OGH 13Os67/93

OGH13Os67/932.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juni 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Markel, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred R***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127, 131, erster Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Jänner 1993, GZ 3 b Vr 12.210/92-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr.Truntschnig zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, daß Manfred R***** die im Urteilssatz aufgezählten Gegenstände Verfügungsberechtigten der B***** Warenhandels-AG weggenommen hat, demgemäß in der rechtlichen Beurteilung des Diebstahlsverbrechens als vollendet, sowie im Strafausspruch (mit Ausnahme des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben. Gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird - unter Neufassung des Urteilsspruchs - im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Manfred R***** hat am 12.Oktober 1992 in Wien versucht, fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von 1.264,90 S, und zwar 1 Packung Batterien, 9 Doppelpackungen Kassetten, 1 Sparlampe, 1 Dreierpackung Unterhosen und 1 Superkleber Verfügungsberechtigten der B***** Warenhandels-AG mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er auf frischer Tat betreten Gewalt gegen Andreas K***** anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er dem Genannten zweimal einen heftigen Stoß gegen die Brust versetzte, sodaß dieser zurücktaumelte.

Manfred R***** hat hiedurch das Verbrechen des versuchten räuberischen Diebstahls nach den §§ 15, 127, 131, erster Fall, StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB zu 9 (neun) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Manfred R***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach den §§ 127, 131, erster Fall, StGB schuldig erkannt, weil er am 12.Oktober 1992 in Wien fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von 1.264,90 S und zwar 1 Packung Batterien, 9 Doppelpackungen Kassetten, 1 Sparlampe, 1 Dreierpackung Unterhosen und 1 Superkleber mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigten der B***** Warenhandels AG wegnahm, wobei er auf frischer Tat betreten Gewalt gegen Andreas K***** anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er dem Genannten zweimal einen heftigen Stoß gegen die Brust versetzte, wodurch dieser zurücktaumelte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Berechtigung kommt der Beschwerde allerdings nur insoweit zu, als sich der Angeklagte unter Berufung auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO (der Sache nach nur Z 10) gegen die rechtliche Annahme eines vollendeten Diebstahls wendet. Zwar liegt der von ihm behauptete Mangel erforderlicher Feststellungen für die Abgrenzung des Versuchs- vom Vollendungsstadium des Diebstahls nicht vor. Der in ihrem Gesamtzusammenhang zu berücksichtigenden Urteilsbegründung zufolge ist nämlich das Erstgericht davon ausgegangen, daß der Angeklagte schon beim Einstecken der gegenständlichen Waren in verschiedene Taschen seiner Kleidung innerhalb der Geschäftsräume von Firmenangestellten beobachtet worden war (US 4), in der Folge bis zum Eintreffen der Polizei am Verlassen des Geschäftslokals gehindert wurde (US 5 Mitte bis US 6) und daher nicht in der Lage war, das Diebsgut vor seiner Durchsuchung durch die Polizei (US 11 unten) aus dem Ladenbereich in Sicherheit zu bringen. Diese Sachverhaltsfeststellungen genügen allerdings bereits, um in rechtlicher Hinsicht die erst durch völligen Bruch des bisherigen Gewahrsams unter Begründung neuen Alleingewahrsams durch den Täter eintretende Diebstahlsvollendung auszuschließen (Leukauf-Steininger Komm3 § 127 RN 59). Zwar wird an verhältnismäßig kleinen Sachen, die leicht in der Kleidung, am Körper oder in mitgebrachten Behältnissen verborgen werden können, in der Regel der Alleingewahrsam schon mit dem Einstecken erlangt (a.a.O. RN 60). Wurde der Täter dabei jedoch vom Bestohlenen (oder dessen Personal) beobachtet und kann er daher an der Verbringung der Beute aus dessen Herrschaftsbereich gehindert werden, dann hat er noch nicht seinen Alleingewahrsam begründet und sohin nur versuchten Diebstahl zu verantworten (vgl. insbesondere Mayerhofer-Rieder3 § 127 StGB, Nr 85, 85 b und 86). Da die gegenständliche Tat mithin als versuchter Diebstahl zu beurteilen gewesen wäre, ist der angefochtene Schuldspruch mit dem Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet.

In seinen weiteren - auf die Z 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten - Beschwerdeausführungen wendet sich der Angeklagte ausschließlich gegen die Qualifikation des Diebstahls als räuberisch iS des § 131 StGB, welche nach herrschender Rechtsprechung (SSt 55/13, JBl 1990, 670 = EvBl 1991/12; 15 Os 121/90; 16 Os 9/90; 11 Os 82/91; 12 Os 87/91; zuletzt 12 Os 63/92; in diesem Sinne auch Bertel im WK § 131 Rz 11 ff; Bertel-Schwaighofer BT I § 131 Rz 5;

Burgstaller Ladendiebstahl 37 sowie in JBl 1985, 54;

Mayerhofer-Rieder3 Anm 3 zu § 131 StGB; gegenteilig allerdings - jeweils zu dieser Gesetzesstelle - Leukauf-Steininger3 RN 3 und 5 sowie Kienapfel BT II**2 RN 2 sowie 9 bis 9 b und 33) bereits nach Erlangung bloßen Mitgewahrsams durch den Dieb, also noch im Versuchsstadium, verwirklicht werden kann. Insoweit ist die Beschwerde jedoch nicht berechtigt.

