OGH 9ObA1/92

OGH9ObA1/9229.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Heinrich Dürr in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** N*****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, wider die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. ***** und Dr. *****, Rechtsanwälte in *****, wegen Zahlung, Widerruf und Unterlassung (Streitwert S 1,403.476,46) infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1991, 5 Ra 173/91, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. August 1991, 46 Cga 114/91-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen. Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger war seit 1. 2. 1988 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Er wurde am 5. 4. 1991 entlassen. Seither ist er im selben Geschäftszweig wie seine frühere Dienstgeberin selbständig tätig. Er begehrt von der Beklagten an Kündigungsentschädigung, Provisionen, Reisespesen und Überstunden S 1,303.476,46 sA; da die Beklagte verschiedenen Geschäftspartnern mit Schreiben vom 5. 4. 1991 mitgeteilt habe, daß sie sich vom Kläger "wegen verschiedener Unkorrektheiten trennen mußte", diese Behauptung aber unwahr sei, beantragte der Kläger den Widerruf dieser Behauptung gegenüber den jeweiligen Empfängern des erwähnten Schreiben.

Mit Schriftsatz vom 12. 8. 1991 erhob der Kläger das weitere Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die (mit dem Schreiben vom 13. 6. 1991 aufgestellte) Behauptung zu unterlassen, sie habe gegen den Kläger eine gerichtliche Untersuchung einleiten lassen müssen. Diese unwahre Behauptung werde von der Beklagten gegenüber Geschäftspartnern (an die sich auch der Kläger als Mitbewerber wende) zu dem Zweck aufgestellt, dem Kläger dadurch zu schaden.

Zur Sicherung dieses Teiles des Klagebegehrens beantragte der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Behauptung zu verbieten, sie hätte gegen den Kläger wegen einer Reihe von Unkorrektheiten eine gerichtliche Untersuchung einleiten lassen müssen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, weil der Kläger die Unwahrheit der Behauptung der Beklagten nicht bescheinigt habe. Die Behauptung, die Beklagte habe eine gerichtliche Untersuchung einleiten lassen, entspreche im Hinblick auf das gegenständliche arbeitsgerichtliche Verfahren der Wahrheit, weil sie nicht im engen Sinn der Einleitung eines Strafverfahrens zu verstehen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Gegners "bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites". Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes seien alle Voraussetzungen des § 7 UWG gegeben. Auch im Provisorialverfahren habe der Gegner der gefährdeten Partei die Wahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptung durch geeignete Gegenbescheinigungsmittel glaubhaft zu machen. Zu einer solchen Gegenbescheinigung habe es im Hinblick auf das einseitig geführte Provisorialverfahren nicht kommen können.

Nach der Erhebung des Revisionsrekurses durch die Beklagte schränkte der Kläger im Hauptverfahren das Klagebegehren um das nachträglich erhobene Unterlassungsbegehren "infolge mittlerweile vorliegender einstweiliger Verfügung mangels eines weiteren Rechtschutzinteresses" ein. Die Beklagte beantragte die Aufhebung der von der zweiten Instanz erlassenen einstweiligen Verfügung. Der Kläger sprach sich gegen diesen Antrag aus. Das Erstgericht hat über diesen Antrag noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist trotz Einschränkung des Klagebegehrens um den durch die EV gesicherten Teil zulässig; das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 399 Abs 1 Z 4 EO kann die Aufhebung oder Einschränkung der getroffenen Verfügung beantragt werden, wenn der Anspruch der gefährdeten Partei, für welche die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, berichtigt oder rechtskräftig aberkannt oder dessen Erlöschen rechtskräftig festgestellt wurde. Da § 399 EO die Aufhebungsgründe nicht taxativ aufzählt (Heller-Berger-Stix 2889; SZ 25/43; EvBl 1963/290; SZ 60/60; JBl 1989, 393 ua), ist § 399 Abs 1 Z 4 EO auf den Fall der Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht sinngemäß anzuwenden; der EV wird dadurch die Grundlage entzogen. Dies hat zur Folge, daß die einstweilige Verfügung aufzuheben ist. Dasselbe gilt (1 Ob 601/82; 4 Ob 586/83; 4 Ob 122/89) obwohl die ZPO zwischen den Wirkungen der Klagerücknahme (§ 237 Abs 1 ZPO) und der Klageeinschränkung (§ 235 Abs 4 ZPO) deutlich unterscheidet (siehe aber zu dieser Streitfrage im Schrifttum Fasching Lehrbuch2 Rz 1228) - wenn die einstweilige Verfügung nur einen Teil des erhobenen Klagebegehrens sichert und das Klagebegehren um diesen Teil eingeschränkt wird und darin ein Teilverzicht liegt. Hiebei ist jedoch zu beachten, daß die Rechtsprechung bei einer Einschränkung (jedenfalls im Regelfall) einen Teilverzicht nicht annimmt (JBl 1960, 383; EvBl 1970/298; NRSp 1988/102; siehe auch Fasching aaO), was aber nicht ausschließt, daß er sich aus der Begründung, mit der die Einschränkung erfolgt ist, in einzelnen Fällen ergeben kann.

Im vorliegenden Fall ist ein solcher Verzicht nicht erklärt worden. Selbst wenn aber der einstweiligen Verfügung durch die Klageeinschränkung die Grundlage entzogen wurde, erlischt sie, ebenso wie einstweilige Verfügungen, bei denen die Frist, für die sie bewilligt wurden, abgelaufen ist, nicht von selbst. Sie bedarf vielmehr einer Aufhebung durch das Gericht (SZ 25/43; GesRZ 1978, 82; SZ 53/175; ÖBl 1988, 15; JBl 1989, 393). Auch für den Fall der Aberkennung des gestellten Hauptanspruches wurde dies bereits ausgesprochen (1 Ob 509/84). Da von der Berechtigung der EV allenfalls die Begründung von Ersatzansprüchen nach § 394 EO abhängt (ÖBl 1971, 98; GesRZ 1981, 102) ist ein Rechtsmittel des Antragsgegners trotz Vorliegens eines Aufhebungsgrundes nach § 399 EO meritorisch zu erledigen, solange die einstweilige Verfügung nicht aufgehoben ist.

