OGH 9ObA248/92

OGH9ObA248/9213.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Roman Merth und AR Winfried Kmenta in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** Vertragslehrer, ***** vertreten durch ***** Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, ***** dieser vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Land Oberösterreich, vertreten durch ***** Rechtsanwälte ***** wegen 1.868,54 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Juli 1992, GZ 12 Ra 55/92-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.Dezember 1991, GZ 24 Cga 159/91-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.599,36 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 266,56 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 12.September 1988 bei der beklagten Partei als Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L an der Hauptschule I in ***** beschäftigt. Für das Schuljahr 1990/91 war die Lehrverpflichtung des Klägers mit 20,7 Wochenstunden festgelegt. Im Zeitraum vom 18.September 1990 bis 11.Jänner 1991 leistete der Kläger auf Anordnung des Direktors der Hauptschule über seine Lehrverpflichtung hinaus 10 Supplierstunden in Vertretung für verhinderte Kollegen, die nie länger als drei Tage abwesend waren. Diese 10 Vertretungsstunden wurden nicht finanziell abgegolten.

Der Kläger begehrt 1.868,54 S brutto sA als Abgeltung für die geleisteten Supplierstunden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß Supplierstunden erst nach einer ununterbrochenen Vertretungsdauer von drei Tagen zu entlohnen seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß § 45 Abs 3 VBG dem Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L für jede Stunde einer Vertretung 1,92 vH der für die entsprechende Jahreswochenstunde gebührenden Jahresentlohnung zubillige und damit eine von § 61 Abs 5 GehG abweichende Regelung im Sinne des § 45 Abs 1 VBG treffe; in dieser Bestimmung sei eine solche Vergütung nur bei einer drei aufeinanderfolgende Kalendertage übersteigenden Verhinderung vorgesehen. Dies sei auch sachgerecht, weil die Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L keine Monatsentlohnung erhielten, sondern nur die im Vertrag festgesetzten Wochenstunden mit einer Jahresentlohnung abgegolten würden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Auch wenn der Gesetzgeber nach den Gesetzesmaterialien nicht beabsichtigt habe, die nunmehr auch zur Leistung von Supplierstunden verpflichteten Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L hinsichtlich der Voraussetzungen des § 61 Abs 5 GehG anders zu behandeln als die Lehrer des Entlohnungsschemas I L, sei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes mit § 45 Abs 3 2.Satz VBG eine abweichende Ausnahmeregelung geschaffen worden. Gelange der Auslegende ohne Heranziehung der Entstehungsgeschichte und des Motivenberichtes aufgrund des klaren Wortlautes des Gesetzes zu einem eindeutigen Ergebnis, sei dieses maßgeblich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 45 VBG erhielt seine nunmehrige Fassung durch die Novelle BGBl 1989/345. Vorher konnten nur Vertragslehrer des Entlohnungsschemas I L zu Supplierstunden herangezogen werden. Nach § 45 Abs 1 VBG ist, soweit die folgenden Absätze nicht anderes bestimmen, § 61 GehG auf Vertragslehrer sinngemäß anzuwenden. § 61 Abs 5 GehG sieht vor, daß eine Vergütung für die Vertretung nur dann gebührt, wenn der vertretene Lehrer mehr als drei aufeinanderfolgende Kalendertage verhindert ist. Hingegen sieht § 45 Abs 3 2.Satz VBG vor, daß dem zur Vertretung herangezogenen Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L für jede Stunde einer solchen Vertretung 1,92 vH der für eine entsprechende Jahreswochenstunde gebührenden Jahresentlohnung zusteht. Damit wurde, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, eine von § 61 Abs 5 GehG abweichende Regelung im Sinne des § 45 Abs 1 VBG über die Entlohnung der Vertretungstätigkeit der Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L getroffen. In den EB zur RV (967 BlgNR 17. GP 5) wird lediglich dargelegt, wie der Satz von 1,92 % ermittelt wurde und im Zusammenhang damit darauf hingewiesen, daß es durch diesen anderen Berechnungsmodus nicht zu inhaltlichen Unterschieden bezüglich des Ausmaßes der auszuzahlenden Vergütung in den beiden Entlohnungsschematas kommen solle. Eine Absicht, die Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L hinsichtlich der Anspruchsbeschränkungen des § 61 Abs 5 GehG so wie die Lehrer des Entlohnungsschemas I L zu behandeln, ist den EB nicht zu entnehmen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin läßt der Hinweis in den Materialien zum unterschiedlichen Berechnungsmodus der Mehrdienstleistungen der Lehrer der Entlohnungsschemata I L und II L, daß "es jedoch dadurch" (nicht) "zu inhaltlichen Unterschieden betreffend das Ausmaß der auszuzahlenden Vergütung in den beiden Entlohnungsschemata kommt", nicht den zwingenden Schluß zu, daß auch in anderen Belangen als dem Berechnungsmodus eine völlig gleichartige Gestaltung der Vergütung erfolgen sollte.