Der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider spricht allein das Ausbleiben von Verletzungsfolgen bei Andreas K***** nicht gegen die Heftigkeit der diesem vom Angeklagten versetzten Stöße; denn nach der allgemeinen Erfahrung kann keineswegs davon ausgegangen werden, daß jeder heftige Stoß gegen die Brust Prellungen oder wenigstens Hämatome verursachen müßte. Zudem ist die festgestellte Heftigkeit dieser Stöße nur insoweit entscheidungswesentlich, als sich hieraus im Zusammenhang mit der vom Erstgericht konstatierten Wirkung des zweiten Stoßes auf den 125 kg schweren Andreas K*****, der hiedurch gegen die Eingangstür taumelte (US 5), jedenfalls ergibt, daß physische Kraft in einer den Gewaltbegriff des § 131 StGB verwirklichenden Intensität zur Anwendung gelangte. Gewalt im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nämlich jeder - also auch ein nicht zu Verletzungen führender - Einsatz physischer Kraft zur Überwidnung eines wirklichen oder vermeintlichen, auf die Aufhebung des (Mit-)Gewahrsams des Diebes abzielenden Widerstandes. Eine besondere körperliche Kraftanstrengung ist nicht erforderlich, wenn dem Krafteinsatz nur an sich (in abstracto) die Eignung zukommt, dem Täter wenn auch nur vorläufig zumindest den Mitgewahrsam an der Beute zu erhalten. Diese Eignung ist unzweifelhaft, wenn der Täter - wie in den Fällen der in der Beschwerde zitierten Entscheidungen ÖJZ-LSK 1987/83 und EvBl 1991/12 - den Widerstand zu überwinden und sein Tatvorhaben zu verwirklichen vermag. Bei solcher Sachlage genügt daher der Hinweis auf den Erfolg der Gewaltanwendung. Dies besagt - der Interpretation der betreffenden Entscheidungen durch den Beschwerdeführer zuwider - jedoch nicht, daß der letztlich nicht in diesem Sinne erfolgreich gebliebenen Gewaltanwendung die Tatbildlichkeit nach § 131 StGB von vornherein abgesprochen werden muß. Die Eignung als Mittel, sich den Mitgewahrsam am Diebsgut wenigstens vorläufig zu erhalten, ergibt sich im vorliegenden Fall nicht allein aus der beim Zeugen K***** eingetretenen Wirkung, sondern vielmehr vor allem daraus, daß dem Angeklagten die Beute erst nach Eintreffen der Polizei abgenommen werden konnte. Damit erledigt sich nicht nur die Tatsachenrüge (Z 5 a), sondern auch jene Rechtsrüge (Z 10), in welcher - unter Vernachlässigung der zuletzt angeführten wesentlichen Tatsachen - eine Gewaltanwendung im Sinne des § 131 StGB lediglich unter Hinweis darauf bestritten wird, daß die Stöße des Angeklagten den Zeugen K***** weder verletzten noch an der "Überwältigung" des Angeklagten (dh an der Erzwingung seines Verbleibs im Geschäftslokal bis zur Intervention der Polizei) hinderten.

Der weitere Einwand, mit dem der Beschwerdeführer erhebliche Bedenken gegen die Feststellung seiner Absicht zu erwecken sucht, sich durch die Gewaltanwendung die (iS einer Begründung von Mitgewahrsam) weggenommenen Sachen zu erhalten, ist auf die Behauptung beschränkt, daß bei der Erforschung eines derartigen inneren Vorhabens eines Täters nur von dessen eigenen Angaben ausgegangen werden könne, was freilich darauf hinausliefe, daß ein insoweit nicht geständiger Angeklagter niemals überführt werden könnte. Der Beschwerdeführer übersieht, daß es dem Gericht im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) unbenommen bleiben muß, auch einem leugnenden Angeklagten ein bestimmtes Tatvorhaben aufgrund von Indizien, die sich aus dem äußeren Tathergang ergeben, zu unterstellen. Die solcherart zu seinem Nachteil vorgenommene Würdigung der Verfahrensergebnisse durch das Erstgericht wird vom Beschwerdeführer durch die Behauptung, es wäre allein seiner leugnenden Verantwortung zu folgen gewesen, weil er zum Zeitpunkt des Vorfalles unter Alkoholeinfluß gestanden, im Besitz einer größeren Bargeldmenge gewesen und "binnen kürzester Zeit" physisch an der Herausgabe der eingesteckten Sachen gehindert worden wäre, lediglich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft, verweist er doch nur auf die Möglichkeit, daß die Tatrichter aufgrund der Beweislage auch zu anderen, für ihn günstigeren Tatsachenfeststellungen hätten gelangen können.

Somit war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im noch verbliebenen Umfang zu verwerfen.

Bei der durch die Teilaufhebung des Schuldspruchs erforderlich gewordenen Strafneubemessung waren die einschlägigen, zwar rückfallsbegründenden (§ 39 StGB), aber keineswegs gravierenden Vorstrafen des Angeklagten erschwerend, mildernd hingegen ein Teilgeständnis in Richtung der Sachwegnahme, die Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit infolge einer nicht vorwerfbaren Alkoholisierung (§ 35 StGB) und daß die Tat beim Versuch geblieben ist. Mit Rücksicht auf den geringen Wert der angestrebten Beute erschien dem Obersten Gerichtshof eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von neun Monaten der unrechtsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) angemessen.

Darauf war der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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