Spruch:
- 1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
- 2. Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes und, soweit es nicht bereits vom Berufungsgericht als nichtig aufgehoben wurde, auch das Urteil des Erstgerichtes werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 6. Juli 1941 geborene Kläger erlitt im Oktober 1986 einen Verkehrsunfall. Seither weist er ein posttraumatisches apallisches Syndrom auf, ferner einen Zustand nach Ventilimplantation sowie eine Refluxösophagitis im Stadium IV. Ferner leidet der Kläger an einer Osteomyelitits, an Herpes Zoster und an Thrombophlebitis im Bereich des rechten Oberarms. Es kommt zu rezidivierenden Aspirationspneumonien. Apallisches Syndrom bedeutet einen Funktionsausfall des Mantelhirnes und wirkt sich im wesentlichen in folgenden Symptomen aus: Fehlen von gerichteter Aufmerksamkeitslenkung, Spontaneität und Reizbeantwortung; Störung des Erkennens trotz intakter Wahrnehmung (Agnosie), Unfähigkeit zur Ausführung erlernter zweckmäßiger Bewegungen oder Handlungen trotz erhaltener Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit (Apraxie); die vegetativen Funktionen sind erhalten, es überwiegt die extrapyramidale Motorik.
Der Kläger bedarf intensiver Pflege, insbesondere auch der Decubitusprophylaxe und künstlicher Ernährung mit Sonden. Der Kläger muß mehrfach täglich abgesaugt werden, um die Gefahr von Lungenentzündungen zu verringern. Er war seit Feber 1988 im Bezirkskrankenhaus L***** untergebracht und ist als chronisch krank zu bezeichnen. Eine Anstaltspflege ist wohl geeignet, eine Verschlechterung des Zustandes hintanzuhalten, sie war jedoch in den hier streitgegenständlichen Zeiträumen vom 8. Mai bis 5. Juni und vom 14. August bis 19. September 1989 aus medizinischer Sicht nicht notwendig. Während dieser Zeiten wurden dem Kläger nämlich im wesentlichen nur beruhigende Medikamente verabreicht. Diese Betreuung sowie die sonst notwendige Pflege (Absaugung und Ernährung) konnte auch durch eine entsprechend ausgebildete Krankenschwester erfolgen. Die ärztliche Betreuung an sich wäre durch einen Hausarzt ausreichend gewesen; eine wöchentliche Kontrolle des Gesundheitszustandes hätte genügt. Bei allenfalls auftretenden Komplikationen im Krankheitsbild des Klägers hätte der Hausarzt dies erkennen und das Notwendige veranlassen können, insbesondere auch etwa die Überstellung ins Bezirkskrankenhaus L***** zur etwa erforderlichen Anstaltspflege. Solche schweren Komplikationen traten jedoch in den genannten Zeiträumen nicht auf. Allerdings ist eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Klägers durch Überstellung ins Krankenhaus ebensowenig zu erwarten wie etwa bei einer Überstellung vom Bezirkskrankenhaus L***** nach Hause oder in ein Pflegeheim. Für eine intensive pflegerische Betreuung in einer Krankenanstalt bestand keine Notwendigkeit; eine anderweitige pflegerische Betreuung hätte ausgereicht. Eine Verschlechterung des Zustandes des Klägers kann trotz ständiger Anstaltspflege nicht verhindert werden. Die Anstaltspflege bedeutete letztlich nur eine bessere Beobachtung des Klägers, die aber auch durch den Hausarzt ausreichend vorgenommen werden kann. Der Kläger ist daher als Pflegefall einzustufen, der keiner Anstaltspflege bedurfte.
