OGH 10ObS259/91

OGH10ObS259/918.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (Arbeitgeber) und Anton Korntheuer (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gertrude P*****, vertreten durch Dr.Erwin Bajc und Dr.Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Gewährung der Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgericht Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Mai 1991, GZ 7 Rs 31/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7. Dezember 1990, GZ 21 Cgs 180/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die (zweite) Ehe der Klägerin wurde am 21.2.1978 rechtskräftig gemäß § 49 EheG geschieden, wobei ausgesprochen wurde, daß das Verschulden allein ihren Ehemann trifft. Unmittelbar vor der Scheidung hatten die Eheleute in einem schriftlichen, jedoch nicht gerichtlich protokollierten Vergleich ua vereinbart, daß der Ehemann der Klägerin vom Tag der Ehescheidung an für die Dauer von 10 Jahren einen wertgesicherten monatlichen Unterhalt von 7.000 S zu bezahlen hat, wobei sich dieser Unterhalt bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Klägerin in einem bestimmten Ausmaß verringert. Für die Zeit nach Ablauf der 10 Jahre verzichteten beide Ehegatten wechselseitig auf Unterhalt auch für den Fall der Not und geänderter Verhältnisse.

Die beklagte Partei lehnte den Antrag der Klägerin, ihr zu ihrer Alterspension in der Höhe von 4.063,50 S die Ausgleichszulage zu gewähren, ab. Sie berücksichtigte dabei eine "anzunehmende Unterhaltsleistung" des geschiedenen Ehemannes der Klägerin in der Höhe von 8.460 S monatlich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, der Klägerin (gemeint offensichtlich: ab 2.8.1989) die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Beide Vorinstanzen waren in rechtlicher Hinsicht der Meinung, daß der Verzicht der Klägerin auf den ihr nach dem Gesetz zustehenden Unterhaltsanspruch unbeachtlich sei, weshalb dieser Unterhaltsanspruch gemäß § 294 ASVG berücksichtigt werden müsse. Das Erstgericht errechnete die Unterhaltsverpflichtung gemäß § 294 Abs 3 ASVG, weil der Einkommenssteuerbescheid des selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen nicht vorgelegt worden sei. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß das Erstgericht unbekämpft jedenfalls ein 15.000 S monatlich übersteigendes Einkommen des geschiedenen Ehemanns der Klägerin festgestellt habe. Beide Vorinstanzen kamen zu dem Ergebnis, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Ausgleichszulage habe, weil ihre Pension zuzüglich des zu berücksichtigenden Unterhaltsanspruchs gegen ihren geschiedenen Ehemann den für sie maßgebenden Richtsatz übersteige.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 294 Abs 1 lit b ASVG sind bei Anwendung des § 292 dieses Gesetzes, also bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage, Unterhaltsansprüche des Pensionsberechtigten gegen den geschiedenen Ehegatten, gleichviel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, dadurch zu berücksichtigen, daß dem Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten 12,5 vH (nach der hier teilweise noch maßgebenden Rechtslage vor der 48.ASVGNov BGBl 1989/642 15 vH) des monatlichen Nettoeinkommens des geschiedenen Ehemannes zuzurechnen sind. Es handelt sich dabei um eine Pauschalanrechnung, die unabhängig davon vorzunehmen ist, ob und in welcher Höhe der Pensionsberechtigte Unterhalt erhält. Voraussetzung ist allein, daß er nach dem Gesetz einen Unterhaltsanspruch hat (vgl SSV-NF 2/15). Nicht Voraussetzung ist hingegen, daß der Unterhaltsanspruch durch einen gerichtlichen Vergleich oder durch eine gerichtliche Entscheidung festgesetzt wurde.

Durch das rechtskräftig gewordene Scheidungsurteil wurde zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann bindend festgestellt, daß dieser die Zerrüttung der Ehe, die gemäß § 49 EheG Voraussetzung für den Erfolg des Scheidungsbegehrens der Klägerin war, allein verschuldet hatte. Die Klägerin hat daher gemäß § 66 EheG und somit aufgrund des Gesetzes gegen ihren früheren Ehemann Anspruch auf Unterhalt. Daran würde es entgegen der in der Revision vertretenen Meinung nichts ändern, wenn beide Ehegatten die Scheidung gewollt hätten. Dies schließt nicht aus, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe allein den Ehemann traf. Da dies durch das Scheidungsurteil festgestellt wurde, hat die Klägerin aufgrund des Gesetzes einen Unterhaltsanspruch gegen ihren früheren Ehemann. Sie hat daher nicht bloß, wie sie in der Revision meint, auf einen vertraglichen, sondern auf einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch verzichtet. Ein solcher Verzicht ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, gegen die in der Revision nichts vorgebracht wird, gegenüber dem Sozialversicherungsträger wirkungslos (SSV-NF 2/28; 10 Ob S 33/89; 10 Ob S 307/89; 10 Ob S 205/91). Die Ansicht der Vorinstanzen, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Ausgleichszulage hat, wenn man ihren gesetzlichen Unterhaltsanspruch berücksichtigt, wird in der Revision nicht mehr bekämpft, weshalb sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt sieht, hierauf weiter einzugehen.

Obwohl dies für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung ist, sei im Hinblick auf die Revisionsausführungen darauf hingewiesen, daß auch schon vor dem Inkrafttreten des § 55a EheG nicht jede Scheidung einen Unterhaltsanspruch eines Ehegatten zur Folge hatte. Im Fall der Klägerin wäre gegebenenfalls in Betracht gekommen, daß gemäß § 60 EheG das gleichteilige Verschulden der Ehegatten ausgesprochen worden wäre, was zur Folge gehabt hätte, daß ein Unterhaltsanspruch nur unter den in § 68 EheG festgelegten Voraussetzungen bestünde. Ohne jede Bedeutung ist ferner, daß am 1.7.1978 (s Art XXIII § 1 Abs 1 EheRÄG BGBl 1978/280) und somit verhältnismäßig kurze Zeit nach der Scheidung der Ehe der Klägerin § 55a EheG in Kraft trat, weil die Ehe der Klägerin eben nicht nach dieser Bestimmung geschieden wurde und auch gar nicht geschieden werden konnte.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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