OGH 5Ob142/68

OGH5Ob142/6812.6.1968

SZ 41/71

Normen

KO §1
KO §3 (1)
WechselG Art1
WechselG Art7
ZPO §1
KO §1
KO §3 (1)
WechselG Art1
WechselG Art7
ZPO §1

 

Spruch:

Der Gemeinschuldner ist wechselfähig.

Entscheidung vom 12. Juni 1968, 5 Ob 142/68.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Mit Beschluß vom 30. Juli 1964 wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet.

Am 24. Oktober 1966 schloß der Beklagte mit seinen Gläubigern einen Zwangsausgleich, der mit Beschluß vom 17. Jänner 1967 bestätigt wurde.

Am 6. Februar 1967 schloß der Beklagte mit der Klägerin einen Darlehensvertrag. Danach wurde dem Beklagten ein Darlehen im Betrage von 150.000 S, rückzahlbar in Monatsraten von 1250 S gewährt. Zur Sicherung der sich aus dem Darlehensvertrag ergebenden Forderungen unterfertigte der Beklagte einen Blankowechsel.

Da der Beklagte seinen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag nicht nachkam und den von der Klägerin auf eine Wechselsumme von 152.541 S mit dem Fälligkeitstag 11. September 1967 ausgefüllten Wechsel nicht einlöste, wurde am 26. September 1967 der Wechselzahlungsauftrag eingebracht.

Mit Beschluß vom 15. November 1967 wurde gemäß § 157 KO. der Konkurs über das Vermögen des Beklagten aufgehoben.

Das Erstgericht erließ den von der Klägerin beantragten Wechselzahlungsauftrag. Darin wird dem Beklagten als Annehmer des Wechsels vom 9. September 1967 aufgetragen, an die Klägerin den Betrag von 152.541 S samt 6% Zinsen seit 12. September 1967 und 1/3% Provision zu bezahlen.

Der Beklagte erhob dagegen Einwendungen und führte aus, daß der Abschluß des Darlehensvertrages sowie die Unterfertigung des Wechsels am 6. Februar 1967 erfolgt sei. Da damals noch das Konkursverfahren anhängig gewesen sei, sei mangels Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners das Eingehen der Wechselverbindlichkeit nicht rechtswirksam erfolgt. Die Wechselklage bezwecke damit die Schaffung eines Exekutionstitels, um auf das durch das Konkursverfahren erfaßte Vermögen des Beklagten Exekution zu führen. Das sei aber unzulässig. Es werde daher der Antrag gestellt, den Wechselzahlungsauftrag und das ihm zugrunde liegende Verfahren als nichtig aufzuheben, in eventu den Wechselzahlungsauftrag mit Urteil aufzuheben.

Das Erstgericht wies mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluß den Antrag des Beklagten, den Wechselzahlungsauftrag und das ihm zugrundeliegende Verfahren für nichtig zu erklären, zurück, weil gegen die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages nach § 552 ZPO., abgesehen von der Kostenentscheidung, ein Rechtsmittel nicht zulässig sei. Über die gegen den Wechselzahlungsauftrag erhobenen Einwendungen könne nach § 553 ZPO. auch dann nur mit Urteil erkannt werden, wenn in den Einwendungen Nichtigkeitsgrunde geltend gemacht werden.

Der Wechselzahlungsauftrag wurde aufrecht erhalten. Die Forderung aus dem Darlehensvertrag sei nach dem Abschluß und der Bestätigung des Zwangsausgleiches begrundet worden. Sie stelle keine Konkursforderung dar, weil die Verbindlichkeit nicht schon zur Zeit der Konkurseröffnung bestanden habe. Sie stelle aber auch keine Masseforderung nach § 46 KO. dar. Der Beklagte habe das Darlehen zur Erfüllung des Zwangsausgleiches aufgenommen und verwendet. Die Darlehensvaluta sei nicht der Konkursmasse zugeflossen. Rechtshandlungen, die sich nicht auf die Konkursmasse bezögen, könnten vom Gemeinschuldner auch während des Konkurses wirksam getroffen werden, da der Gemeinschuldner nur in seiner Verfügungsgewalt hinsichtlich des zur Konkursmasse gehörigen Vermögens beschränkt sei. Die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag beziehe sich jedoch nicht auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen, sodaß darüber gemäß § 6 (3) KO. auch während des Konkurses ein Rechtsstreit habe anhängig gemacht und der Wechselzahlungsauftrag erlassen werden können.

