OGH 1Ob530/93

OGH1Ob530/9320.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Graf, Dr. Schiemer und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard L*****, vertreten durch Mag. Dr. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Josef H*****, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in Tulln, wegen S 1,202.944,78 s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Dezember 1992, GZ 4 R 280/92-8, womit das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. Oktober 1992, GZ 11 Cg 87/91-3, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluß des Berufungsgerichtes, der insoweit bestätigt wird, als es das angefochtene Versäumungsurteil und das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig aufgehoben hat, wird im Ausspruch über die Klagszurückweisung dahin abgeändert, daß die Rechtssache zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens an das Erstgericht zurückverwiesen wird.

Die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 22. Juni 1990 wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet.

Am 22. Februar 1991 brachte der Kläger beim Erstgericht gegen diesen eine Klage mit dem Begehren auf Zahlung von S 1,202.944,78 s.A. als Kaufpreis für gelieferte Elektronikwaren ein. Die Klage wurde nicht dem Beklagten, sondern dem Masseverwalter zugestellt. Am 2. Oktober 1992 beantragte der Kläger mangels Erstattung einer Klagebeantwortung die Erlassung eines Versäumungsurteiles. Schon vorher war der Konkurs aufgehoben worden.

Das antragsgemäß ergangene Versäumungsurteil vom 7. Oktober 1992 wurde dem Beklagten am 20. Oktober 1992 zugestellt.

Das Gericht zweiter Instanz hob das Versäumungsurteil und das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es führte aus, es hätte schon die Klage zurückgewiesen werden müssen, weil der Mangel der Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners Nichtigkeit zur Folge habe; mangels Genehmigung der „Klagsführung“ sei der Verstoß gegen § 6 Abs 1 KO nicht geheilt.

Der vom Kläger gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) und auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wohl können gemäß § 6 Abs 1 KO Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörende Vermögen bezwecken, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner nicht anhängig gemacht werden, der Kläger hat jedoch schon in der Berufungsbeantwortung und nun auch im Rekurs als Neuerung vorgebracht, der Beklagte habe bei ihm erst nach der Konkurseröffnung - in der Zeit vom August bis Dezember 1990 - Waren bestellt und sich damit auch beliefern lassen, ohne den Kläger auf den anhängigen Konkurs hinzuweisen. Auf solche Neuerungen ist - unter anderem - dann Bedacht zu nehmen, wenn damit Nichtigkeitsgründe dargetan oder widerlegt werden sollen, also neue Tatsachen ins Treffen geführt werden, die auch von Amts wegen jederzeit wahrzunehmende Umstände betreffen (EFSlg 52.214; JBl 1969, 89 uva; Fasching, LB2 Rz 1731). Die Behauptungen des Klägers sind solche Neuerungen:

Die mangelnde Fähigkeit des Gemeinschuldners zur Verfügung über die Konkursmasse ist zwar wie der Mangel der Prozeßfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen zu berücksichtigen, weil er gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO die Nichtigkeit des über die Klage entgegen § 6 Abs 1 KO abgeführten Verfahrens bewirkt (SZ 34/124 uva; Fasching aaO Rz 605); vom Gemeinschuldner erst während des Konkurses eingegangene Verpflichtungen sind jedoch keine Konkursforderungen, zu deren gemeinschaftlichen Befriedigung die Konkursmasse bestimmt ist (§ 1 Abs 1 und 2 KO). Dem Kläger wäre - bei Bewahrheitung seiner Behauptungen im Rechtsmittelverfahren - somit kein Konkursteilnahmeanspruch zugekommen, er hätte seinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für die von ihm gelieferten Waren mit Erfolg weder im Konkurs des Beklagten zur quotenmäßigen Befriedigung anmelden (§ 102 ff KO) noch gegen die Masseverwalter klageweise (§ 110 KO) durchsetzen können, weil vom Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen, die die Konkursmasse betreffen, gemäß § 3 Abs 1 erster Satz KO den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sind; daraus abgeleitete Forderungen können bis zur Aufhebung des Konkurses zum Nachteil der Konkursgläubiger nicht geltend gemacht werden (SZ 41/71; 1 Ob 795/80 uva; Bartsch-Pollak, KO3 I, 36, 314; Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht, 459). Dem Dritten - also dem Kontrahenten - gegenüber ist dagegen die Wirksamkeit solcher Rechtshandlungen so zu beurteilen, als wäre der Konkurs gar nicht anhängig (Petschek - Reimer - Schiemer aaO; Sprung-Fink in Fasching -FS 498; Fink in GesRZ 1989, 49; vgl auch Wegan, Insolvenzrecht 94). Der Gemeinschuldner kann sich durch Rechtsgeschäfte auch während des Konkurses gültig verpflichten, daraus entspringende Forderungen können allerdings nicht zum Nachteil der Konkursgläubiger, sondern nur gegen den Gemeinschuldner selbst geltend gemacht werden, dessen Haftung während des Konkurses jedoch auf sein konkursfreies Vermögen beschränkt ist (SZ 41/71; MietSlg 32.862; Bartsch-Pollak aaO 36; Petschek-Reimer-Schiemer aaO; Sprung-Fink aaO 498 f), wogegen sich die Wirkung der bis dahin den Konkursgläubigern gegenüber unwirksamen Rechtshandlung nach Aufhebung des Konkurses ex tunc auch auf das zuvor konkursunterworfene Vermögen des früheren Kridatars erstreckt (SZ 34/72; Arb 7672 ua; Petschek-Reimer-Schiemer aaO; Bartsch-Pollak aaO I 50, 314; Konecny in JBl 1986, 364).

Der Beklagte könnte daher - nun nach Beendigung des Konkurses - die Erfüllung der Kaufverträge, die er während des Konkurses eingegangen ist, nicht etwa mit der Begründung ablehnen, er sei bei Vertragsabschluß nicht verfügungsberechtigt gewesen, weil die konkursrechtliche Verfügungsbeschränkung eben nur den Konkursgläubigern gegenüber in bezug auf die Konkursmasse beschränkt war (Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rz 189). Da aufgrund vom (früheren) Gemeinschuldner während des Konkurses eingegangener Verpflichtungen erhobene Klagen gegen diesen mit Rücksicht auf die Wirksamkeit solcher Rechtshandlungen zwischen den Beteiligten nicht gegen den Masseverwalter, sondern den Gemeinschuldner selbst anzubringen sind (SZ 41/71 ua), hätte das Berufungsgericht die Klage nicht zurückweisen dürfen, sondern anordnen müssen, daß sie dem Beklagten zugestellt und das Verfahren gegen ihn fortgesetzt werde. Da der Konkurs mittlerweile aufgehoben wurde, ist auch dessen konkursrechtliche Haftungsbeschränkung mit Wirkung ex tunc weggefallen, sodaß es nun erst gar nicht mehr der Prüfung der Richtigkeit der Behauptungen des Klägers im Rekurs bedarf.

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht dagegen das bisherige Verfahren einschließlich der Klagszustellung an den Masseverwalter als nichtig aufgehoben, weil die Konkursmasse nach den vorangestellten Erwägungen davon nicht betroffen war und der Masseverwalter auch den Gemeinschuldner nicht zu vertreten hatte und dem Beklagten durch die unterlassene Zustellung der Klage an ihn die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, entzogen war (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO).

In Abänderung des berufungsgerichtlichen Beschlusses wird das Erstgericht nach Zustellung der Klage an den Beklagten das Verfahren fortzusetzen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte