OGH 1Ob39/90 (1Ob40/90)

OGH1Ob39/90 (1Ob40/90)16.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Walter S*****, 2.) RegRat Friedrich S*****, 3.) Erna S*****, sämtliche vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Andreas Puletz, Rechtsanwalt in Wien, Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R*****, vertreten durch Dr. Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, Zustimmung zur Einverleibung einer Reallast, Vorkehrungen und Zahlung von restlichen S 200.500,- bzw. S 554.000,- samt Anhang (Gesamtstreitwerte S 322.500,- bzw. S 676.000,-) infolge Revision und Rekurs der klagenden Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1989, GZ 12 R 22/89-92, womit infolge Berufungen der klagenden und beklagten Parteien sowie der auf Seiten der beklagten Partei dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. April 1987, GZ 5 Cg 174/84-73, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als das Feststellungsbegehren (mit Ausnahme der Einbeziehung der jeweiligen Rechtsnachfolger in die begehrte Feststellung) abgewiesen wurde. Die Rechtssache wird auch in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekurs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken *****; der Zweitkläger und die Drittklägerin sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft ***** mit den Grundstücken *****. Die beklagte Partei ist Alleineigentümerin der Liegenschaften *****. Diese Liegenschaften liegen im Bereich des ehemaligen "Stadlauer Armes" des Mühlwassers, der schon vor 1938 unter anderem mit Rückständen aus der Produktion von Borax aufgefüllt wurde. Erst im Jahre 1974 wurde diese Produktion auf den Liegenschaften der beklagten Partei endgültig eingestellt (Vorbringen in den Klagebeantwortungen). Für diese Deponie war weder eine Baubewilligung noch eine Planierungserlaubnis erteilt worden.

Die Kläger verwendeten zur Bewässerung ihrer Gärten Hausbrunnen. Das Wasser dieser Brunnen war mit Bor derart verunreinigt, daß die Pflanzen der Kläger im Jahre 1983 geschädigt wurden. Die Borkonzentration im Boden der Grundstücke der Kläger sowie die Bodenbeschaffenheit lassen erwarten, daß der Schadstoff durch starke Beregnung mit borfreiem Wasser (Leitungswasser) ausgewaschen werden kann. Bei Durchführung solcher Maßnahmen der Bodensanierung ist eine nachhaltige Besserung bzw. Normalisierung bis April 1989 zu erwarten, soferne nicht wieder Bor zugeführt wird. Durch die Verwendung Wiener Leitungswassers, an das die Kläger mittlerweile angeschlossen worden sind, wird eine weitere Anreicherung mit Bor unterbunden. Der Schaden der Kläger an Pflanzen und an Kosten für notwendige Sanierungsmaßnahmen beträgt S 200.500,- (Erstkläger) und S 554.000,- (Zweitkläger und Drittklägerin).

Mit zwei am 10. 5. 1984 und 10. 7. 1984 eingebrachten, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehren die Kläger, die beklagten Parteien und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaften *****, den Klägern und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaften ***** schuldig zu erkennen, durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, daß von den Grundstücken der beklagten Partei weiterhin Bor ins Grundwasser gelange; weiters begehren sie gegenüber der beklagten Partei und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum der gesamten Liegenschaften die Feststellung, daß sie den Klägern und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaften alle Schäden zu ersetzen haben, die den Klägern und ihren Rechtsnachfolgern durch Bor, das von den Grundstücken der beklagten Partei ausgehen werde oder bereits ausgegangen sei, noch entstehen werde. Die beklagte Partei sei schuldig, in die Einverleibung dieser Verpflichtungen als Reallast einzuwilligen. Schließlich begehren der Erstkläger den Ersatz des Betrages von S 448.039,- samt Anhang, der Zweitkläger und die Drittklägerin den Ersatz des Betrages von S 895.400,-