Die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, daß das Arbeits- und Sozialgericht "für die Entscheidung der EV und des Unterlassungsbegehrens" nicht zuständig sei, ist verfehlt. Ob ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch, den ein ausgeschiedener Arbeitnehmer, der (unmittelbar) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Geschäftszweig seines früheren Arbeitgebers eine selbständige geschäftliche Betätigung beginnt, mit dem früheren Arbeitsverhältnis im Sinne des § 50 Abs 1 Z 1 ASGG im Zusammenhang steht und insbesondere deshalb eine Nachwirkung dieses Arbeitsverhältnisses ist (dazu ausführlich Kuderna ASGG 258), weil der Arbeitgeber zu potentiellen Kunden seines früheren Arbeitnehmers unwahre Behauptungen über die Gründe der Lösung des Arbeitsverhältnisses aufstellt, kann diesmal auf sich beruhen. Die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof als Arbeits- und Sozialgericht oder in anderer Funktion zu entscheiden hat, ist (ausgenommen im Verhältnis zum ASG Wien und zum Handelsgericht Wien) eine Frage der unrichtigen Gerichtsbesetzung. Auch wenn in einer Arbeits- und Sozialrechtssache gegen die Vorschriften über die Gerichtsbesetzung verstoßen worden ist oder über eine Rechtssache, die keine Arbeits- und Sozialrechtssache ist, ein Senat entschieden hat, der nach den Vorschriften des ASGG zusammengesetzt war, ist gem § 37 Abs 1 ASGG § 260 Abs 4 ZPO sinngemäß anzuwenden, sofern die Parteien zur Zeit des Verstoßes durch qualifizierte Personen (§ 40 Abs 1 ASGG) vertreten waren.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Beide Parteien waren anwaltlich vertreten, als der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. 8. 1991 das Klagebegehren um das auf § 7 UWG und § 1330 ABGB gestützte Unterlassungsbegehren ausgedehnt hat. Beide Parteien haben sich in die mündliche Streitverhandlung über dieses Klagebegehren eingelassen, ohne diesen Umstand geltend zu machen (§ 260 Abs 4 ZPO). Daß diese Heilung erst nach der Erlassung der EV eingetreten ist, hat keine Bedeutung. Nach stRsp (SZ 21/78; SZ 42/166; SZ 51/62 ua) ist das Gericht, vor welchem der Prozeß in der Hauptsache anhängig ist, zur Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung bereits zuständig, wenn der Prozeß durch bloßes Anbringen der Klage eingeleitet worden ist. Für die Gerichtsbesetzung, in der über die EV zu entscheiden ist, gilt dies sinngemäß. Da das Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht angerufen wurde, hatte es über den Sicherungsantrag in der für die Hauptsache vorgesehenen Senatszusammensetzung zu entscheiden

(§ 387 Abs 2 EO; siehe dazu Kuderna, ASGG, Anm 9 zu § 11).

In der Sache selbst ist die Beklagte auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu den Voraussetzungen des § 7 UWG, insbesondere auch zur Verteilung der Beweis(bescheinigungs-)last zu verweisen (§ 48 ASGG). Die in § 7 UWG vorgesehene Beweislast(Bescheinigungslast-)verteilung führt dazu, daß der Gegner, der vor der Beschlußfassung nicht einvernommen wurde (§ 397 Abs 1 EO), von der Möglichkeit, im Rekursverfahren die Wahrheit der Behauptung darzutun, ausgeschlossen ist, doch bleibt ihm wie auch sonst zur Geltendmachung von Neuerungen, das Rechtsmittel des Widerspruches.

Auch der Ansicht des Revisionsrekurswerbers, § 7 UWG komme infolge Fehlens der Unternehmereigenschaft des Klägers nicht in Betracht, ist nicht zu folgen. Der Begriff des "Unternehmers" ist im UWG im weitesten Sinn zu verstehen (ÖBl 1960, 88); für die Aktivlegitimation kommt es auf die befugte Ausübung des Gewerbebetriebes nicht an (ÖBl 1981, 71; ÖBl 1987, 50). Das Erstgericht hat als bescheinigt angenommen, "daß der Kläger derzeit sucht, derartige Geschäftspartner der Beklagten für sich zu gewinnen und im gleichen Geschäftszweig mit derartigen bisherigen Geschäftspartnern der Beklagten ins Geschäft komme will bzw allenfalls schon Abschlüsse tätigte". Auch wenn über die Art des Unternehmens des Klägers nichts Näheres bekannt ist, ist damit jedenfalls für das Provisorialverfahren die Mitbewerbereigenschaft des Klägers bescheinigt. Der durch eine Herabsetzung seines Unternehmens Verletzte leitet seine Klagelegitimation unmittelbar aus § 7 UWG ab. § 14 UWG ist nicht anzuwenden.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78, 393, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Die Zulässigkeit der Revisionsrekursbeantwortung ergibt sich aus § 402 Abs 1 erster Halbsatz EO; der zweite Halbsatz dieser Bestimmung kann im Revisionsrekursverfahren nicht mehr zur Anwendung kommen, wenn die zweite Instanz dem Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung des Antrages auf Erlassung einer EV stattgegeben hat und nunmehr der Gegner die angeordnete Verfügung angreift, auch wenn das Sicherungsverfahren in erster Instanz einseitig war.

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