Die beklagte Tiroler Gebietskrankenkasse sprach mit Bescheid vom 4. September 1989 aus, daß die Kosten des Aufenthaltes des Klägers im Allgemeinen öffentlichen Bezirkskrankenhaus L***** für den Zeitraum vom 8. Mai bis 5. Juni 1989 und ab dem 14. August 1989 von der Kasse nicht übernommen werden. In der Begründung führte sie aus, der Gesundheitszustand des Klägers sei vom 8. Mai bis zum 5. Juni 1989 so stabil gewesen, daß eine Anstaltspflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt gewesen sei. Im Anschluß daran habe sich der Gesundheitszustand so verschlechtert, daß ab dem 6. Juni 1989 die Gewährung der Anstaltspflege durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt gewesen sei. Ab dem 14. August 1989 habe sich der Gesundheitszustand wiederum gebessert. Gemäß § 144 Abs 3 ASVG sei die Anstaltspflege nur dann zu gewähren, wenn sie durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt sei. Im Zeitraum vom 8. Mai bis 5. Juni 1989 und ab dem 14. August 1989 sei dies nicht der Fall gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren des Inhaltes, es werde festgestellt, daß der Kläger unter Berücksichtigung des Allgemeinzustandes, wie er im Zeitraum 8. Mai bis 5. Juni 1989 und vom 14. August bis 19. September 1989 gegeben war und ist, als Krankheitsfall zu gelten habe und die beklagte Partei sei schuldig, hinsichtlich des Klägers für die genannten Zeiträume die Kosten der Anstaltspflege im Bezirkskrankenhaus L***** zu übernehmen, ab. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Meinung, daß eine ärztliche Behandlung des Klägers zu keiner Besserung des Gesundheitszustandes führen könnte. Anstaltspflege sei insoweit nicht angezeigt. Gegenüber der häuslichen Pflege sei nur eine bessere Überwachung im Krankenhaus gegeben, nicht aber eine gezielte Therapie zu erreichen. Die Betreuung etwa durch eine diplomierte Krankenschwester sei durchaus ausreichend gewesen. Die beklagte Partei habe daher zu Recht die Kosten des Krankenhausaufenthaltes nicht übernommen.
Das Berufungsgericht erklärte aus Anlaß der Berufung des Klägers den das Feststellungsbegehren betreffenden Teil des erstinstanzlichen Verfahrens für nichtig, in diesem Umfang wies es die Klage mit Beschluß zurück. Im übrigen gab es der Berufung keine Folge. Es sei zu unterscheiden, inwieweit das Leiden des Klägers schlechthin als Krankheit iS des § 120 Abs 1 ASVG anerkannt worden sei bzw. in welchem Umfang ihm Kostendeckung für die notwendige Behandlung gewährt worden sei oder nicht. Aus § 144 Abs 1 zweiter Satz ASVG gehe hervor, daß Personen auch während einer Anstaltspflege und unabhängig von der Art der Anstalt, in der sie untergebracht seien, Anspruch auf Krankenbehandlung für die Dauer der Krankheit ohne zeitliche Begrenzung bei aufrechtem Bestand der Versicherung hätten. Voraussetzung einer Leistung nach § 134 ASVG, also für den Anspruch auf Krankenbehandlung, sei ausschließlich das Vorliegen einer Krankheit. Sei eine solche Notwendigkeit nicht gegeben, bestehe keine Leistungsverpflichtung auf Gewährung von Krankenbehandlung. Sei ein Anspruch auf Krankenbehandlung jedoch zu bejahen, weil die Notwendigkeit hiezu auf Grund eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes vorliege, sei der Leistungsanspruch bei einem in einer Krankenanstalt Untergebrachten nicht davon abhängig, daß von ihm die Anspruchsvoraussetzungen auch für die Gewährung der Anstaltspflege iS des § 144 ASVG erfüllt würden. Der Anspruch auf Krankenbehandlung bestehe also gegenüber dem Sozialversicherungsträger auch während eines Krankenanstaltenaufenthaltes, und zwar selbst dann, wenn für diesen kein Leistungsanspruch bestehe. Der Anspruch auf Krankenbehandlung könne demnach unabhängig vom Vorliegen eines Anspruchs auf Anstaltspflege Gegenstand eines Leistungsbegehrens sein. Nach dem Wortlaut des angefochtenen Bescheides könne keine Rede davon sein, daß das Leiden des Klägers insgesamt nicht als Krankheit anerkannt worden wäre. Abgelehnt habe die beklagte Partei lediglich die im Rahmen der Krankenversicherung auch vorgesehene Anstaltspflege, wobei die Ablehnung unter Hinweis auf § 144 Abs 3 ASVG (Asylierung) erfolgt sei. Daher habe die beklagte Partei gar nicht über den Fragenkomplex der Krankheit als solcher entschieden, sondern lediglich über einen Teilaspekt der im Krankheitsfall allenfalls zu gewährenden Leistungen. Das Begehren auf Feststellung des Zustandes des Klägers als Krankheitsfall sei insofern ohne Anlaß gestellt worden, als darüber kein Bescheid der beklagten Partei vorliege, der den Zustand des Klägers als Krankheit im Sinne des ASVG verneint hätte. Daher erweise sich in diesem Umfang die Klage gemäß § 67 ASGG als unzulässig.