Für die beklagte Partei wäre aber aber auch nichts gewonnen, wenn sich aus den Materalien ergäbe, daß eine in allen Belangen einheitliche Gestaltung der Vergütung für Vertretungstätigkeit beabsichtigt gewesen wäre. Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals

ausgesprochen hat (SZ 22/1; SZ 39/103; SZ 45/41; JBl 1987, 647 = ÖBl

1987, 136 = MR 1987, 212 [M. Walter] ua), ist bei der Auslegung eines Gesetzes auf dessen Entstehungsgeschichte und dabei insbesondere auf die sogenannten "Gesetzesmaterialien" erst (und nur) dann zurückzugreifen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft ist. Nach herrschender Ansicht steht die Norm selbst mit ihrem Wortlaut, mit ihrer Systematik und ihrem Zusammenhang mit anderen Normen über der Meinung der Redaktoren (JBl 1987, 647 mwH). Wie bereits ausgeführt wurde, bestimmt § 45 Abs 3 2.Satz VBG für Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L, daß die mit einem Prozentsatz der Entlohnung für die Jahreswochenstunde festgelegte Vergütung für jede Stunde einer solchen Vertretung gebührt und enthält damit eine nach § 45 Abs 1 VBG ausdrücklich zu beachtende, von § 61 Abs 5 GehG abweichende Regelung. Damit ist das Gesetz so eindeutig formuliert, daß es einer Bedachtnahme auf die Absicht des (historischen) Gesetzgebers von vorneherein nicht bedarf.

Gegen die Ungleichbehandlung der Vertragslehrer nach den Entlohnungsschemata I L und II L bestehen auch aus der Sicht des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes keine Bedenken; die ungleiche Behandlung bei der Honorierung der Vertretungstätigkeit erscheint vielmehr sachlich gerechtfertigt. In das Entlohnungsschema II L sind gemäß § 39 Abs 2 VBG neben Vertragslehrern mit einer dauernden Beschäftigung von nicht mehr als 10 Wochenstunden vor allem nur zur Vertretung oder sonst für eine vorübergehende Verwendung - in der Regel befristet - aufgenommene Vertragslehrer einzureihen. Die Dienstverhältnisse dieser Lehrer weichen wegen der nach der Ausnahmebestimmung des § 38 Abs 3 VBG im Interesse des Dienstgebers zulässigen Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse vom Regelfall der nicht befristeten, ab dem zweiten Beschäftigungsjahr gemäß § 32 Abs 1 VBG kündigungsgeschützten Dienstverhältnissen wesentlich zu Ungunsten dieser Dienstnehmer ab und setzten die meist eine dauernde Beschäftigung anstrebenden Vertragslehrer einem erheblichen Anpassungsdruck aus; die vom Gesetzgeber zugunsten dieser Gruppe bezüglich der Vergütung kurzer Vertretungstätigkeiten vorgenommene Differenzierung ist daher sachlich gerechtfertigt (vgl DRdA 1992, 447 [zustimmend Wachter]). Ähnliche Erwägungen gelten auch für die in das Entlohnungsschema II L eingereihten Vertragslehrer mit einer Beschäftigung von nicht mehr als 10 Wochenstunden; da ihre Arbeitskraft vom Dienstgeber nicht voll in Anspruch genommen und entlohnt wird, ist auch ihnen eine unentgeltliche Vertretungstätigkeit weniger zumutbar als den dauernd vollbeschäftigten Lehrern.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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