OGH 7Ob558/89

OGH7Ob558/8918.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weiter Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kenneth W***, Privater, Wien 7., Siebensterngasse 31, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Sonja D***, Transportunternehmerin, Himberg-Velm, Tulpenstraße 3, 2.) M*** T***, Gesellschaft mbH, St. Corona am Schöpfl, Neuwald 37, beide vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 100.000,-- s. A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.November 1988, GZ 1 R 222/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 8.August 1988, GZ 20 Cg 210/87-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Auf dem Transport von Wien-Vösendorf nach London wurden 11 Klaviere des Klägers beschädigt. Der Kläger behauptet einen Schaden von S 320.000,-- und begehrt den Ersatz eines Teilbetrages von S 100.000,-

- s.A. von den beklagten Parteien. Die Erstbeklagte sei mit dem Transport beauftragt gewesen und habe eine Garantieerklärung abgegeben. Sie habe auch den Auftrag zur Verpackung gehabt, die Klaviere seien jedoch nicht ordnungsgemäß verpackt worden. Die zweitbeklagte Partei habe das Unternehmen der Erstbeklagten übernommen.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruchs ein und erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht besteht. Nach seinen Feststellungen betrieb die Erstbeklagte seit 14.Februar 1985 mit dem Standort Wien 6., Königsklostergasse 10/22 das Gewerbe der Güterbeförderung. Ihr Lebensgefährte Josef P*** war bei ihr als leitender Angestellter beschäftigt. Der Kläger hatte bei dem Wiener Klaviermacher Johann N*** 11 Klaviere reparieren lassen und beauftragte diesen nach Durchführung der Reparatur, den Rücktransport der Klaviere nach London zu organisieren. Johann N*** fragte bei Josef P*** namens des Klägers an, ob er den Rücktransport von Wien nach London durchführen könne, was Josef P*** bejahte. Johann N*** vereinbarte mit Josef P*** und der Erstbeklagten, daß die Klaviere von ihren Standorten abgeholt und zur Spedition D*** nach Vösendorf gebracht werden. Dort sollte die Zollabfertigung erfolgen. Der Transport nach London sollte mit einem LKW eines Bekannte des Josef P*** durchgeführt werden, wobei Josef P*** die Sendung begleiten sollte. Als Pauschalpreis wurde ein Betrag von S 47.000,-- vereinbart. Die Klaviere sollten spätestens am 21.Mai 1985 zu einer Versteigerung in London eintreffen. Am 15.Mai 1985 holte die Erstbeklagte die Klaviere von ihren Standorten ab. Anläßlich der Abholung unterfertigte sie eine vom Kläger vorbereitete Erklärung, Beilage D, mit folgendem Inhalt: "Ich, der unterzeichnete Klaviertransporteur, übernehme für die von Herrn Kenneth W*** mir übergebenen 12 Klaviere ..... volle Garantie für jeden Schaden, der durch den Transport nach London entstanden ist .....". Nach Unterfertigung dieser Urkunde bestand die Erstbeklagte darauf, daß verschiedene kleine Beschädigungen der Klaviere festgestellt und auf der Rückseite der Urkunde Beilage D vermerkt wurden. Der Kläger bezahlte bei der Abholung den vereinbarten Preis von S 47.000,-- an die Erstbeklagte. Die Klaviere wurden auf Schlitten aus Holz montiert und mit Wellpappe oder grobem Packpapier verschnürt. Sie wurden mit dem LKW der Erstbeklagten zur Spedition D*** gebracht und dort am 17.Mai 1985 übernommen. In der Folge ergaben sich Schwierigkeiten wegen der Papiere. Johann N***, der aus Gründen der Zollersparnis offiziell als Verkäufer auftrat, hatte zunächst in der Rechnung wahrheitsgemäß vermerkt, daß die Klaviere mit Elfenbeintastatur versehen sind. Da in diesem Fall der Ursprung des Elfenbeins nachzuweisen gewesen wäre, stellte er schließlich eine neue Rechnung mit dem Vermerk "Kunststoffklaviatur" aus. Durch die dadurch bedingte Verzögerung konnte ein Transport mit dem vorgesehenen Unternehmer nicht mehr erfolgen. Der von dem Bekannten des Josef P*** vorgesehene nächste Transport hätte aber ein rechtzeitiges Eintreffen der Klaviere nicht mehr gewährleistet.

Johann N*** wendete sich daher an die Spedition D*** und erteilte dieser im eigenen Namen den Auftrag, den Transport nach London durchzuführen. Am 25.Februar 1985 gab die Spedition D*** den Auftrag an die Spedition LKW-W*** weiter. Über Ersuchen der Spedition D*** waren die Erstbeklagte und Josef P*** beim Verladen der Klaviere auf den Auflieger der Spedition LKW-W*** anwesend. Die Erstbeklagte stellte dabei aus eigenem Antrieb Decken für eine zusätzliche Verpackung der Klaviere bei. Am 22.Mai 1985 legte die Spedition D*** an Johann N***

Rechnung über S 17.889,60. Johann N*** präsentierte die Rechnung dem Josef P***, der ihm den Rechnungsbetrag übergab, worauf Johann N*** die Rechnung bezahlte.