Das Berufungsgericht hob das über die Klage abgeführte Verfahren - soll richtig heißen das Ersturteil und das über die Klage abgeführte Verfahren - als nichtig auf und wies die Klage zurück. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß nach § 1 (1) KO. durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehöre, oder das er während des Konkurses erlange, bis zur Aufhebung des Konkurses seiner freien Verfügung entzogen sei. Nach § 6 (1) KO. könnten aber Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezweckten, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner nicht mehr anhängig gemacht werden. Da der Gemeinschuldner hinsichtlich der Masse nicht verfügungsfähig sei, liege ein dem Fehlen der Prozeßfähigkeit gleichzustellender Mangel im Sinne des § 477 (1) Z. 5 ZPO. vor, der eine Nichtigkeit zur Folge hätte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Berufungsgericht ist beizutreten, daß nach § 1 (1) KO. durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört, oder das er während des Konkurses erlangt, seiner freien Verfügung entzogen wird. Im Einklang damit steht auch die Vorschrift des § 3 (1) erster Satz KO., wonach Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sind. Allein nach der Fassung der beiden angeführten Gesetzesstellen ist es aber nicht ausgeschlossen, daß der Gemeinschuldner, dem nur die Verfügung über die Konkursmasse entzogen ist, Rechtshandlungen setzen kann, die konkursfreies Vermögen zum Gegenstand haben oder der Erhaltung der Masse dienen und den Interessen der Konkursgläubiger nicht widerstreiten. Denn ihm ist bloß die Verfügung über die Masse entzogen. Er bleibt im übrigen jedoch handlungsfähig, sofern dadurch die Konkursmasse nicht betroffen wird. Er ist auch in der Lage, ohne Mitwirkung des Masseverwalters Wechselverbindlichkeiten einzugehen. Seine Wechselfähigkeit bleibt ja durch die Eröffnung des Konkurses erhalten.

Auch das Schrifttum (Bartsch - Pollak, Konkursordnung Band I S. 35 Anm. 55 und S. 48, 49 Anm. 5, Lehmann, Komm. zur Österr. Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung Band I S. 20) und die Rechtsprechung 1 Ob 841/52 in EvBl. 1953 Nr. 19, 5 Ob 62/65 u. a.) erachten Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, die der Erhaltung der Masse oder dem Zweck der Befriedigung der Konkursgläubiger und der Aufhebung des Konkurses dienen, für zulässig. Daraus folgt die Wirksamkeit des mit der Klägerin abgeschlossenen Darlehensvertrages gegenüber dem Beklagten jedenfalls für die Zeit nach der Aufhebung des Konkurses.

Desgleichen wird aber auch nach der Rechtslehre (Bartsch - Pollak, Konkursordnung Band I S. 37 Anm. 59, Rintelen, Handbuch des Österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechtes S. 140, Anm. 1, Lehmann, a.a.O. S. 21) und nach der Rechtsprechung (GlU. Nr. 13.424, 13.488, Czelechowsky, Sammlung wechselrechtlicher Entscheidungen Band II S. 67 Nr. 384) die Wechselfähigkeit des Gemeinschuldners als gegeben angenommen. Der Gemeinschuldner kann sich während des Konkurses wechselmäßig verpflichten, ohne daß allerdings die Masse in Anspruch genommen werden kann.

Die Wechselfähigkeit des Gemeinschuldners während des Konkurses führt aber dazu, daß die wechselrechtlichen Handlungen (Präsentation, Protest) nicht beim Masseverwalter, sondern bei ihm vorzunehmen sind (Bartsch - Pollak a.a.O. Band I S. 37, Lehmann, a. a.O. Band 1 S. 21) und daß der Gemeinschuldner nicht nur prozeßfähig, sondern auch verfügungsfähig bezüglich der nicht zur Konkursmasse gehörigen Wechselverbindlichkeit bleibt (Bartsch - Pollak a.a.O. Band I S. 37 Anm. 60, Fasching Komm. zu den Zivilprozeßgesetzen II S. 134). Der Beklagte (seinerzeitige Gemeinschuldner) bedurfte daher auch, da seine Verfügungsfähigkeit im Prozeß gegeben war, nicht der Vertretung durch den Masseverwalter, sodaß der vom Gericht zweiter Instanz angenommene Nichtigkeitsgrund nach § 477 (1) Z. 5 ZPO. nicht vorliegt.

Dem steht auch nicht entgegen, daß der Wechselzahlungsauftrag vom 28. September 1967 herrührt und die Aufhebung des Konkurses mit Beschluß vom 15. November 1967 erfolgte, weil auch während des Konkursverfahrens die Wechselklage auf Grund der von ihm eingegangenen Verpflichtung nur gegen den Beklagten (seinerzeitigen Gemeinschuldner), nicht auch gegen den Masseverwalter eingebracht werden konnte.

Da entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsauffassung weder die erstgerichtliche Entscheidung noch das ihr vorausgegangene Verfahren nichtig sind, vielmehr sowohl die Wechselfähigkeit als auch die Prozeß- und Verfügungsfähigkeit des Beklagten gegeben waren, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Gericht II. Instanz, da die Rechtssache im Sinne der Bestätigung des Ersturteils spruchreif erscheint, die sachliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen.

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