OGH 13Os129/93

OGH13Os129/9324.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann R* wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG, AZ 13 U 279/93 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Verdächtigen gegen die Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4.Juni 1993 (S 1 a) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00129.9300000.1124.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Gegen Johann R* ist beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zum AZ 13 U 279/93 ein ursprünglich wegen des Verdachtes des Diebstahls nach § 127 StGB eingeleitetes, nunmehr wegen § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG weitergeführtes Strafverfahren anhängig. Johann R* wurde im Rahmen dieses Verfahrens am 22.Juli 1993 um 22.20 Uhr von einer Innenstadtstreife des Polizeikommissariates Innere Stadt Wien festgenommen und am 23.Juli 1993 um 8.55 Uhr wieder freigelassen (S 37 und 43 a).

Seine direkt beim Obersten Gerichtshof eingebrachte Grundrechtsbeschwerde richtet sich gegen seine Festnahme und Anhaltung bei der angeführten Polizeibehörde. Sie ist jedoch unzulässig.

Aus dem Akt 13 U 279/93 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien und den vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Erhebungen ergibt sich, daß der Bezirksanwalt am 23.April 1993 unter anderem die Abhörung des Beschwerdeführers gemäß § 38 Abs. 3 StPO beantragte, weil dieser verdächtig war, in einem Wiener Hotel Silberbesteck gestohlen zu haben. In der Folge wurde über weiteren Antrag des Bezirksanwaltes ein Hausdurchsuchungsbefehl, allerdings irrtümlich für die Räumlichkeiten des Dienstgebers des Beschwerdeführers erlassen (ON 3). Dieser Befehl wurde von der Polizei nicht vollzogen, sondern dem Gericht zur Prüfung der Frage zurückgestellt, welche Räumlichkeiten des Verdächtigen durchsucht werden sollten (ON 4).

Der zuständige Richter verfügte deswegen die Übermittlung des Durchsuchungsbefehles (in Kurzform handschriftlich als "HD" bezeichnet, S 1 a) für die Wohnadresse des Beschwerdeführers an das zuständige Polizeikommissariat. Infolge eines Lesefehlers wurde nunmehr von der Geschäftsstelle nicht neuerlich ein Hausdurchsuchungsbefehl für die Wohnanschrift des Verdächtigen, sondern gemeinsam mit dem StPOForm. Fahn 3 (Ersuchen um Verhaftung oder Vorführung zum Strafantritt bzw. zum Antritt einer Maßnahme; Fahndung einschließend) ein Haftbefehl vorbereitet und der Vertreterin des abwesenden zuständigen Richters zur Unterfertigung vorgelegt (ON 5). Da diese keinen Anlaß für die Erlassung eines Haftbefehles sah, verfügte sie (unter Einklammerung der von ihr ebenso irrtümlich als Verfügung eines Haftbefehles gelesenen ursprünglichen Verfügung auf Zuleitung des verbesserten Hausdurchsuchungsbefehles an das PolKoat. II, S 1 a) diesen nicht abzufertigen, den Akt jedoch dem zuständigen Polizeikommissariat zur Vernehmung des Verdächtigen zu übermitteln. Der von der Geschäftsstelle vorbereitete und bereits gesiegelte Haftbefehl wurde von der zuständigen Vertretungsrichterin nicht unterfertigt, verblieb allerdings im Akt.

Am 22.Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer daraufhin, wie oben dargestellt, festgenommen, wobei sich der polizeiliche Streifendienst dabei auf die im Akt erliegenden, vom Richter jedoch nicht unterfertigten Schriftstücke stützte (ON 5). Johann R* wurde am 23.Juli 1993 um 8.55 Uhr freigelassen (S 43 a), um 10.10 Uhr vernommen (S 43) und der Akt dem ersuchenden Gericht zurückgestellt.

Gemäß § 1 Abs. 1 GRBG steht dem Betroffenen dann eine Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu, wenn er durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nach Erschöpfung des Instanzenzuges in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt ist. Daraus folgt, daß Beschwerdegegenstand nur ein richterlicher Hoheitsakt ‑ wie Verhängung oder Aufrechterhaltung der Haft, darüber hinaus jede andere Art der gerichtlich angeordneten Freiheitsbeschränkung, wie vorläufige Verwahrung, Beugehaft, Haft als Ordnungsstrafe bis hin zur zwangsweisen Vorführung ‑ sein kann, der für eine Freiheitsbeschränkung im Sinne einer Festnahme oder Anhaltung ursächlich ist (11 Os 109/93, 12 Os 68/93, 13 Os 51/93, 14 Os 73/93 und 14 Os 129, 130/93).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 1988/684, ist eine Festnahme im Fall des Verdachtes einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, ausgenommen zum Zweck der Beendigung eines Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhaltes, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, daß der Verdächtige einen bestimmten Gegenstand innehat, nur in Vollzug eines begründeten richterlichen Haftbefehls zulässig (Art. 2 Abs. 1 Z 2 leg.cit .). Gemäß § 176 Abs. 1 StPO ist dieser Haftbefehl schriftlich zu erlassen, somit vom Richter auch zu unterfertigen (vgl. auch § 149 Geo).

Sämtliche richterlichen Verfügungen bezogen sich im vorliegenden Fall auf die Erlassung und Durchführung eines Hausdurchsuchungsbefehles (infolge eines Leseirrtums auch auf die Verhinderung der Erlassung eines Haftbefehles). Die Festnahme des Beschwerdeführers wurde somit nicht durch eine richterliche Verfügung verursacht, sondern erfolgte auf Grund eines von einem Richter nicht unterfertigten Entwurfes für einen Haftbefehl. Die Belassung dieses Entwurfes im Akt (samt anhängendem Formular für die Ausschreibung zur Festnahme) war zwar Anlaß für das unterlaufene Mißverständnis, bildete jedoch keine richterliche Anordnung.

Da der vom Beschwerdeführer relevierten Festnahme und Anhaltung (siehe Art. 1 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit) demnach keine mit Grundrechtsbeschwerde anfechtbare strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung im Sinn des § 1 Abs. 1 GRBG zugrunde lag, war die Beschwerde in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalprokurators ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) als unzulässig zurückzuweisen.

 

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