samt Anhang für Schäden an den Pflanzen und Kosten von Sanierungsmaßnahmen. Bis 1976 seien Ablagerungen erfolgt, die mit Bor kontaminiert gewesen seien. Dadurch sei Bor in das Grundwasser und in weiterer Folge in die Hausbrunnen der Kläger gelangt. Diese Grundwasserverunreinigung werde auch derzeit noch fortgesetzt. Es werde 5 bis 10 Jahre dauern, bis das Erdreich der Grundstücke der Kläger entseucht sei. Die beklagte Partei habe nichts unternommen, um das Eindringen von Bor ins Grundwasser zu verhindern. Durch die begehrte Verbücherung einer Reallast solle eine Verdinglichung der grundsätzlichen Verpflichtung der beklagten Partei und ihrer Rechtsnachfolger zur Leistung von Schadenersatz bewirkt werden, so daß es entbehrlich sein werde, immer wieder neue Klagen zu erheben. Die beklagte Partei sei durch Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der seinerzeitigen Grundeigentümerin und Betreiberin der Borax- und Borsäureproduktion nämlich der Firma B*****.

Die beklagte Partei und die auf ihrer Seite dem Verfahren beigetretene Nebenintervenientin wendeten ein, die beklagte Partei sei nicht Gesamtrechtsnachfolgerin. Mit Notariatsakt vom 12. 7. 1971 habe vielmehr die B***** ihren Teilbetrieb in Wien nach den Bestimmungen des Art. I Abs.1 § 2 StrukturverbesserungsG in die ***** Gesellschaft mbH (deren Wortlaut in der Folge auf den Namen der beklagten Partei geändert wurde) eingebracht. Für Schadenersatzforderungen gegen den früheren Liegenschaftseigentümer hafte daher die beklagte Partei nicht. Nach der Einbringung sei die Erzeugung von Borax und Borsäure nach kurzer Zeit im Jahre 1974 endgültig eingestellt worden. Weder die Gewerbebehörde, der die Lagerung des Produktionsabfalles bekannt gewesen sei, noch die Wasserrechtsbehörde hätten für die Deponie Auflagen erteilt. Insbesondere werde aber bestritten, daß die Deponie auf den Grundstücken der beklagten Partei kausal für die bei den Klägern aufgetretenen Schäden sei. Die beklagte Partei machte 13 weitere Unternehmungen in Floridsdorf und Stadlau namhaft, die ebenfalls Bor verarbeitet hätten (und damit als Verursacher in Betracht kämen). Im Verfahren über die am 10. 7. 1984 eingebrachte Klage brachte die beklagte Partei weiters vor, daß nach Durchführung einer Ersatzvornahme (Abdichtung der Deponie und Abpumpen des Grundwassers) durch die Wasserrechtsbehörde weitere Vorkehrungen zur Hintanhaltung einer Verunreinigung des Grundwassers durch Borrückstände nicht mehr erforderlich seien.

