Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Am 13.10.1983 stellte die beklagte Partei bei der klagenden Partei den Antrag auf Abschluß einer Vollkaskoversicherung für den PKW Ford Sierra unter Gewährung des Angestelltenrabattes. Die Geschäftsführerin der beklagten Partei Roswitha B*** war Angestellte der M*** V*** , einer Tochtergesellschaft der klagenden Partei. Die Versicherung sollte am 13.10.1983 beginnen und mit 1.11.1984 ablaufen. Am 1.11.1983 stellte die klagende Partei eine Versicherungspolizze für die beantragte Versicherung mit einer Jahresprämie von S 11.135 - ohne Angestelltenrabatt - aus, die der beklagten Partei innerhalb einer Woche ab Ausstellungsdatum zugestellt wurde. Roswitha B*** richtete daher auf einem Briefpapier der beklagten Partei am 22.1.1984 folgendes Schreiben an die klagende Partei:
"Als Mitarbeiterin der M*** W*** V***,
Landesdirektion Krems, habe ich bei Ihnen meine Kraftfahrzeuge unter Versicherungsschutz. Ich habe mir aufgrund des mir zustehenden Ermäßigungsbetrages, sprich Angestelltenrabatt, eine Vollkaskoversicherung für meinen Ford Sierra abgeschlossen. Nun habe ich ersehen, was ich bereits telefonisch mitgeteilt habe, daß mir der Angestelltenrabatt nicht gewährt wurde, daher nehme ich die Vollkaskoversicherung nicht in Anspruch. Die normale Haftpflichtversicherung für meinen PKW Sierra habe ich jedoch an Ihre Anstalt einbezahlt. Ich bitte daher dies richtigzustellen, mir entsprechende Polizzen zu senden und..."
Mit Antwortschreiben vom 8.2.1984 teilte die klagende Partei der beklagten Partei mit, daß eine Stornierung des Kaskoversicherungsvertrages nicht möglich sei. Eine Kündigung könne erst nach Bezahlung der Prämie erfolgen. Ein weiteres Schreiben der Roswitha B*** an die klagende Partei vom 9.2.1984 hat folgenden Wortlaut:
"Ich habe unter der Voraussetzung, daß ich als Angestellte der M*** V*** den mir zustehenden Angestelltenrabatt erhalte, diese Versicherung abgeschlossen. Ich bin nur unter der Voraussetzung, daß mir der zustehende Rabatt gewährt wird, bereit, die Versicherungspolizze zu akzeptieren und zu bezahlen...."
Die Erstprämie wurde von der beklagten Partei am 14.3.1984 bezahlt.
Nach Art.8 I der Allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (AKIB) verlängert sich der Vertrag jeweils um ein Jahr, wenn die vereinbarte Vertragsdauer mindestens ein Jahr beträgt und der Vertrag nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wird. Die klagende Partei begehrt die Versicherungsprämie für zwei folgende Versicherungsperioden zuzüglich je S 100 Auslagenersatz, zusammen S 22.370 samt stufenweisen Zinsen. Nach dem Standpunkt der beklagten Partei sei das Versicherungsverhältnis rechtswirksam gekündigt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 22.270 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 100 s.A. ab.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes liege eine wirksame Kündigung nicht vor. Aus den Schreiben der beklagten Partei ergebe sich, daß diese eine rückwirkende Vertragsaufhebung angestrebt habe. Eine Umdeutung dieser Schreiben in eine Kündigung komme nicht in Betracht, weil sie nicht dem Willen der beklagten Partei entspräche. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Eine Kündigung sei eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die zweifelsfrei erkennen lasse, daß eine Lösung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft gewünscht werde. Nach dem Inhalt des Schreibens der beklagten Partei vom 22.1.1984 könne es nicht zweifelhaft sein, daß die beklagte Partei jedenfalls hilfsweise eine Auflösung des Vertragsverhältnisses zum nächsten Termin angestrebt habe. Das Berufungsgericht erklärte die Revision mit der Begründung für zulässig, daß der Frage, ob in der Bestreitung des wirksamen Abschlusses eines Versicherungsvertrages auch eine Kündigung gelegen sei, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zukomme. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs.3 ZPO nicht gebunden (§ 508 a Abs.1 ZPO).
Nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO ist bei einem S 300.000 nicht übersteigenden Streitwert die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Kasuistik des Einzelfalles schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung im Sinne dieser Grundsätze aus. Wurden die grundsätzlichen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der Lehre und der Judikatur gelöst, wird diese Lösung gar nicht bekämpft und richtet sich die Anfechtung nur gegen die zu der richtigen Lösung der grundsätzlichen Rechtsfragen nicht in einem unlösbaren Widerspruch stehende Anwendung auf einen konkreten Einzelfall, sind diebezüglich die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO für die Zulässigkeit einer Revision nicht gegeben (7 Ob 701/86).
Im vorliegenden Fall wird die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über den Inhalt einer Kündigungserklärung von der Revision nicht in Zweifel gezogen und zutreffend darauf hingewiesen, daß die Bedeutung einer Willenserklärung grundsätzlich am Empfängerhorizont zu messen ist (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 914 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Revision versucht lediglich unter Anwendung dieser Grundsätze der Erklärung der beklagten Partei eine andere Bedeutung beizumessen. Es geht also nicht um die Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage, sondern nur um die Anwendung der vom Berufungsgericht und von der Revision richtig dargestellten Rechtsgrundsätze über den Inhalt einer Kündigung und die Auslegung einer Willenserklärung auf einen konkreten Einzelfall, bezüglich dessen kaum anzunehmen ist, daß er in dieser Form weiteren Rechtsstreitigkeiten zugrundeliegen wird. Nach den oben dargelegten Grundsätzen liegt somit eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO nicht vor.
Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, war die Revisionsbeantwortung nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienlich. Für sie gebührt daher kein Kostenersatz.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)