European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00150.9300000.1005.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Herbert D* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Im oben bezeichneten Strafverfahren werden dem am 6.März 1966 geborenen Herbert D* laut der infolge Einspruchsverzichts seit 3.Feber 1993 rechtskräftigen Anklageschrift vom 27.Jänner 1993 (das Datum "27.11.1993" in der Ausfertigung der Anklageschrift ON 235 ist offensichtlich verschrieben !) die Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB (19 Angriffe mit einem tatsächlichen Schaden von ca. 2,5 Mio S und einem beabsichtigten Schaden von ca. 350.000 S) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB (3 Angriffe mit einem Schaden von 60.000 S), sowie die Vergehen der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB (Scheckkartenmißbrauch in 26 Angriffen mit einem Schaden von ca. 60.000 S) und nach § 114 ASVG (Schaden ca. 32.000 S) angelastet. Das Verfahren wegen des weiteren Anklagevorwurfes des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (Abgabe von unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 70 Mio S) wurde mit Beschluß vom 3.Juni 1993 (ON 269) gemäß § 57 StPO ausgeschieden.
Herbert D* wird seit dem 16.April 1992 (mit Unterbrechungen durch eine verwaltungsbehördliche Strafhaft gemäß § 180 Abs. 4 StPO) aus den Gründen der Fluchtgefahr (§ 180 Abs. 2 Z 1 StPO) und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO) in Untersuchungshaft angehalten.
Die Hauptverhandlung hat am 9.Juni 1993 (ON 272) begonnen und wurde am 22. und 23.Juni 1993 fortgesetzt (ON 284 und 285). Nach Vertagung mußte sie wegen krankheitsbedingter Änderung der Senatszusammensetzung sowie wegen Zeitablaufes am 1.September 1993 neu durchgeführt (§ 276 a StPO), allerdings abermals (zunächst auf den 29.September 1993) vertagt werden (ON 304 und 307). Die nächsten Verhandlungstermine sind ‑ laut telefonischer Mitteilung des Landesgerichtes Innsbruck ‑ für den 13. und 14.Oktober 1993 angesetzt.
Mit Erkenntnis vom 29.Juni 1993, GZ 14 Os 95/93‑6, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß Herbert D* durch den (damals angefochtenen) Haftbeschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 30.April 1993, AZ 8 Bs 166/93 (= ON 264) im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt worden ist und die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten abgewiesen.
Am 27.Juli 1993 beantragte der Angeklagte neuerlich seine Enthaftung, die jedoch von der Ratskammer mit Beschluß vom 4.August 1993 (ON 297) wegen Fortbestandes der Haftgründe (§ 180 Abs. 2 Z 1 und 3 lit. b StPO) abgelehnt wurde. Der dagegen erhobenen Beschwerde hat das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 24.August 1993, AZ 8 Bs 372/93 (= ON 303), nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vorliegende, vom Angeklagten selbst verfaßte Grundrechtsbeschwerde vom 2.September 1993 (jedenfalls rechtzeitig eingelangt am 7.September 1993), die nach Verbesserung durch Unterfertigung des Verteidigers (§ 3 Abs. 2 GRBG) von diesem am 13.September 1993 wieder bei Gericht überreicht wurde (ON 306).
Die Beschwerde ist unbegründet.
Auf den Einwand, die "Zwischenvollzüge" von Verwaltungsstrafen (§ 180 Abs. 4 StPO) in der Zeit vom 25.Juli 1992 bis 14.August 1992 und vom 5.November 1992 bis 10.Dezember 1992 seien mangels Rechtswirksamkeit der zugrundeliegenden Vollzugsanordnungen der betreffenden Verwaltungsstrafbehörden (siehe ON 104/V und ON 164/VI) zu Unrecht durchgeführt worden, ist schon deshalb nicht einzugehen, weil in Ansehung der entsprechenden Verfügungen des Untersuchungsrichters vom 24.Juli 1992 (Antrags‑ und Verfügungsbogen S 3 kk) und vom 4.November 1992 (ON 182/VII) der Instanzenzug (§ 113 StPO) nicht ausgeschöpft worden ist, und es daher an einer Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Grundrechtsbeschwerde mangelt (§ 1 Abs. 1 GRBG).