Das Erstgericht wies die Feststellungsbegehren und die Begehren auf Einwilligung in die Verbücherung einer Reallast ab; die beklagte Partei selbst (nicht aber ihre Rechtsnachfolger) seien schuldig, durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, daß von ihren Grundstücken weiterhin Bor ins Grundwasser gelange; weiters sprach es dem Erstkläger den Betrag von S 200.500,- samt Anhang und dem Zweitkläger und der Drittklägerin den Betrag von S 554.000,- samt Anhang zu. Die Zahlungsmehrbegehren von S 287.539,- samt Anhang (Erstkläger) und S 341.400,- (Zweitkläger und Drittkläger) wies es unangefochten ab. Es stellte fest, auf Grund der Lage des Gebietes, in dem mit Bor verunreinigtes Grundwasser vorgefunden worden sei, könne diese Verunreinigung eindeutig der auf den Grundstücken der beklagten Partei befindlichen Borax-Deponie zugeordnet werden. Von der Wasserrechtsbehörde habe ein chemischer Nachweis erbracht werden können, daß ein zwingender Zusammenhang zwischen der Boraxproduktionsstätte und dem Inhalt der Deponie bestehe. Insgesamt seien rund 30.000 m3 kontaminiertes Material deponiert worden. Die Firma B***** Gesellschaft mbH, die mit der beklagten Partei ident sei, habe auch noch in den Jahren 1974/1975 mit Arsen verunreinigte Borrohstoffe aus der Türkei bezogen. Das Begehren auf sichernde Vorkehrungen ohne Einbeziehung der Rechtsnachfolge unter Zuspruch der Geldbeträge sei berechtigt. Ein Feststellungsinteresse bestehe allerdings nicht. Bis spätestens April 1989 könne mit Normalverhältnissen gerechnet werden. Sollten tatsächlich weitere Schäden eintreten, müßten die Kläger ohnehin die Kausalität und die Höhe des angeblichen Schadens beweisen. Da das Feststellungsbegehren abzuweisen sei, sei auf die geforderte Einwilligung der beklagten Partei in die grundbücherliche Einverleibung dieser Verpflichtung als Reallast nicht mehr weiter einzugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht, den Berufungen der beklagten Partei und der auf ihrer Seite dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenientin Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes in seinen stattgebenden Teilen und im Kostenausspruch unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Feststellungen des Erstgerichtes, die zur teilweisen Stattgebung der Klagebegehren geführt hätten, seien in einem mangelhaften Verfahren getroffen worden, sie reichten nicht hin, die Sache abschließend rechtlich zu beurteilen. Das Erstgericht habe den Antrag der Nebenintervenientin, einen Sachverständigen zum Beweise dafür, daß die Ablagerungen auf den Grundstücken der beklagten Partei nicht kausal für die Schäden der Kläger seien, zu Unrecht abgewiesen. Der beigezogene Sachverständige für Landschaftspflege ***** habe sich für die Beantwortung dieser Fragen unzuständig erklärt. Eine Verwertung der im Verfahren 27 c Vr 2215/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien aufgenommenen Beweise sei nach § 281 a ZPO unzulässig gewesen.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, ob es sich bei der in der Klagebeantwortung genannten Einbringung der B***** in die beklagte Partei um eine Verschmelzung im Sinne des Art. I § 1 Abs.2 StrukturverbesserungsG oder um eine bloße Vermögensübertragung im Sinn des § 1409 ABGB gehandelt habe, könne dahingestellt bleiben, weil Schäden, für die die beklagte Partei haften könnte, zur Zeit dieser Transaktion noch nicht entstanden gewesen seien und eine Haftung nur für die eigenen Organe der beklagten Partei in Frage komme. Wenn mehrere Personen als Verursacher eines Schadens in Betracht kommen, läge jedem alternativ kausal Handelnden der Entlastungsbeweis ob. Das Feststellungs- und das Einverleibungsbegehren der Kläger sei aus den vom Erstgericht genannten Gründen nicht berechtigt. Der Borgehalt des Erdreiches werde in zwei bis drei Jahren ab April 1986 Normalwerte erreichen. Bei weiterer Verwendung des Leitungswassers der an das Wiener Wassernetz angeschlossenen Kläger seien künftige Schäden an Pflanzen und Boden auszuschließen. Der durch die Wasserverunreinigung eingetretene Schaden sei bereits vom Leistungsbegehren erfaßt, weitere Schäden an Pflanzen und Erde seien nicht zu erwarten. Für bisher nicht vorhersehbare neue Schadenswirkungen des borversetzten Brunnenwassers stünde einer neuerlichen Klageführung nichts entgegen.