Im übrigen billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Gemäß § 144 Abs 3 ASVG müsse die Anstaltspflege durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt sein, ansonsten eine Asylierung vorliege, für die die Sozialversicherung die Kosten nicht zu übernehmen habe. Führe nach medizinischen Erkenntnissen eine Anstaltspflege zu keinem in eine notwendige Behandlung gesetzten Erfolg und trete anstelle der notwendigen Behandlung die Pflege des Versicherten in den Vordergrund, liege eine Asylierung vor, für die Anstaltspflege nicht mehr zu gewähren sei (OLG Wien, SVSlg 31.166). Durch eine bloß gelegentliche und nicht intensive ärztliche Betreuung werde eine sogar angeordnete Unterbringung in einer Heilanstalt noch nicht zur Pflichtleistung der Krankenversicherung (OLG Wien SVSlg 31.167, 25.504). Ein Pflegefall liege dann vor, wenn der Anstaltsaufenthalt die fehlende häusliche Obsorge und Pflege ersetze, jedoch nicht mehr einer erfolgversprechenden Behandlung der Krankheit selbst diene (OLG Wien SVSlg 31.168, 25.503). Nach den Feststellungen sei beim Kläger tatsächlich nicht mehr die notwendige und erfolgversprechende ärztliche Behandlung im Vordergrund gestanden, sondern seine Pflege, wobei auch zur Hintanhaltung von Verschlechterungen des Leidens letztlich keine Notwendigkeit der Anstaltspflege gegeben gewesen sei. Es habe sich in den genannten Zeiträumen beim Kläger um einen Pflegefall gehandelt; die beklagte Partei habe die Kosten für die Anstaltspflege nicht zu übernehmen.
Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Revision, wobei sich die Revisionsausführungen teilweise auch als eine Bekämpfung des vom Berufungsgericht gefaßten Beschlusses darstellen und insoweit als Rekurs anzusehen sind. Der Kläger beantragt die Aufhebung des berufungsgerichtlichen Beschlusses und in der Hauptsache die Abänderung dahin, daß seinem Feststellungs- und Leistungsbegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragte, dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
1.) Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Kläger macht geltend, er sei durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach sein Feststellungsbegehren durch den mittels Klage bekämpften Bescheid nicht gedeckt gewesen sei, unzulässigerweise überrascht worden. Das Berufungsgericht habe seine Prozeßleitungspflicht verletzt. Es hätte den Kläger zu einer entsprechenden Klarstellung dahin veranlassen müssen, daß sein Feststellungsbegehren die Abgrenzung der Frage anstrebe, ob der Kläger als sogenannter Asylierungsfall oder eben als Krankheitsfall einzustufen sei. Sein Begehren sei nämlich dahin zu verstehen gewesen, daß er die Feststellung anstrebte, er habe in den genannten Zeiträumen als Krankheitsfall zu gelten, der einer Anstaltspflege bedurfte.