Auch die Frage des Fortbestandes des in der Anklageschrift ausführlich begründeten dringenden Tatverdachtes ist hier nicht zu behandeln. Zum einen war diese Frage weder Gegenstand der Haftbeschwerde an die Ratskammer noch der Beschwerde an das Oberlandesgericht und wurde daher im angefochtenen Beschluß auch nicht substantiell begründet, weshalb es an einer argumentativen Grundlage fehlt, an Hand deren der Oberste Gerichtshof die Beurteilung des Tatverdachtes durch den Gerichtshof zweiter Instanz als dringlich sachbezogen auf ihre Richtigkeit überprüfen könnte; zum anderen erklärt der Beschwerdeführer in der Grundrechtsbeschwerde selbst, daß er ‑ trotz eines weitgehend summarischen Hinweises auf "hunderte Widersprüche der 'Betrogenen'" ‑ "auf den Tatvorwurf nicht näher eingehen" will. Daß er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe schon in der Voruntersuchung bestritten und nunmehr auch in der Hauptverhandlung im Rahmen seiner Verantwortung jedes strafbare Verhalten in Abrede gestellt hat, in der Grundrechtsbeschwerde selbst aber nur global seine Unschuld beteuert, wird den Erfordernissen eines meritorisch zu behandelnden Einwandes im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht gerecht, denn auch in Ansehung des Tatverdachtes wäre in der Beschwerde anzugeben und zu begründen gewesen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit erblickt (§ 3 Abs. 1 GRBG).
Der Einwand, die bisherige Dauer der Untersuchungshaft könne im Hinblick auf den Beginn der Ermittlungen schon im Frühjahr 1991 nicht mehr mit dem besonderen Umfang der Untersuchung gerechtfertigt werden, ist deshalb verfehlt, weil es insoweit nur darauf ankommt, ob die Aufrechterhaltung der Haft zum Zwecke der Maßnahme außer Verhältnis steht oder die Haft im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe offenbar unangemessen ist (§ 2 Abs. 1 GRBG, § 193 Abs. 2 StPO). Davon kann aber ‑ dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider ‑ angesichts der Schwere der Vorwürfe und der hiefür angedrohten Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren (§ 148 zweiter Strafsatz StGB) keine Rede sein.
Eine Verletzung des in Art. 12 MRK verbrieften Grundrechtes, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, kann an sich nicht Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde sein. Schon deshalb ist auf das darauf gestützte Vorbringen des Beschwerdeführers, mit der Aufrechterhaltung seiner Haft würde auf seine "familiären Bindungen keine Rücksicht genommen", nicht einzugehen.
Ähnliches gilt für die Behauptung von haftbedingten Gesundheitsschäden. Auch die Einhaltung der Vorschriften über die ärztliche Betreuung von Untersuchungshäftlingen (§§ 66 ff StVG iVm § 183 StPO) unterliegt nicht der Überprüfung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren. Daß sein Gesundheitszustand auf die Haftgründe von Einfluß wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht eingewendet.
Den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO) hat der Beschwerdeführer in seiner an das Oberlandesgericht gerichteten Beschwerde gar nicht bekämpft, weshalb die angefochtene Beschwerdeentscheidung sich mit diesem Haftgrund auch nicht näher auseinandersetzt. Dessen Berechtigung hat aber der Oberste Gerichtshof bereits in seinem Grundrechtserkenntnis vom 29.Juni 1993, 14 Os 95/93‑6, bejaht. Insoweit sind weder dem Beschwerdevorbringen noch der Aktenlage neue Umstände oder Argumente zu entnehmen, durch welche die Gefahr, der Beschwerdeführer werde auf freiem Fuße einschlägige strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, inzwischen beseitigt worden wäre oder nunmehr durch gelindere Mittel gebannt werden könnte.
Demzufolge kann aber dahingestellt bleiben, ob auch der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 180 Abs. 2 Z 1 StPO) - im Hinblick auf die abschwächende Aussage des Herbert W* in der Hauptverhandlung (ON 285/S 106, 107), dessen diesbezügliche Angaben im Vorverfahren (S 386/II) als eines von mehreren Argumenten für die Annahme dieses Haftgrundes herangezogen worden ist ‑ noch fortbesteht (12 Os 15/93, 11 Os 31/93, 12 Os 65/93).
Da somit Herbert D* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt ist, war seine Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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