Der Rekurs der Kläger ist nicht, ihre Revision ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs der Kläger ist schon deshalb ein Erfolg zu versagen, weil das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes wegen eines primären Verfahrensmangels (Nichteinholung eines Gutachtens zur Frage der Kausalität) aufhob. Da die Kausalität der Lagerung von Abfällen auf den Grundstücken der beklagten Partei zu den eingetretenen Schäden zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen gehört, ist es dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt, diesem Auftrag zur Verfahrensergänzung entgegenzutreten (JBl. 1990, 322 mwN). Soweit die Kläger sich Richtlinien des Obersten Gerichtshofes für die bei teilweisem Erfolg der Kläger neu zu treffende, auf die Nebenintervenientin sich beziehende Kostenentscheidung erwarten, ist ihnen zu erwidern, daß dem Obersten Gerichtshof selbständige Überprüfung von Kostenentscheidungen der Vorinstanzen verwehrt ist.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist von zwei Tatsachen auszugehen, die entweder von der beklagten Partei nicht bekämpft und damit der Entscheidung zugrundezulegen sind (§ 498 Abs.1 ZPO) oder die von ihr in der Klagebeantwortung ausdrücklich zugestanden wurden: Eine behördliche und somit auch eine wasserrechtliche Bewilligung der Deponie wurde niemals eingeholt oder erteilt, eine Behauptung, ein solches Recht wäre im Wasserbuch eingetragen worden, wurde nicht aufgestellt; auch nach der in welcher Form immer erfolgten Rechtsnachfolge hat noch die beklagte Partei selbst Borrohstoffe verarbeitet und die Rückstände auf der von der Rechtsvorgängerin auf eigenem Grund angelegten Deponie jedenfalls bis in das Jahr 1974 abgelagert.

Die Kläger stützen ihre Begehren auf alle erdenklichen Rechtsgründe, insbesondere auf den des Schadenersatzes und auf Nachbarrecht. Wäre die Schadenskausalität erwiesen, wäre die Berechtigung der Klagsansprüche nach Schadenersatzrecht unter folgenden Voraussetzungen zu bejahen: Nach § 32 Abs.2 lit. c WRG 1959 sind Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Diese Bestimmung wurde durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1959 BGBl. Nr. 54 in das Wasserrechtsgesetz neu eingeführt. Nach der RV 594 BlgNR 8.GP 29 ist es für die Bewilligungspflicht gleichgültig, ob die Beeinträchtigung der Gewässerbeschaffenheit unmittelbar (zB durch Einleiten oder Versickernlassen von Abwässern) oder mittelbar (etwa durch die Auslaugung von Ablagerungen und Halden durch Niederschlagswasser) erfolgt. Schutzzweck der Vorschriften der §§ 30 ff WRG 1959 idF der WRG-Novelle 1959 ist die Reinhaltung und der Schutz der Gewässer. Zu den Gewässern zählt nach § 30 WRG auch das Grundwasser (Krzizek in: Rechtsvorschriften zu Umweltschutz und Raumplanung, Ö-61-0-01, 36 unter Hinweis auf VwSlg. 7506/A). Die Bewilligungspflicht tritt ein, wenn es unter den jeweils gegebenen Verhältnissen regelmäßig und typisch zu einer Gewässerverunreinigung kommen kann (VwSlg. 7122/A); so wurde etwa die Anlegung einer Deponie für Schlammaterial, das bei der Ledererzeugung anfiel, auf ungeschütztem Boden als Maßnahme angesehen, durch die nach dem natürlichen Lauf der Dinge auf die Beschaffenheit des Grundwassers eingewirkt wird

(VwSlg. 11.075/A). Der Verwaltungsgerichtshof ging daher auch in seinem die beklagte Partei betreffenden Erkenntnis vom 20. 11. 1984, Zl. 84/07/0210, 0211 (teilweise veröffentlicht in ZfVB 1192/3/1985), das die Frage der Rechtmäßigkeit von der Wasserrechtsbehörde angeordneter Sanierungsmaßnahmen betraf, davon aus, daß schon nach dem völlig unmißverständlichen Gesetzeswortlaut die Lagerung von Abfallstoffen der Vorschrift des § 32 Abs.2 lit. c WRG unterliegt. Selbst wenn vor der WRG-Novelle 1959 die Deponie einer wasserrechtlichen Bewilligung nicht bedurft hätte, war nach § 142 Abs.1 WRG mangels Eintragung eines der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei zustehenden Wasserrechtes der weitere Betrieb dieser Deponie ohne wasserrechtliche Bewilligung seit 30. 4. 1960 rechtswidrig. Die Bestimmungen der §§ 30 ff WRG sind Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB (WoBl. 1990, 133; SZ 59/92; SZ 57/134; SZ 57/16 ua, Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 22 zu § 1311). Diese Schutzgesetze hat jedenfalls auch die beklagte Partei durch den nicht konsensmäßigen Betrieb der Deponie übertreten. Der Übertreter eines Schutzgesetzes hat die Behauptungs- und Beweislast, daß ihn daran kein Verschulden traf (WoBl. 1990, 133; ImmZ 1990, 287; SZ 59/92; SZ 57/134 mwN; Harrer aaO Rz 30 zu § 1311). Die beklagte Partei, eine juristische Person, trat diesen Beweis, etwa durch die Behauptung, ihre satzungsmäßigen Organe oder Personen, die in ihrer Organisation eine leitende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind (ZAS 1984/4; SZ 51/80 ua; Koziol-Welser8 I 66 f mwN in FN 68; Posch in Schwimann, ABGB, Rz 26 zu § 26) träfe an der Weiterführung der Deponie kein Verschulden, nicht an. Würde Kausalität festgestellt, läge damit rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten auch der beklagten Partei vor.

