Spruch:
Wirksamkeit der vorher nach § 3 KO. relativ unwirksamen Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach Konkursaufhebung.
Wechselmäßige Haftung des nicht protokollierten Kaufmannes aus einem auf die von ihm tatsächlich geführte, von seinem Namen abweichende Firma, gezogenen, von ihm für diese Firma mit eigener Namensunterschrift akzeptierten Wechsel.
Entscheidung vom 10. Mai 1961, 6 Ob 145/61.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Beklagte, die ein Detailverkaufsgeschäft betrieben, aber dessen Geschäftsführung vollkommen ihrem Gatten Hans G. überlassen hatte, befand sich im Jahre 1957 in Zahlungsschwierigkeiten. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurde das Ausgleichsverfahren über ihr Vermögen eröffnet, der Ausgleich aber nicht bestätigt, der Anschlußkonkurs mangels Vermögens aufgehoben. Auf Ersuchen des Hans G. bezahlte der Kläger eine Warenschuld der Beklagten im Betrag von 11.615 S 53 g, ferner sechs Angestellten der Beklagten auf Rechnung ihres rückständigen Gehaltes je 300 S. Hans G. versuchte, eine Forderung der von ihm vertretenen Firma E. zu verkaufen. Der Kläger gewann als Interessenten für diesen Forderungskauf den Rudolf K., der außer 10.000 S in bar drei Wechsel zur späteren Anrechnung auf den Kaufpreis für die Forderung dem in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen G. übergab. Diese Wechsel wiesen als Bezogenen den "Graphischen Dienst, Nürnberg" auf; dem Akzept dieses Bezogenen war die Unterschrift "August F." beigesetzt. G. und der Kläger versuchten vergeblich, diese Wechsel eskomptieren zu lassen. Nach in Deutschland angestellten Nachforschungen erklärte G., daß die Wechsel nichts wert seien. Er war zunächst einverstanden, daß sich der Kläger einen dieser drei Wechsel über 15.700 DM als Deckung seiner aus diesem Geschäft entstandenen Kosten zurückbehielt. Ein späteres Begehren des G. auf Rückgabe des Wechsels im März 1958 lehnte der Kläger ab und übergab den Wechsel dem Alfred, W. zur Sicherstellung einer Forderung desselben gegen den Kläger. W. verlangte von Rudolf K. Zahlung des Wechsels, weil sich K. bei Übergabe der Wechsel als Alleininhaber des "Graphischen Dienstes, Nürnberg" und die Unterschrift des F. als reine Formalität bezeichnet hatte. Da K. dem W. erklärte, daß der "Graphische Dienst, Nürnberg" keine protokollierte Firma und August F. nur sein Angestellter sei, wurde das Anbot des K. angenommen, einen Ersatzwechsel auszustellen. K. stellte diesen Ersatzwechsel über 50.000 S (richtig über 96.555 S) aus. Der D-Mark-Wechsel wurde hierauf in Anwesenheit des Klägers, des W. und des K. vernichtet. Auf den Schillingwechsel sind bisher keine Zahlungen eingegangen. August F. hat bis Ende 1955 in Nürnberg ein nicht im Handelsregister eingetragenes Unternehmen betrieben und hat sich dabei der Bezeichnung "August F., Graphischer Dienst, Nürnberg" bedient. K. hat im Auftrag des F. im Laufe des Jahres 1955 die Führung dieses Unternehmens und ab 1. Jänner 1956 das Unternehmen selbst übernommen. F. hat drei Wechsel als Blankoakzepte noch im Jahr 1955 dem K. zwecks Ankaufes eines Kraftwagens für das Unternehmen übergeben.
Das Erstgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 13.414 S 53 g s. A. verurteilt und ausgesprochen, daß die von der Beklagten aufrechnungsweise eingewendete, ihr angeblich von ihrem Gatten zedierte Gegenforderung von 15.700 DM aus dem Titel des Schadenersatzes, weil der Kläger unberechtigterweise den D-Mark-Wechsel in diesem Betrag in einen uneinbringlichen Schillingwechsel umgetauscht habe, nicht zu Recht bestehe. Dieser Ausspruch wird damit begrundet, dem G. sei bekannt gewesen, daß der Schuldner aus dem D-Mark-Wechsel dem Gründe nach K. und nicht F. gewesen sei; ein Schaden sei ihm durch den Wechselumtausch nicht entstanden.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben. Die Gegenforderung bestehe schon deshalb nicht zu Recht, weil nicht vorgebracht worden sei, worin das einen Schadenersatzanspruch begrundende Verschulden des Klägers bestehen solle. G. habe ja selbst erklärt, daß die D-Mark-Wechsel wertlos seien.
