgerichtliche Urteil (und die diesem vorangegangene einzige Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.12.1992) als nichtig angefochten. Der in Serbien wohnenden Klägerin sei die Möglichkeit, vor dem Erstgericht zu verhandeln, dadurch entzogen worden, daß ihr die in der ihr unverständlichen deutschen Gerichtssprache abgefaßte Ladung zur genannten Tagsatzung erst am 15.12.1992 zugestellt wurde.

Das Berufungsgericht wies die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zurück. Die Umstände der Ladung begründeten weder den behaupteten Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, noch eine nicht (ausdrücklich) geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich das als "Rekurs" benannte Rechtsmittel der Klägerin. Sie meint, das Berufungsgericht habe den behaupteten Nichtigkeitsgrund zu Unrecht verneint und hätte auch die inhaltlich geltend gemachte Mangelhaftigkeit prüfen müssen. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung und das erstgerichtliche Urteil, letzteres als nichtig, aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Bei der zur Gänze in Beschlußform ergangenen Entscheidung des Berufungsgerichtes handelt es sich nur insoweit um einen Beschluß, als über die Nichtigkeit abgesprochen wurde. Insoweit aber über die in der Berufung inhaltlich gerügte Mangelhaftigkeit entschieden wurde, liegt ein Urteil vor.

Das gegen die gesamte Entscheidung des Berufungsgerichtes gerichtete Rechtsmittel der Klägerin ist daher nur insoweit als Rekurs zu behandeln, als es die richtigerweise durch Beschluß erledigte Anfechtung des erstgerichtlichen Urteils (und der Urteilsfällung vorangegangener Verfahrensteile) als nichtig betrifft. Insoweit das Rechtsmittel aber die Entscheidung der zweiten Instanz über die inhaltlich gerügte Mangelhaftigkeit betrifft, die richtigerweise in Urteilsform zu treffen gewesen wäre, ist es trotz seiner Bezeichnung ("Rekurs") als Revision zu behandeln, weil sein Begehren deutlich erkennbar ist (§ 84 Abs 2 Satz 2 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist als Rekurs unstatthaft, als Revision zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Unstatthaftigkeit des Rekurses:

Da diesbezüglich im ASGG nichts anderes angeordnet ist, ist § 519 Abs 1 ZPO gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwenden (Kuderna, ASGG 244). Nach der erstgenannten Gesetzesstelle ist der Rekurs nur gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden, in den Z 1 und 2 dieses Absatzes genannten Beschluß des Berufungsgerichtes zulässig. Daß der angefochtene Beschluß nicht unter die Z 2 fällt, bedarf keiner weiteren Begründung. Er kann aber auch nicht der Z 1 zugeordnet werden, weil das Berufungsgericht die Berufung nicht ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen, sondern über den in der Berufung geltend gemachten Nichtigkeitsgrund sachlich entschieden hat. Ein solcher Beschluß des Berufungsgerichtes ist unanfechtbar (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1905, 1974 und 1979; stRsp s. zB MGA ZPO14 § 519 E 10; zuletzt 21.9.1993, 10 ObS 182/93).

Der unstatthafte Rekurs war daher zurückzuweisen.

2. Zur Revision:

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG selbst bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat - entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin - nicht bloß ausgeführt, daß in der Berufung hinsichtlich der Ladung zur mündlichen Streitverhandlung ein Verfahrensmangel nicht (gemeint: ausdrücklich nicht) geltend gemacht worden sei; es hat die diesbezüglich als inhaltlich geltend gemacht beurteilte Mängelrüge auch sachlich behandelt.

Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht bereits verneint wurden, können aber auch in Sozialrechtssachen in der Revision nicht neuerlich gerügt werden (stRsp des erkennenden Senates: SSV-NF 6/28 mwN; 24.8.1993 10 ObS 134/93 mit Hinweis auf Ballon in Matscher-FS [1993] 15 f), so daß die Richtigkeit der verfahrensrechtlichen Beurteilung des Falles durch das Berufungsgericht vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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