Eine Haftung der beklagten Partei für den gesamten Schaden der Kläger käme dann bei Bejahung der Kausalität in mehreren Fällen in Betracht: Wenn die beklagte Partei Gesamtrechtsnachfolgerin der Gesellschaft wurde, die die Deponie betrieb (vgl. etwa die von Helbich, Umgründungen4 299 angeführten Fälle); ferner, wenn sich unter den Voraussetzungen des § 1302 ABGB die Anteile der einzelnen Schädiger am verursachten Schaden nicht bestimmen ließen; eine Aufteilung würde nur dann in Betracht kommen, wenn nachgewiesen würde, daß ein Schädiger in zurechenbarer Weise nur einen bestimmten Teil des gesamten Schadens verursacht hat (SZ 53/82; SZ 45/5 ua, zuletzt 1 Ob 680/88; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 298); eine Überprüfung der von der beklagten Partei aufgestellten Behauptung, 13 andere Betriebe kämen für eine Verunreinigung des Grundwassers mit Bor in Betracht, wäre in diesem Zusammenhang nur dann erforderlich, wenn auf Grund der festzustellenden Grundwasserströme eine solche anteilige Bestimmung hypothetisch überhaupt in Betracht kommen könnte; schließlich entgegen dem Rechtsstandpunkt der beklagten Partei auch dann, wenn die weiteren Voraussetzungen für den gesetzlichen Schuldbeitritt nach § 1409 ABGB (wegen Übernahme eines Unternehmens) vorlägen. Der Schuldbeitritt ist zwar auf die zum Unternehmen (Vermögen) gehörigen Schulden beschränkt, so daß gefordert wird, die Schulden müßten in einem sachlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen und zum Zweck des Erwerbs, der Verbesserung oder zum Betrieb des Unternehmens eingegangen worden sein (SZ 56/140; SZ 50/27 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ 50/27 der Lehre Koziols in JBl. 1967, 557 f folgend ausgesprochen, daß der Übernehmer eines Sondervermögens (Unternehmens) unter den oben genannten Voraussetzungen nach § 1409 ABGB auch für die auf einem vertragswidrigen Verhalten des Veräußerers beruhenden Schadenersatzforderungen haftet. Wenn aber kraft Gesetzes entstandene Schadenersatzansprüche in einem sachlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen gestanden sind und das deliktische Verhalten gerade deshalb gesetzt wurde, um dem Unternehmensträger unter Umständen sehr hohe Betriebsausgaben (hier etwa für die Abdichtung der Deponie oder die Verbringung des kontaminierten Materials) zu ersparen, würde es geradezu einen Wertungswiderspruch bedeuten, den gesetzlichen Schuldbeitritt auf Schadenersatzforderungen zu beschränken, die in einem vertragswidrigen Verhalten ihre Grundlage fänden. Diese Meinung wird auch von Pisko, Handelsrecht 59 und Koziol aaO 558 geteilt. Wellacher, Schuldenhaftung 58, führt zutreffend aus, daß bei anderer Ansicht ein schuldhaft handelnder Unternehmensträger sehr leicht durch Veräußerung des Unternehmens die Begleichung solcher Schadenersatzforderungen verhindern könnte.

