OGH 2Ob521/92

OGH2Ob521/9225.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Adele P*****, vertreten durch Dr.Johannes Hock sen. und Dr.Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Erwirkung von Handlungen infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgerichtes vom 6.November 1990, GZ R 580/90-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Amstetten vom 10.Juli 1990, GZ C 318/90 -22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem auf Feststellung der Mietrechte der klagenden Gesellschaft an dem im Haus der Beklagten gelegenen Geschäftslokal (bisher Videothek) und Verschaffung des ungehinderten Zuganges zu diesem Geschäftslokal gerichteten Klagebegehren statt. Auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen erachtete es die bestrittene Aktivlegitimation der Klägerin als gegeben, weil es eine stillschweigende Zustimmung der Beklagten zum Eintritt der Klägerin in das von der Beklagten im Jahr 1969 mit der "Firma Johann E***** Witwe" abgeschlossenen Mietvertrag annahm. Da die Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend auf das ihr im Jahre 1985 infolge eines Tausches von Bestandräumlichkeiten eingeräumte Recht auf entgeltliche Benützung der "ehemaligen Videothek" verzichtet habe, sei die Beklagte verpflichtet, der klagenden Gesellschaft die in Erwartung eines weiteren Tausches von Bestandräumlichkeiten dem in Aussicht genommenen Mieter überlassene "ehemalige Videothek" wieder zur Verfügung zu stellen, wobei die inzwischen vorgenommene Weitervermietung nicht die Unmöglichkeit der begehrten Leistung bewirke.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von der Beklagten gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge, wobei es aussprach, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte - auch unter Bedachtnahme auf den Inhalt des Mietvertrages aus dem Jahr 1969, wonach die Vereinbarungen dieses Vertrages auf die Rechtsnachfolger beider Vertragspartner übergehen - die vom Erstgericht vorgenommene Beurteilung des Verhaltens der Beklagten als stillschweigende Zustimmung zum Eintritt der Klägerin in das im Jahr 1969 begründete Mietverhältnis und damit die vom Erstgericht als gegeben angenommene Aktivlegitimation der klagenden Gesellschaft. Auch die Ansicht des Erstgerichtes, daß die "Videothek" im Rahmen eines Tausches von Räumlichkeiten der klagenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt und dafür auch anteilsmäßig Mietzins bezahlt worden sei, also diesbezüglich nicht bloß ein Prekarium vorliege, sei ebenso unbedenklich, wie die Ablehnung der Annahme einer Beendigung des Mietverhältnisses hinsichtlich der Videotheksräume durch das Erstgericht. Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes hielt das Berufungsgericht im Hinblick auf die Bestimmung des § 502 Abs 3 Z 2 ZPO als entbehrlich. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß die Frage, ob hier die klagende Partei Mieterin geworden und damit aktiv klagslegitimiert sei, als solche im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO angesehen werden könne.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 508 a Abs 1 ZPO ist das Revisionsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hier nicht vor. Fehlt eine erhebliche Rechtsfrage, so kann sich der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Es entspricht der Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß der Oberste Gerichtshof einerseits grundsätzlich nur mit wichtigen, zumindest potentiell für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsamen Rechtsfragen befaßt werden soll, anderseits aber auch die Einzelfallgerechtigkeit hinreichend zu wahren ist (Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs)Recht, ÖJZ 1983, 177 unter Hinweis auf den Ausschlußbericht). Dementsprechend ist die Anwendung von vom Berufungsgericht richtig dargestellten Rechtsgrundsätzen auf einen konkreten Einzelfall, bezüglich dessen kaum anzunehmen ist, daß er in dieser Form auch weiteren Rechtsstreitigkeiten zugrundeliegen wird, grundsätzlich nicht revisibel (vgl 7 Ob 30/87; 6 Ob 528, 1503/88; VersRdSch 1989, 60; 2 Ob 53/89; 7 Ob 558/89; 3 Ob 601/90 ua). Die Zulässigkeit der Revision hat in solchen Fällen zur Voraussetzung, daß dargetan wird, aus welchen Gründen der Entscheidung über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung zukommt (8 Ob 88/87; 2 Ob 53/89).

In Lehre und Rechtsprechung ist unbestritten, daß es für die Anwendung des § 863 ABGB stets auf das Gesamtverhalten der Vertragsteile und die Umstände des Einzelfalles ankommt (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 863; Apathy in Schwimann, ABGB IV/1, Rz 7 zu § 863 samt Rechtsprechungshinweis). Die Vorinstanzen haben sowohl zur Frage des Eintrittes der klagenden Gesellschaft in den im Jahr 1969 abgeschlossenen Mietvertrag als auch der Art des Benützungsrechtes der klagenden Gesellschaft an den Räumlichkeiten der "ehemaligen Videothek" und der Frage der Beendigung dieses Bestandverhältnisses eingehend Stellung genommen und die für ihre Beurteilung herangezogenen Umstände im einzelnen dargetan. Aus welchen Gründen der Entscheidung über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung zukommen sollte, wird von der Revisionswerberin nicht dargetan. Da die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung - von der für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Feststellungsgrundlage ausgehend - den Grundsätzen des Gesetzes und der Logik nicht widerspricht (vgl Petrasch, Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1985, 298), kann auch nicht gesagt werden, die Zulassung der Revision erschiene zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erforderlich.

Insoweit die Revisionwerberin in ihrer Rechtsrüge die Unschlüssigkeit der Klage und die Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens sowie des unter Punkt 2. genannten Klagebegehrens geltend macht, zeigt sie ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage (des Verfahrensrechtes) auf. Bei der Frage der Schlüssigkeit der Klage geht die Revision nämlich nicht vom gesamten Vorbringen der klagenden Partei hinsichtlich der näheren Umstände, unter welchem sie die "ehemalige Videothek" zur Verfügung stellte, nämlich im Zuge des in Aussicht genommenen Tausches von Bestandräumlichkeiten, aus. Von einem vom Berufungsgericht vernachlässigten widersprüchlichen Klagevorbringen kann daher keine Rede sein. Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens übersieht die Revisionswerberin, daß die Feststellungsklage überall dort zuzulassen ist, wo mit der Leistungsklage nur einzelne, aus einem Dauerschuldverhältnis resultierende Ansprüche geltend gemacht werden können, das Begehren auf Feststellung dazu geeignet ist, die rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien ein für alle Mal klarzustellen, die objektive Ungewißheit über das Bestehen und den Umfang des Anspruches zu beseitigen und auf diese Weise künftige Leistungsprozesse abzuschneiden (MietSlg 40.775 samt Rechtsprechungshinweis). Da das vorliegende Feststellungsbegehren geeignet ist, für die Zukunft zwischen den Streitteilen Klarheit über die von der klagenden Gesellschaft behauptete Verletzung des Mietvertrages durch die Beklagte zu schaffen, ist das vorliegende Feststellungsbegehren auch neben dem unter Punkt 2. gestellten Leistungsbegehren zulässig.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erweist sich die Revision als unzulässig, weshalb sie ungeachtet deren Zulassung durch das Berufungsgericht zurückgewiesen werden mußte.

Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, steht ihr für ihre Beteiligung am Revisionsverfahren kein Kostenersatzanspruch zu.

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