Die zweitbeklagte Partei wurde mit Notariatsakt vom 26.Juli 1985 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb eines konzessionierten Transportunternehmens. Der Gesellschafter Josef P*** wurde zum Geschäftsführer bestellt. Die Gesellschaft betreibt das Gewerbe mit dem LKW der Erstbeklagten und mit einem weiteren Auflieger. Sie übernahm das Büro der Erstbeklagten in der Königsklostergasse und auch deren Kundenstock. Am 6.Februar 1986 wurde anstelle des Josef P*** die Erstbeklagte zum Geschäftsführer bestellt.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes hafteten die beklagten Parteien aufgrund der von der Erstbeklagten abgegebenen Garantieerklärung ungeachtet des Umstandes, daß der Auftrag zum Transport nach London letztlich einem anderen Unternehmer erteilt worden sei. Das Gesamtverhalten der Erstbeklagten anläßlich der Weitergabe des Auftrages könne nur so verstanden werden, daß sie ihre Garantieerklärung auch unter den geänderten Verhältnissen aufrecht erhalte.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes sei Johann N*** aufgrund des ihm vom Kläger übertragenen Geschäftes der Besorgung des Transportes der Klaviere nach London als zum Abschluß der entsprechenden Rechtsgeschäfte bevollmächtigt anzusehen. Diese Vollmacht habe auch die Vertragsaufhebung umfaßt. Der von Johann N*** namens des Klägers mit der Erstbeklagten für die gesamte Strecke abgeschlossene Frachtvertrag sei hinsichtlich der Teilstrecke Vösendorf-London schlüssig wieder aufgehoben worden. Die von der Erstbeklagten abgegebene Garantieerklärung sei in Verbindung mit dem ursprünglich abgeschlossenen Gesamtfrachtvertrag abgegeben worden und könne nach den Auslegungsgrundsätzen des § 914 ABGB nur so verstanden werden, daß die Erstbeklagte nur für den Schaden hafte, der auf der Strecke eintrete, hinsichtlich der ihr die Beförderung obliege, nicht aber auch für Schäden aus der Beförderung durch einen anderen Frachtführer aufgrund eines vom Absender mit diesem selbst abgeschlossenen weiteren Frachtvertrages. Garantiefall sei demnach nur der Eintritt eines Schadens während des von der Erstbeklagten durchgeführten Transportes. Auf der Teilstrecke, auf der der Erstbeklagten die Beförderung oblag, sei der Schaden aber nicht eingetreten. Aus den Feststellungen ergebe sich zweifelsfrei, daß der Schaden während des von der Spedition LKW-W*** durchgeführten Transportes eingetreten sei. Eine Haftung der beklagten Parteien aufgrund der Garantieerklärung sei demnach nicht gegeben. Eine Haftung nach allgemeinem Schadenersatzrecht komme gleichfalls nicht in Betracht, weil es hier schon an einem entsprechenden Sachvorbringen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Die Beurteilung des Verhaltens der Beteiligten bei der Auftragserteilung an die Spedition D*** als konkludente Vertragsaufhebung des Frachtvertrages mit der Erstbeklagten für die Teilstrecke Vösendorf-London durch das Berufungsgericht entspricht den von Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen der Beurteilung eines Verhaltens als schlüssige Willenserklärung (vgl. Rummel in Rummel ABGB Rz 13 zu § 863 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; Koziol-Welser8 I 83). Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß der Erstbeklagten nur die Stellung eines Teilfrachtführers zukam (vgl. hiezu Schütz in Straube, HGB Rz 1 zu § 432). Auch die Auslegung der Garantieerklärung der Erstbeklagten entspricht den anerkannten Auslegungsregeln (vgl. Koziol, Der Garantievertrag 42; EvBl. 1977/229). Insoweit hat daher das Berufungsgericht die grundsätzlichen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit Lehre und Judikatur gelöst. Die Anfechtung richtet sich nur gegen die Anwendung auf den konkreten Einzelfall, ohne daß gesagt werden könnte, diese sei unlogisch oder mit dem Sprachgebrauch unvereinbar. Den Revisionsgegnern ist daher darin beizupflichten, daß insoweit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vorliegt (vgl. MietSlg. XXXVIII/32).

Zu Recht macht die Revision aber geltend, daß die Vorinstanzen den Klagegrund der mangelhaften Verpackung durch die Erstbeklagte vernachlässigten und dadurch einen wesentlichen Grundsatz des Verfahrensrechts verletzten. Der Verstoß gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze ist unter § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zu subsumieren. Die Verpackung obliegt zwar grundsätzlich nicht dem Frachtführer (7 Ob 196/69; vgl. auch Schlegelberger-Schroeder5 VI Rz 19 f zu § 429). Der Kläger hat aber - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - ausdrücklich die vertragliche Übernahme einer ausreichenden Verpackung durch die Erstbeklagte behauptet (ON 5 AS 14 Abs. 2). Das Vorbringen über die mangelhafte Verpackung (AS 18) enthält implicite auch die Behauptung der Ursächlichkeit bzw. Mitursächlichkeit dieses Mangels für den eingetretenen Schaden. Da dieser Klagegrund vom Erstgericht bisher überhaupt nicht zum Verhandlungsgegenstand gemacht wurde, erweist sich eine Aufhebung in die erste Instanz als notwendig.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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