Soweit bei festgestellter Kausalität eine Haftung der beklagten Partei nach schadenersatzrechtlichen Bestimmungen zum Teil zu verneinen wäre, bliebe zu prüfen, ob und inwieweit die beklagte Partei kraft Nachbarrechtes eine Haftung träfe. Die nachbarrechtliche Haftung käme, wie noch auszuführen, auch dann in Betracht, wenn ein strikter Kausalitätsnachweis nicht zu erbringen wäre. Nachbar ist nämlich nicht nur der unmittelbar angrenzende Grundeigentümer, sondern jeder Eigentümer, der von Maßnahmen, die vom Grundstück der beklagten Partei ausgehen, betroffen wurde (SZ 61/278; SZ 61/273; SZ 55/172; SZ 54/137 mwN; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 321; Koziol-Welser8 II 40), und zwar ohne Unterschied wie groß die Entfernung ist und welche dritten Personen gehörige Grundstücke dazwischenliegen (Pimmer in Schwimann, ABGB, Rz 4 zu § 364). Bei Bejahung der Kausalität erübrigte sich dann die vom Berufungsgericht vermißte Feststellung der räumlichen Entfernung der Grundstücke. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist ein vom Verschulden unabhängiger Anspruch in den Fällen des § 364 Abs.2 ABGB und des § 364 b ABGB zuzubilligen, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364 a ABGB ergeben. Eine solche analoge Anwendung ist etwa dann angezeigt, wenn die Anlage eine besondere Gefahrensituation schafft und für den Betreiber der Anlage allfällige Schadensfolgen objektiv kalkulierbar sind. Dann ist ihm auch zumutbar, dafür Sorge zu tragen, daß aus dem Bestehen der Anlage dem Nachbar kein Schaden erwächst, für einen dennoch eingetretenen Schaden hat er aber dann einzustehen

(SZ 60/265 mwN). Entgegen den Ausführungen in der Rekursbeantwortung der Nebenintervenientin könnte gerade eine Haftung für Ausgleichsansprüche nach diesen Grundsätzen vorliegen, hat doch nicht nur die Nebenintervenientin, sondern auch die beklagte Partei selbst die Deponie betrieben, so daß es ihr hätte möglich sein müssen, allfällige Schadensfolgen in der Richtung einer Grundwasserverunreinigung objektiv zu kalkulieren. Durch die auf dem Grundstück der beklagten Partei errichtete Deponie wäre daher eine derartige Gefahrensituation geschaffen, die die analoge Anwendung des § 364 a ABGB rechtfertigte. Für die Frage der Beweislast und allfällige Schadensteilung für den Fall der Berechtigung nachbarrechtlicher Ansprüche, die auf eine Gewässerverunreinigung zurückzuführen sind, hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 24. 10. 1990, 1 Ob 21/90 = ecolex 1991, 81 mit Anm. Wilhelm ausgeführt, daß auch auf solche Ansprüche die Vorschrift des § 26 Abs.5 WRG analog anzuwenden ist. Nach § 26 Abs.5 WRG wird, soweit nach § 26 Abs.1 bis 4 WRG für Schäden durch Gewässerverunreinigung zu haften ist, vermutet, daß sie von demjenigen verursacht worden sind, die örtlich und nach der Beschaffenheit der Abwässer (Einwirkung) in Betracht kommen. Diese Vermutung wird durch den Nachweis der Unwahrscheinlichkeit der Verursachung entkräftet. Mehrere Personen haften nur dann zur ungeteilten Hand, wenn sie den Schaden vorsätzlich oder mit auffallender Sorglosigkeit zugefügt haben. Sonst haftet jeder nur für den Anteil an der Schadenszufügung. Lassen sich jedoch die Anteile nicht bestimmen, so haften mehrere Personen zu gleichen Teilen. Diese Bestimmung wurde durch die WRG-Novelle 1959 eingefügt. Nach den Materialien (RV 594 BlgNR 8. GP 28) sei es dem Geschädigten bisher vielfach unmöglich gewesen zu beweisen, wer, d. h. welche Einwirkung oder in welchem Verhältnis zueinander mehrere Einwirkungen den Schaden verursacht haben. Die neue Vorschrift soll es dem Geschädigten durch eine Rechtsvermutung und Regelung der Haftung bei mehreren Verursachern erleichtern, den ihm gebührenden Schadenersatz zu erhalten. Es wird eine Vermutung der Verursachung auch für den Fall aufgestellt, wenn Zweifel in der Richtung bestehen, ob überhaupt ein haftungsbegründendes Verhalten gesetzt wurde. Der Kläger braucht nur zu beweisen, daß ein Wasserberechtigter örtlich und nach der Beschaffenheit der Abwässer als Verursacher in Betracht kommt (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 334). Aus der Wertung des Gesetzgebers, den durch Gewässerverunreinigung Geschädigten Beweiserleichterungen zu verschaffen, folgt dann aber, daß für den gleichgelagerten Fall einer Haftung kraft Nachbarrechtes § 26 Abs.5 WRG über seinen engen Wortlaut hinaus anzuwenden ist, wenn die Gewässerverunreinigung durch die von Nachbargrundstücken ausgehenden Immissionen verursacht wurde. Diese Erleichterung für den dem Geschädigten obliegenden Kausalitätsbeweis steht dann aber die Berechtigung eines möglichen Schadensverursachers entgegen, durch Nachweis weiterer derart unter qualifiziertem Kausalitätsverdacht stehender Eigentümer eine Schadensteilung nach Köpfen zu erreichen. In diesem Zusammenhang fände das Vorbringen der beklagten Partei, 13 weitere Unternehmungen kämen als Schadensverursacher in Betracht, an Bedeutung.