Diese Aufführungen verkennen, daß gemäß § 67 Abs 1 ASGG in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1, 4 und 6 bis 8 ASGG sowie über die Kostenersatzpflicht eines Versicherungsträgers nach § 65 Abs 1 Z 5 ASGG - vorbehaltlich des § 68 ASGG - vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden darf, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden oder den Bescheid nicht innerhalb der in Abs 1 Z 2 genannten Fristen erlassen hat. Von den hier nicht relevanten Säumnisfällen abgesehen, setzt daher jede Klage einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers voraus. Die Entscheidung des Versicherungsträgers muß aber nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes "darüber", dh über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch des Versicherten ergangen sein (vgl Kuderna ASGG 368; SSV-NF 2/67 ua). Die beklagte Partei hat mit dem durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheid lediglich ausgesprochen, daß die Kosten des Aufenthaltes des Klägers im Krankenhaus L***** in den genannten Zeiträumen von der beklagten Partei nicht übernommen würden. Der Bescheid hat damit über ein Begehren festzustellen, daß der Kläger "als Krankheitsfall zu gelten habe", nicht abgesprochen. Gemäß § 65 Abs 2 ASGG fallen unter den Abs 1 leg cit zwar auch Klagen auf Feststellung, doch setzen auch solche Klagen nach dem Prinzip der sukzessiven Kompetenz ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren voraus (vgl Kuderna ASGG 365 Erl 13 zu § 65 mit Hinweis auf die RV). Da dies hier nicht zutrifft, war dem Rekurs schon deshalb keine Folge zu geben.
Da sich die Ausführungen des Klägers zu den Revisionsgründen der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens inhaltlich als Bekämpfung des berufungsgerichtlichen Beschlusses darstellen, braucht auf diese Ausführungen im Rahmen der Behandlung der Revision nicht mehr eingegangen zu werden.
2.) Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.
In seiner Rechtsrüge vertritt der Kläger die Auffassung, er sei als Behandlungsfall, also als Krankheitsfall, der einer Anstaltspflege bedürfe, anzusehen, zumal die Anstaltspflege sehr wohl geeignet gewesen sei, eine Verschlechterung seines Zustandes hintanzuhalten. Dieser Ansicht kann allerdings nicht beigepflichtet werden.
Gemäß § 144 Abs 1 ASVG ist Pflege in der allgemeinen Gebührenklasse einer öffentlichen Krankenanstalt ... zu gewähren, wenn und solange es die Art der Krankheit erfordert. Ist die Anstaltspflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt (Asylierung), so wird sie nicht gewährt (§ 144 Abs 3 ASVG). Als Anstaltspflege gilt unter anderem nicht die Unterbringung in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen oder in einer Sonderkrankenanstalt die vorwiegend der Rehabilitation von Versicherten dient (§ 144 Abs 4 ASVG). Die vorzunehmende Abgrenzung zwischen "Behandlungsfall" und "Asylierungsfall" muß an die Voraussetzungen für das Vorliegen des Versicherungsfalles der Krankheit anschließen. Demnach liegt ein Behandlungsfall dann vor, wenn prognostisch festgestellt werden kann, daß das beim Versicherten vorliegende Leiden einer Behandlung zugänglich ist, wenn auch nur eine geringfügige Besserung des Grundleidens erhofft wird oder wenn die Behandlung eine Verschlechterung des Zustands hintanzuhalten geeignet ist, mag auch das Grundleiden als solches nicht mehr behebbar sein. Hingegen handelt es sich um einen Asylierungs- oder Pflegefall, wenn ein Krankenhausaufenthalt nur die fehlende häusliche Pflege und Obsorge allein ersetzt und nicht mehr einer erfolgversprechenden Behandlung der Krankheit dient (vgl Teschner/Fürböck ASVG 44. ErgLfg. 823 ff Anm. 8 und 8 a zu § 144; Binder in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 218, 220 f; derselbe, Aktuelle Fragen im Leistungsrecht der Krankenversicherung, ZAS 1990, 13 f; Marhold,
Das Verhältnis zwischen Anstaltspflege und Hauskrankenpflege in der sozialen Krankenversicherung ZAS 1980, 93 ff, besonders 96 f, Elhenicky/Jabloner, Zur Einbeziehung von Pflegefällen in die Sozialversicherung DRdA 1980, 289 f; Kandlhofer, Der Pflegefall aus der Sicht des Sozialversicherungsrechts SozSi 1990, 71 ff, jeweils mwN). Diese Auffassung entsprach auch der ständigen Rechtsprechung des bis zum Inkrafttreten des ASGG als letzte Instanz in Leistungsstreitsachen tätigen Oberlandesgerichtes Wien (zuletzt etwa SSV 26/76).
