OGH 4Ob588/69

OGH4Ob588/6911.11.1969

SZ 42/166

Normen

4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §7
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §8
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §15
JN §76 (3) Z1
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §7
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §8
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §15
JN §76 (3) Z1

 

Spruch:

Das Gericht hat bei der Regelung des Unterhaltes zwischen Ehegatten, die englische Staatsbürger sind, österreichisches Recht anzuwenden, wenn der Mann sein Domizil in Österreich hat.

Entscheidung vom 11. November 1969, 4 Ob 588/69.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Am 27. Juni 1966 hat der Kläger gegen die Beklagte beim Landesgericht Feldkirch eine Klage auf Scheidung der am 18. Oktober 1935 geschlossenen Ehe eingebracht. Beide Parteien sind englische Staatsangehörige. Der Kläger behauptet, er habe seinen ordentlichen und dauernden Wohnsitz in Bregenz - Lochau. Die Beklagte, die das bestreitet, lebt in London. Die Ehescheidungsklage wird auf § 55 EheG. gestützt.

Die Beklagte hat die Einrede der Unzuständigkeit der österreichischen Gerichte erhoben, über welche Einrede die Untergerichte bisher spruchmäßig nicht entschieden haben.

Am 7. März 1969 hat die Beklagte einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z. 8 EO. eingebracht und den Zuspruch eines einstweiligen Unterhaltes in der Höhe von 1500 S monatlich ab Februar 1969 für die Dauer des Ehescheidungsstreites verlangt. Sie stützt ihren Unterhaltsanspruch auf § 91 ABGB.

Das Erstgericht hat dem Kläger aufgetragen, der Beklagten ab 7. März 1969 einen einstweiligen Unterhalt in der Höhe von 1500 S monatlich zu bezahlen, das Mehrbegehren (Unterhalt für die Zeit vom 1. Februar bis 7. März 1969) aber abgewiesen. Das Erstgericht war der Ansicht, daß für die Frage des vorläufigen Unterhaltes das materielle Recht des Aufenthaltsortes anzuwenden sei, somit für den Unterhalt der Beklagten österreichisches Recht, weil der Kläger hier sein Domizil habe. Der Kläger habe ein Vermögen von 750.000 S und ziehe daraus ein monatliches Einkommen von 5000 S bis 6000 S. Er sei daher in der Lage, der Beklagten den begehrten einstweiligen Unterhalt zu bezahlen, zumal ihn sonst keine Unterhaltspflicht treffe.

Der gegen die erlassene einstweilige Verfügung erhobene Rekurs des Klägers hatte Erfolg. Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Das Rekursgericht hat zunächst ausgeführt, warum nach seiner Meinung das Erstgericht für die Ehescheidungsklage zuständig sei und warum für das Scheidungsverfahren materielles österreichisches Recht anzuwenden sei. Nach § 7 der 4. DVzEheG. hätten sich aber die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten, zu denen auch der Anspruch der Ehegattin auf Unterhalt gehöre, nach den Gesetzen ihres Heimatstaates zu richten. Bei der Beurteilung des vorliegenden Unterhaltsanspruches sei daher englisches Recht anzuwenden. Nach diesem könne das Gericht den Unterhalt für die Frau gemäß dem Matrimonial Proceedings (Magistrates Courts) Act 1960, auf 7 Pfund 10 Shilling festsetzen. Die Beklagte habe vorgebracht, daß sie infolge der Kosten des Ehescheidungsstreites ihren Unterhalt nicht mehr aus den Mieteinkünften ihres Hauses bestreiten könne und deshalb vom Kläger den vorläufigen Unterhalt verlange. Sie begehre damit wohl nominell einen Unterhaltsbeitrag, in Wirklichkeit aber nur einen Kostenvorschuß für die Prozeßführung. Aus dem Matrimonial-Proceedings-Akt könne aber kein Anhaltspunkt für die Verpflichtung des Mannes entnommen werden, der Frau die Kosten des Scheidungsprozesses vorzuschießen. Da die Beklagte bisher ihren Unterhalt aus den Mieteinnahmen ihres Hauses bestritten und keine Umstände vorgebracht habe, daß ihr diese Einnahmen nicht mehr zur Verfügung stunden, ihr außerdem kein Recht zustehe, vom Mann die Bevorschussung der ihr im Ehescheidungsstreit entstehenden Prozeßkosten zu verlangen, sei in Stattgebung des Rekurses der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Beklagten Folge und stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für die Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung nach § 382 Z. 8 EO. ist das Erstgericht jedenfalls zuständig, weil hiefür nach § 387 (1) EO. das Gericht zuständig ist, bei welchem der Prozeß in der Hauptsache zur Zeit der Antragstellung anhängig ist. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist somit nur von dem äußerlichen Umstand abhängig, daß der Prozeß zur Zeit der Antragstellung anhängig ist. Dies gilt insbesondere auch für Klagen, bei denen nach Streitanhängigkeit die Frage der Unzuständigkeit oder der Unzulässigkeit des Rechtsweges aufgeworfen wird (1 Ob 174/55).