Der Oberste Gerichtshof hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beklagte kann sich auf ihre durch die Konkurseröffnung beschränkte Verpflichtungsfähigkeit nicht berufen. Von der Konkursaufhebung an sind nämlich alle vorher vom Gemeinschuldner vorgenommenen Rechtshandlungen, die nach § 3 KO. relativ unwirksam waren, nunmehr wirksam. Die Unwirksamkeit solcher Rechtshandlungen dauert nicht über den Konkurs hinaus, weil die Unwirksamkeit nur den Konkursgläubigern gegenüber besteht, mit Aufhebung des Konkurses aber keine Konkursgläubiger mehr vorhanden sind (vgl. Bartsch - Pollak, KO., AO., AnfO., 3. Aufl. I S. 49 Anm. 6 zu § 3 KO., S. 314 Anm. 2 zu § 59 KO.). Ob die vom Kläger bezahlte Warenschuld Kommissionswaren betroffen hat, ist gleichgültig.
Die Revision ist hingegen insoweit berechtigt, als sie sich gegen die Entscheidung über die Gegenforderung richtet. In dieser Hinsicht ist das Verfahren noch nicht spruchreif.
Wenn von der Feststellung ausgegangen wird, G. sei damit einverstanden gewesen, daß sich der Kläger den Wechsel über 15.700 DM als Deckung für seine Kosten zurückbehielt, so schließt diese Zustimmung des G. noch nicht die Ermächtigung des G. an den Kläger in sich, durch Vernichtung des Wechsels für Rechnung des G. auf die wechselmäßigen Ansprüche gegen eine der aus dem Wechsel verpflichteten Personen zu verzichten. Allein in der Erklärung des G., der Wechsel sei wertlos, ist ein solcher Verzicht ebenfalls nicht gelegen. Hat demnach der Kläger mit Wissen und Willen durch Vernichtung des Wechsels ohne Ermächtigung durch G. solche wechselmäßige Ansprüche aufgegeben, dann haftet er gemäß § 1035 ABGB. für alle Folgen. Dem Berufungsgericht kann darin nicht gefolgt werden, daß die Beklagte diesbezüglich ein Verschulden des Klägers dartun müßte - immer vorausgesetzt, daß G. nach Art. 16 WG. 1955 überhaupt aus dem Wechsel berechtigt war, was ebenfalls noch erörterungsbedürftig ist.
Es kann aber auch dem Erstgericht darin nicht gefolgt werden, schon jetzt stehe ohne weitere Erörterung fest, daß durch die Vernichtung des Wechsels ein Schaden nicht eingetreten sei. Die bisherigen Feststellungen reichen keinesfalls zur Annahme aus, G. habe den D-Mark-Wechsel im Sinne des Art. 10 WG. 1955 in bösem Glauben erworben, oder es seien wechselmäßige Ansprüche gegen August F. oder die Einbringlichkeit solcher Ansprüche zu verneinen. Daß eine nichtprotokollierte Firma nicht wechselfähig ist, schließt nicht aus, daß der Kleinkaufmann, der eine von seinem bürgerlichen Namen abweichende Firma tatsächlich führt und mit eigenhändiger Namensunterschrift den Wechsel für die Firma gezeichnet hat, wechselmäßig haftet (GerH. 1876 S. 294; Stranz, WG., 14. Aufl. S. 50 Anm. 18 zu Art. 1). Abweichungen von der richtigen Namensangabe sind für die wechselmäßige Haftung unschädlich, wenn dadurch kein Zweifel an der Identität begrundet wird (Stranz a. a. O.), wenn die Identität nachweisbar ist (Stranz a. a. O. S. 52 Anm. 26 zu Art. 1). Auch eine unwesentliche Abweichung des Akzeptes vom Namen des Bezogenen schadet nicht, und unwesentlich ist eine Abweichung, die im Zusammenhang mit dem Umstand, daß der Annehmer sich durch die Annahme als Bezogener bekannt hat, nur als ungenaue Bezeichnung des Bezogenen erscheint, ohne ernstlich Zweifel an der Identität des Bezogenen und des Akzeptanten zu wecken (Stranz a. a. O. S. 176 f. Anm. 7 a und 8 zu Art. 25, mit Judikaturangabe). Daher kann nicht gesagt werden, daß F. schon nach dem Inhalt der Wechselurkunde dem G. nicht gehaftet hätte - vorausgesetzt, daß, was noch festzustellen wäre, die Unterschrift des F. auf dem D-Mark-Wechsel echt war, und vorausgesetzt, daß G. überhaupt aus dem Wechsel berechtigt war. Auch die wechselmäßige Haftung des Ausstellers des vernichteten D-Mark-Wechsels gegenüber G. wäre zu erörtern.
Da somit die Gegenforderung noch nicht zur Entscheidung reif ist und ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den in der Klage geltend gemachten Forderungen und der eingewendeten Gegenforderung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, war mit der Aufhebung der untergerichtlichen Urteile in ihrem ganzen Umfang vorzugehen.
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