Der Oberste Gerichtshof tritt den bisher in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen bei. Die Anstaltspflege kann nur dann iS des § 144 Abs 3 ASVG durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt sein, wenn diese ärztliche Behandlung nach dem Stand der Wissenschaft einen Erfolg verspricht, zumindest geeignet ist hintanzuhalten, daß sich eine an sich unheilbare Krankheit verschlechtert. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen war in den noch streitgegenständlichen Zeiträumen - auch prophylaktisch gesehen - eine ärztliche Behandlung im aufgezeigten Sinn nicht notwendig. Dem Kläger wurden nur beruhigende Medikamente verabreicht, während die notwendige Betreuung durch künstliche Ernährung und Absaugen des Schleimes aus den Atemwegen durch eine Krankenschwester erfolgen konnte. Eine wöchentliche Kontrolle des Gesundheitszustandes durch den Hausarzt wäre ausreichend gewesen. Trotz ständiger Anstaltspflege und ärztlicher Behandlung könnte eine ständige Verschlechterung des Gesundheitszusstandes des Klägers nicht verhindert werden. Danach bedeutete die Anstaltspflege letztlich nur eine bessere Beobachtung des Klägers, die aber einer erfolgversprechenden Behandlung nicht gleichgesetzt werden kann. Die Vorinstanzen haben die Unterbringung des Klägers im Bezirkskrankenhaus daher zutreffend als Asylierung iS des § 144 Abs 3 ASVG angesehen, woraus folgt, daß die Anstaltspflege nicht auf Kosten der beklagten Partei zu gewähren war. Soweit der Revisionswerber dies in Frage zu stellen sucht, geht er nicht von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen aus, so daß die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
Im Ergebnis zutreffend macht der Revisionswerber aber geltend, daß die von der beklagten Partei eingehaltene Vorgangsweise, erst "im Nachhinein" zu entscheiden, ob der Kläger als Asylierungsfall zu gelten habe oder nicht und demgemäß die Kosten der Anstaltspflege übernommen würden, nicht gebilligt werden kann.