Was das ebenfalls noch offene Leistungsbegehren betrifft, übersah das Berufungsgericht, daß in der zweiten Klagebeantwortung die beklagte Partei sehr wohl vorbrachte, durch die erzwungene Ersatzvornahme sei ohnedies alles vorgekehrt worden, um weitere Grundwasserverunreinigungen hintanzuhalten. Zu diesem Vorbringen nahmen auch die Kläger im Schriftsatz ON 4 Stellung.

Was die Revision der Kläger betrifft, so ist sie nur insoweit berechtigt, als auch das Feststellungsbegehren abgewiesen wurde. Ein nach dem Schluß des Verfahrens erster Instanz (25. 11. 1986) möglicherweise eintretender Schaden drohte den Klägern, wie sie zutreffend ausführen, schon dadurch, daß sie auch nach diesem Zeitpunkt ihre Hausbrunnen nicht zur Bewässerung der Gärten verwenden konnten, so daß infolge Wasserentnahmen aus dem öffentlichen Netz Wassergebühren entstehen könnten. Ein Feststellungsinteresse ist ihnen daher nicht abzusprechen. Unberechtigt ist das Begehren auf Einverleibung einer Reallast. Hier mangelt es an jeder schlüssigen Behauptung der Kläger, es stünde ihnen für die Einverleibung eines solchen Rechtes ein gültiger Rechtstitel zu. Die Möglichkeit des Entstehens weiterer Schadenersatz- oder Ausgleichsansprüche stellt einen solchen Rechtstitel jedenfalls nicht dar. Der Ausspruch einer Berechtigung von Rechtsnachfolgern der Kläger bzw. Haftung allfälliger Rechtsnachfolger der beklagten Partei scheitert schon am Bestimmtheitsgebot für die Schaffung eines Exekutionstitels. Im übrigen sind die Kläger in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift des § 9 EO zu verweisen.

Dem Rekurs ist nicht, der Revision nur insoweit Folge zu geben, daß die Abweisung des die Streitteile selbst betreffenden Feststellungsbegehrens durch die Vorinstanzen aufgehoben wird und die Rechtssache auch in diesem Umfang an das Prozeßgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO bzw. 392 Abs.2 ZPO.

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