OGH 14Os111/93

OGH14Os111/9322.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer, Dr.Schindler und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred K***** wegen Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21.Mai 1993, GZ 28 Vr 2453/92-93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Jänner 1964 geborene Manfred K***** gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, in der Zeit vom 23.Juni bis 27.August 1992 in I***** und H***** die in der Entscheidung näher beschriebenen Anlaßtaten begangen hat, die mit jeweils einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und die ihm außerhalb dieses Zustandes als Vergehen (zu 1.) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und (zu 2.) des teils vollendeten, teils versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 269 Abs. 1, zweiter Deliktsfall, und 15 StGB zugerechnet würden.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Einweisungsausspruch bekämpft der Betroffene mit einer (undifferenziert) nominell auf die Z 3, 4, 5, 8 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies hat er unmittelbar nach Urteilsverkündung Berufung angemeldet (S 149/II).

Zu Unrecht erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten (Z 4) dadurch beeinträchtigt, daß der Gerichtshof in der Hauptverhandlung vom 21.Mai 1993 (nach Erörterung des Gutachens des psychiatrischen Sachverständigen ON 44 und 53 iVm S 146 bis 148/II) den von seinem Verteidiger bereits in der Hauptverhandlung vom 27.April 1993 gestellten Antrag (Punkt 5. S 95/II) auf Einholung eines weiteren (ersichtlich gemeint: zweiten) psychiatrischen Sachverständigengutachtens mit der Begründung abgewiesen hat, der beigezogene Sachverständige habe zu allen relevanten Fragen bereits ausreichend Stellung bezogen (S 148/II).

Der Antrag war - ohne nähere Begründung - lediglich zum Beweis dafür gestellt worden, "daß beim Betroffenen keine geistige oder seelische Abnormität höheren Grades vorliegt, sodaß nicht zu befürchten ist, daß der Betroffene ohne Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehe". Welche der in den §§ 125, 126 StPO bezeichneten Mängel das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen aufweist, wurde nicht dargetan, sodaß das Erstgericht schon aus diesem Grund auf die relevierte Beweisaufnahme ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Betroffenen verzichten durfte. Im übrigen ist bei Prüfung der Beachtlichkeit stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des betreffenden Antrages auszugehen; die erst in der Rechtsmittelschrift (so wie hier S 5 bis 6) vorgebrachten Gründe tatsächlicher Art können demnach keine Berücksichtigung finden (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 41).

Die Verfahrensrüge vermag aber auch aus einem weiteren Grund nicht durchzuschlagen:

Gemäß § 118 Abs. 2 StPO ist - entgegen der aus § 429 Abs. 2 Z 2 StPO abgeleiteten Beschwerdeauffassung - auch im Einweisungsverfahren (Mayerhofer-Rieder aaO § 429 EGr 4 und § 134 EGr 52) ein zweiter Sachverständiger nur ausnahmsweise bei besonderer Schwierigkeit der "Beobachtung" oder Begutachtung heranzuziehen (Mayerhofer-Rieder aaO § 118 ENr 66). Die Beurteilung, ob die Schwierigkeit des Falles die Zuziehung eines zweiten Sachverständigen gebietet, ist dem Schöffengericht anheimgestellt. Hält es den Sachverständigen - wie hier - für fähig, ein einwandfreies Gutachten abzugeben, und ergeben sich keine Bedenken im Sinne des § 125 StPO, so kann die Entscheidung, daß ein zweiter Sachverständiger nicht zuzuziehen sei, nicht angefochten werden (aaO ENr 72).

Die Beschwerdekritik, daß "der beigezogene Sachverständige Univ.Prof. Dr.Prokop die Geschehnisse und das Ergebnis der Hauptverhandlung in so weitreichendem Maße dominiert habe, daß dem Betroffenen jegliche Möglichkeiten, die für ihn sprachen, aus der Hand genommen wurden", ist schon mangels näherer Substantiierung der behaupteten "Dominanz" und in Anbetracht der anwaltlichen Vertretung des Manfred K***** nicht geeignet, den behaupteten Verstoß gegen das Gebot des "fair trial" im Sinne des Art 6 EMRK prozeßordnungsgemäß darzutun.

Daß sich die Erkenntnisrichter der Fachmeinung Dris.P*****, ersichtlich auch unter Verwertung des vom Betroffenen gewonnenen persönlichen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) - im übrigen nicht kritiklos (vgl US 10 dritter Absatz) - und mit mängelfreier Begründung angeschlossen haben, ist ein im Nichtigkeitsverfahren unanfechtbarer Akt der freien Beweiswürdigung. Ein formeller Begründungsmangel (Z 5) wird insoweit nicht dargetan.

Inwiefern dem Schöffengericht durch sein Einweisungserkenntnis eine Verletzung oder Nichtbeachtung einer Vorschrift im Sinne der Z 3, eine Anklageüberschreitung (Z 8) und/oder ein Subsumtionsirrtum (Z 10) unterlaufen sein soll, kann den Beschwerdeausführungen auch nicht ansatzweise entnommen werden. Dem im § 285 a Z 2 StPO normierten Erfordernis der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der Nichtigkeitsgründe entspricht deren bloß ziffernmäßige Anführung nicht (vgl Mayerhofer-Rieder aaO § 285 a ENr 43).

Soweit der Beschwerdeführer schließlich in tatsächlicher Hinsicht die erstgerichtlichen Annahmen über das zu befürchtende künftige Verhalten des Eingewiesenen in Frage stellt - nicht jedoch die Rechtsfrage der Qualifikation als strafbedrohte Handlung mit schweren Folgen aufwirft - ist der entsprechende Ausspruch des Erstgerichtes über die Gefährlichkeitsprognose (§ 21 Abs. 1, letzter Satzteil, StGB) als Ermessensentscheidung nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde (Z 11), sondern nur mit Berufung bekämpfbar (vgl u.a. 16 Os 57/91, 16 Os 59/91, 11 Os 9/92, 11 Os 13/92).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Betroffenen fällt demgemäß in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§§ 285 i, 429 Abs. 1 StPO).

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