Der Versicherungsträger gewährt die Anstaltspflege als Sachleistung. Für die Dauer der vom Versicherungsträger gewährten Anstaltspflege steht dem Rechtsträger einer öffentlichen Krankenanstalt gegenüber dem Versicherten kein Anspruch auf Ersatz der Pflegegebühren zu. Wird allerdings die vom Versicherungsträger abgegebene Kostenübernahmeerklärung widerrufen oder das Vorliegen der Einweisungsvoraussetzungen nach § 145 ASVG nicht anerkannt, kann der Rechtsträger die Pflegegebühren vom Patienten einfordern (Binder in Tomandl SV-System 4. ErgLfg 223). Wenn die Anstaltspflege nicht (mehr) durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt ist und daher - im Sinne der obigen Ausführungen - gemäß § 144 Abs 3 ASVG als Fall der Asylierung nicht (mehr) gewährt wird, kann freilich die Regelung des § 99 Abs 1 ASVG über die Entziehung von Leistungsansprüchen nicht angewendet werden. Gemäß § 99 Abs 1 ASVG ist die Leistung nämlich nur zu entziehen, sofern nicht der Anspruch hierauf gemäß § 100 Abs 1 ASVG ohne weiteres Verfahren erlischt. Dies ist aber im § 100 Abs 1 lit a ASVG für den Anspruch auf eine laufende Leistung in der Krankenversicherung vorgesehen, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch weggefallen sind. Ein Anspruch auf Gewährung der Anstaltspflege ist als Anspruch auf eine laufende Leistung im Sinne dieser Bestimmung anzusehen, zumal darunter Leistungen zu verstehen sind, die auf bestimmte und unbestimmte Dauer gewährt und in regelmäßig wiederkehrenden Zeiträumen "flüssig gemacht" (erbracht) werden (vgl EB zur RV des ASVG 599 BlgNR 7.GP, 44). Wie der erkennende Senat an anderer Stelle ausgeführt hat (10 Ob S 311/91), kann das Erlöschen des Anspruchs auf Anstaltspflege gemäß § 144 Abs 3 ASVG wegen Wegfalls der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung nicht im Wege der teleologischen Reduktion (vgl hiezu F. Bydlinski in Rummel ABGB2 I Rz 7 zu § 7 mwN) vom § 100 Abs 1 lit a ASVG ausgenommen werden. Der Gesetzgeber ist zwar bei Schaffung der angeführten Regelung davon ausgegangen, in der Krankenversicherung trete der Wegfall der Voraussetzungen des Anspruchs so eindeutig an den Tag, daß sich ein weiteres Verfahren hierüber erübrigt (EB zur RV des ASVG aaO). Dies trifft aber auch in anderen Bereichen höchstens auf den Regelfall zu. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen unschwer erkennbar ist, daß die weitere Anstaltspflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt wird. Der Fall der Asylierung ist von anderen Fällen, in denen die Anspruchsvoraussetzungen in der Krankenversicherung wegfallen und Ansprüche auf laufende Leistungen daher gemäß § 100 Abs 1 lit a ASVG ohne weiteres Verfahren erlöschen können, nicht so verschieden, daß die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Eher ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber im Sinne der beabsichtigten Verwaltungsvereinfachung gewisse Härtefälle bewußt in Kauf genommen hat (ebenso für die Asylierungsfälle Schrammel in Tomandl SV-System 3. ErgLfg 183; 10 Ob S 311/91 mwN). Zu beachten ist aber § 107 Abs 1 ASVG, wonach der Versicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen unter anderem zu Unrecht "erbrachte" Aufwendungen für Anstaltspflege zurückzufordern hat. Ein Leistungsempfänger ist also zum Ersatz von Aufwendungen für die Anstaltspflege, die nach dem Erlöschen seines Anspruchs auf diese Leistung und daher zu Unrecht im Sinn der angeführten Gesetzesstelle erbracht wurden, nur unter den darin festgelegten Voraussetzungen verpflichtet. Die Aufwendungen für die Anstaltspflege bestehen darin, daß der Versicherungsträger die der Krankenanstalt gebührenden Pflegegebühren entrichtet hat (vgl § 148 Z 2 ASVG und die hiezu ergangenen Ausführungsgesetze der Länder, hier also § 46 TirolerKAG). Ist dies bereits geschehen, so kann er den entsprechenden Betrag von demjenigen, der sich in Anstaltspflege befand, somit auch dann nur unter bestimmten Voraussetzungen zurückfordern, wenn der Anspruch auf Gewährung der Anstaltspflege schon gemäß § 100 Abs 1 lit a ASVG erloschen war. