OGH 10ObS33/89

OGH10ObS33/897.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Kurt Resch (AG) und Anton Prager (AN) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erika T***, Breitenfeldergasse 6-8, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Michel Bereis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 1988, GZ 34 Rs 248/87-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. August 1987, GZ 19 Cgs 56/86-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten der Revision (darin S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 22. April 1986 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 14. März 1986 auf Gewährung einer Ausgleichszulage ab, weil die Berufsunfähigkeitspension der Klägerin zuzüglich des vom geschiedenen Ehemann gemäß § 294 ASVG anzurechnenden Unterhaltsbetrages den Richtsatz übersteige. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. April 1986 eine Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen der monatlichen Pension der Klägerin zuzüglich eines Betrages von DM 50,-- monatlich und dem jeweiligen Richtsatz zu gewähren.

Es stellte fest, daß die Ehe der Klägerin mit Kurt T*** auf Begehren der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 1950 gemäß § 55 EheG (alt) geschieden wurde. Mit Notariatsakt vom 1. September 1950 verpflichtete sich Kurt T***, nach der Scheidung der Ehe der Klägerin einen Unterhaltsbetrag von monatlich DM 50,-- zu bezahlen. Der Unterhaltsanspruch sollte im Falle einer Wiederverehelichung wegfallen.

Die Klägerin bezieht eine Berufsunfähigkeitspension, die ab 1. Jänner 1986 S 4.175,80 brutto betrug.

Der geschiedene Mann der Klägerin ist wieder verheiratet und seiner Frau gegenüber sorgepflichtig. Er bezog ab 1. Jänner 1986 aus einer Lebensversicherung DM 971,99 und eine Altersrente von DM 1.272,60 monatlich. Ab 1. Juli 1986 erhöhte sich das Altersruhegeld auf DM 1.309,-- monatlich. Vom 1. Jänner 1986 bis 1. Juli 1986 waren hievon monatlich DM 223,44 an die H*** Frankfurt und DM 92,90 an Krankenversicherungsbeitrag zu entrichten. Letzterer verminderte sich ab 1. Juli 1986 auf DM 86,--.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, nach der zum Zeitpunkt der Scheidung geltenden Rechtslage (§ 69 Abs 2, nunmehr § 69 Abs 3 EheG) könne der die Scheidung begehrende Ehegatte nach einem Scheidungsurteil ohne Verschuldensausspruch keinen Unterhalt begehren. Der Anspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehegatten sei daher kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch im Sinne des § 294 Abs 1 ASVG und als vertraglicher Unterhaltsanspruch dem Nettoeinkommen gemäß § 292 Abs 3 ASVG nicht pauschaliert, sondern nur in der tatsächlich geschuldeten Höhe hinzuzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Ob ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach bestehe, sei im Ausgleichszulagenrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Auszugehen sei von einer aufrechten vertraglichen Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin, die gemäß § 294 Abs 1 ASVG, gleich viel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht werde, mit 15 % des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen abzüglich einer Verminderung um je 2 % für jeden weiteren Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen sei. Die Bestimmungen der §§ 66 bis 69 EheG seien auf während des Scheidungsverfahrens abgeschlossene Unterhaltsvergleiche nicht anzuwenden. Der Unterhaltsanspruch sei nur nach dem Inhalt des Vergleiches zu beurteilen. Unterhaltsvereinbarungen unterlägen grundsätzlich der Umstandsklausel, soferne diese nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen werde. Bei wesentlichen Änderungen der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände könne eine Neufestsetzung des Unterhaltes begehrt werden. Im Hinblick auf das festgestellte Einkommen des geschiedenen Mannes der Klägerin und auf die seit der Unterhaltsvereinbarung eingetretene Geldentwertung könne nicht von vornherein angenommen werden, daß eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung nicht zu erreichen sei. Es seien daher bei der Prüfung des Anspruches der Klägerin auf Gewährung einer Ausgleichszulage nicht nur die tatsächlich gewährten Unterhaltsbeträge von DM 50,-- monatlich, sondern gemäß § 294 Abs 1 lit b ASVG 13 % des Nettoeinkommens des geschiedenen Mannes zu berücksichtigen. Damit aber liege das Gesamteinkommen der Klägerin jedenfalls über dem Richtsatz.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin ist berechtigt.

Strittig ist, ob der der Klägerin zustehende Unterhalt bei Prüfung des Anspruches auf Ausgleichszulage gemäß § 292 Abs 3 ASVG in der tatsächlich geleisteten Höhe oder gemäß § 294 Abs 1 ASVG in Form der Pauschalanrechnung, gleich viel ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, zu berücksichtigen ist.

Wie der erkennende Senat in seinen Entscheidungen

10 Ob S 10/88 = SSV-NF 2/15 und ähnlich auch

10 Ob S 35/88 = SSV-NF 2/28 unter ausführlicher Darlegung der

Gesetzesmaterialien (404 BlgNR 13. GP 115) ausführte, hat der Gesetzgeber mit der Schaffung der Bestimmungen über die Pauschalanrechnung die Absicht verfolgt, die Berücksichtigung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen im Ausgleichszulagenrecht sicherzustellen, nicht aber auch bloß vertragliche Unterhaltsansprüche der Pauschalierung zu unterstellen. Die Anwendung der Bestimmungen über die Pauschalanrechnung auch auf Fälle, in denen nicht gesetzliche sondern nur vertragliche Unterhaltsansprüche bestehen, würde überdies zu keinem sinnvollen Ergebnis führen, weil gemäß § 294 Abs 3 zweiter Satz ASVG eine Zurechnung zum Nettoeinkommen in dem Ausmaß zu unterbleiben hat, in dem die Unterhaltsforderung trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung des Unterhaltsanspruches offenbar aussichtslos ist. In Fällen, in denen kein gesetzlicher sondern bloß ein vertraglicher Anspruch auf Unterhalt besteht, müßte aber immer davon ausgegangen werden, daß die Verfolgung einer den vertraglich festgelegten Betrag übersteigenden Unterhaltsforderung offenbar aussichtslos ist, weil für einen höheren Anspruch die Rechtsgrundlage fehlt. Zutreffend ist daher das Erstgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß dann, wenn ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch nicht besteht und Unterhaltsansprüche bloß auf vertragsmäßiger Basis zustehen, die Voraussetzungen für die Pauschalanrechnungen nicht vorliegen. Der Unterhaltsbeitrag stellt in diesem Fall keinen nach § 294 Abs 1 ASVG zu berücksichtigenden Bezug auf Unterhaltsleistungen privatrechtlicher Art dar. Damit kommt auch die Ausnahmebestimmung des § 292 Abs 4 lit e ASVG, die nur eine Doppelanrechnung vermeiden soll, nicht zur Anwendung. Die vertraglichen Unterhaltsansprüche der Klägerin sind bei der Prüfung ihres Anspruches auf Ausgleichszulage in der entsprechend dem Vertrag zustehenden Höhe gemäß § 292 Abs 1 und Abs 3 ASVG zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die Kosten der erfolgreichen Revision beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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