Das Erstgericht war daher für die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zuständig. Die Frage der Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der ersten und der zweiten Instanz richtet sich damit nach den österreichischen Prozeßgesetzen, nach der lex fori. Daraus folgt, daß ein Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem die Bemessung des vorläufigen Unterhaltes vorgenommen wird, in analoger Anwendung des § 14 (2) AußStrG. und des § 502 (2) ZPO. unanfechtbar ist (SZ. XXVII 177).

Das Rekursgericht hat aber den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unter Verneinung der Leistungspflicht des Klägers dem Gründe nach abgewiesen. Die Rechtsmittelbeschränkungen des § 14 (2) AußStrG. und des § 502 (2) ZPO. sind daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

Das Rekursgericht hat den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte verlange zwar nominell einen Unterhaltsbeitrag, in Wahrheit aber die Bevorschussung der Kosten des Ehescheidungsstreites. Diese Begründung ist aktenwidrig. Die Beklagte verlangt vom Kläger Unterhalt und keinen Kostenvorschuß. Sie hat nur auf die durch den Ehescheidungsstreit sich ergebenden Mehrauslagen hingewiesen.

Der Kläger hat in seinem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes zum Grund des Anspruches behauptet, daß das materielle Recht, das in England gelte, anzuwenden sei und daß nach diesem der Beklagten kein Unterhaltsanspruch zustunde. Nun verweist allerdings § 7 der 4. DVzEheG. auf englisches Recht, weil nach österreichischem internationalen Privatrecht für die persönliche Rechtsbeziehungen der Ehegatten das Recht des Heimatstaates (im vorliegenden Fall also englisches Recht) maßgebend ist. Die Beklagte hingegen behauptet, daß es nach englischem internationalen Privatrecht auf das Domizil der Ehegatten ankomme, was im gegebenen Fall eine Rückverweisung auf österreichisches Recht bedeuten würde, da nach den Behauptungen des Klägers in der Klage und nach den Feststellungen der Untergerichte der Kläger und damit auch seine Ehegattin ihr Domizil in Österreich haben.

Das englische internationale Privatrecht steht auf dem Gebiete des Familienrechtes unter der Herrschaft des Domizilprinzipes (Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht III Großbritannien S. 9, Leske - Loewenfeld, Das Eherecht der Europäischen und der außereuropäischen Staaten, Erster Teil, S. 446). Im Internationalen Ehescheidungsrecht ist die Frage des anzuwendenden Rechtes mit der Jurisdiktion der Gerichte verknüpft. Englische Gerichte haben die Jurisdiktion zur Scheidung der Ehe immer dann, wenn die Ehegatten in England domiziliert sind. Sind sie zur Entscheidung zuständig, wenden die englischen Gerichte ihr eigenes Recht an (Leke - Loewenfeld a. a. O. S. 456). Diese Tatsache sowie der Umstand, daß ausländische Ehescheidungsurteile in England stets anerkannt werden, wenn die Ehegatten ihr Domizil in dem Gerichtsstaat haben ohne Rücksicht auf das Recht, das dabei angewendet wurde (Leske - Loewenfeld a. a. O.) rechtfertigen die Annahme einer Rückverweisung. Das zuständige österreichische Gericht hat also österreichisches Recht anzuwenden (Bergmann a. a. O. S. 12). Daß dies auch für die im Ehescheidungsprozeß getroffene Regelung des vorläufigen Unterhaltes gelten muß, ergibt sich daraus, daß die englischen Gerichte, wenn sie für die Durchführung eines Eheverfahrens zuständig sind, auch bei der Regelung des vorläufigen Unterhaltes englisches Recht anwenden (Leske - Loewenfeld a. a. O. S. 461). Da im vorliegenden Fall der Kläger sein Domizil in Österreich hat und die Beklagte als seine Ehefrau dieses Domizil teilt (Bergmann a. a. O. S. 10), ist nach der englischen Rechtsordnung zur Durchführung des Ehescheidungsstreites und damit für die Regelung des vorläufigen Unterhaltes die Zuständigkeit des österreichischen Gerichtes und damit die Voraussetzung für die Anwendung österreichischen Rechtes gegeben. Nur am Rande sei bemerkt, daß auch die Anwendung englischen Rechtes zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Denn auch nach englischem Recht kann das Gericht im Scheidungsverfahren nach seinem Ermessen, das dem Gründe und dem Ausmaß nach unbeschränkt ist, Unterhalt gewähren (Matrimonial Causes Act 1950, Leske - Loewenfeld a. a. O. S. 431).

Der Einwand des Klägers im Rekurs gegen die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes, der Beklagten stunde ein Unterhaltsanspruch dem Gründe nach nicht zu, ist daher nicht stichhältig. Da der Kläger aber gegen die Ausmessung des Unterhalts durch das Erstgericht mit 1500 S nichts vorbringt, die Angemessenheit dieses Betrages somit nicht bestreitet, war die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder herzustellen.

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