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wäre es aber nicht zu rechtfertigen, den Fall, in dem die Pflegegebühren noch nicht entrichtet und dem Versicherungsträger daher Aufwendungen noch nicht entstanden sind, anders zu behandeln und damit das Risiko der Tragung der Kosten der Anstaltspflege dem Patienten aufzuerlegen, der von sich aus in der Regel nicht in der Lage sein wird zu beurteilen, ob noch ein Behandlungsfall vorliegt, und sein Verhalten danach einzurichten (Verlassen der Krankenanstalt). Es ist vielmehr anzunehmen, daß das Unterbleiben einer entsprechenden Regelung eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes bildet; dies ermöglicht und gebietet aber die sinngemäße Anwendung des § 107 ASVG (vgl F. Bydlinski aaO Rz 2 zu § 7 mwN). Der Versicherungsträger ist daher unabhängig davon, ob der Anspruch auf Gewährung der Anstaltspflege schon gemäß § 100 Abs 1 lit a iVm § 134 Abs 3 ASVG erloschen ist, weil die Anstaltspflege nicht mehr durch die Notwendigkeit der ärtzlichen Behandlung bedingt ist, verpflichtet, die Pflegegebühren zu entrichten, wenn gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Rückforderung bereits entstandener Aufwendungen nicht gegeben wären. Von den im § 107 Abs 1 ASVG hiefür festgelegten Voraussetzungen wird am ehesten in Betracht kommen, daß der Leistungsempfänger erkennen mußte, daß die Leistung nicht (mehr) gebührt. Sieht man von besonders gelagerten Fällen ab, wird dies jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Fall sein, in dem der Versicherungsträger die Weitergewährung der Anstaltspflege ablehnt, wobei hiefür nicht ein Bescheid erforderlich ist, sondern auch eine andere eindeutige Form der Mitteilung genügt. Wird nämlich der Leistungsempfänger von einer hiefür zuständigen Stelle auf die Umstände aufmerksam gemacht, die das Erlöschen seines Anspruchs bewirken, so kann er sich nicht mehr mit Erfolg darauf berufen, daß er das Erlöschen nicht im Sinn des § 107 Abs 1 ASVG hätte erkennen müssen.
Das Gesagte gilt auch dann, wenn die Lösung der Frage, ob der Anspruch erloschen ist, vom Gutachten eines Sachverständigen abhängt und möglicherweise auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung einen Grenzfall bildet. Ein Rechtsirrtum ist im allgemeinen zwar nur vorwerfbar, wenn die richtige rechtliche Beurteilung bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit hätte erreicht werden können (F. Bydlinski aaO Rz 3 zu § 2), wobei dies in den Asylierungsfällen sehr oft zu verneinen sein wird. Der Zweck der Regelung des § 107 ASVG erfordert aber ein anderes Verständnis des Verschuldens, weil durch diese Bestimmung vermieden werden soll, daß der Leistungsempfänger im Genuß einer Leistung verbleibt, die ihm zu Unrecht gewährt wird. Unter diesem Gesichtspunkt muß es bei einer laufenden Leistung daher genügen, wenn er die Möglichkeit ernstlich in Betracht ziehen mußte, daß ihm die Leistung zu Unrecht gewährt wird. Dies ist aber der Fall, wenn ihm in eindeutiger Form mitgeteilt wird, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Anstaltspflege nicht (mehr) vorliegen, und zwar auch dann, wenn dem Leistungsempfänger abweichende ärztliche Meinungen bekannt sind (ebenso 10 Ob S 311/91). Im Fall des Klägers ist auch auf dessen Geschäftsunfähigkeit Bedacht zu nehmen (vgl den Akt SW 12/86 des Bezirksgerichtes Lienz).
Die dargelegte Rechtsansicht wurde bisher offensichtlich weder von den Vorinstanzen noch von den Parteien bedacht. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überrascht werden dürfen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (SZ 42/28; SZ 50/35; JBl 1988, 370 ua, 10 Ob S 311/91). Da dies hier der Fall ist, müssen die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung aufgehoben werden, um den Parteien Gelegenheit zu einem der dargestellten Rechtslage entsprechenden Vorbringen und erforderlichenfalls der zum Beweis des Vorbringens notwendigen Anträge zu geben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.
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