Normen
ABGB §1301
ABGB §1302
WRG 1959 §26 Abs1
WRG 1959 §26 Abs5
WRG 1959 §31 Abs1
WRG 1959 §121 Abs1
ABGB §1301
ABGB §1302
WRG 1959 §26 Abs1
WRG 1959 §26 Abs5
WRG 1959 §31 Abs1
WRG 1959 §121 Abs1
Spruch:
Für weder vorsätzlich noch mit auffallender Sorglosigkeit zugefügten Schaden durch Gewässerverunreinigung haften mehrere Verursacher, deren Anteile sich nicht bestimmen lassen, abweichend von den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes nur zu gleichen Teilen
OGH 27. Mai 1980, 1 Ob 11/80 (OLG Linz 3 R 154/79; KG Wels 1 Cg 380/74)
Text
Die klagende Partei ist Eigentümerin einer Metallwarenfabrik. Der Strombedarf dieses Betriebes wird durch eine eigene, am Welser Mühlbach gelegene Wasserkraftanlage und zwei Dieselaggregate gedeckt. Die Wasserkraftanlage wurde mit Bescheid der k. k. Bezirkshauptmannschaft Wels vom 12. Feber 1913 genehmigt. Dieses Recht ist im Wasserbuch des Magistrates der Stadt Wels eingetragen. Der Welser Mühlbach zweigt beim Gunskirchner Traunwehr links von der Traun ab. Er führt rund 7 m3 Wasser pro Sekunde. Im August 1970 ließ die klagende Partei ihre Wasserkraftanlage sanieren. Bald darauf mußte sie aber erneut einen Leistungsabfall feststellen. Dieser Leistungsabfall ist auf einen 4 bis 6 mm dicken Belag auf der Turbine, hauptsächlich hervorgerufen durch die Bakterienart Sphaerotilus natans, zurückzuführen. Der Belag erzeugt im Wasserstrom Widerstand und mindert den Durchflußquerschnitt des Wassers. Zur Vermeidung eines ständigen Energieverlustes muß die Turbine in Abständen von 14 Tagen gereinigt werden. Die Reinigungsarbeiten dauern jeweils 2 bis 2 1/2 Stunden. Eine vollständige Reinigung der Turbine könnte aber nur dann erreicht werden, wenn der Mühlbach abgekehrt ist. Nach einer solchen vollständigen Reinigung erbringt die Kraftwerksanlage eine Leistung von 46.5 kW. Die Mittelwerte liegen aber bei 39.45 kW. Auf Grund der Wasserverschmutzung ergibt sich daher eine Minderleistung von durchschnittlich 15.2%.
Die Betriebsstätten der beklagten Partei liegen an der Ager, einem Nebenfluß der Traun. Nur oberhalb der Einleitungsstelle der Abwässer der beklagten Partei ist die Ager frei vom Befall durch Sphaerotilus natans. Diese Bakterie kann aber auch in der Traun oberhalb der Einmundung der Ager festgestellt werden, wenn auch nur in geringerem Umfang. Die Abwässer der beklagten Partei verursachen eindeutig die Bildung dieser Bakterie. Eine Auswirkung auf den Welser Mühlbach wäre jedoch nicht gegeben, wenn nicht auch durch andere Abwassereinleiter, die an der Traun oder unterhalb der beklagten Partei an der Ager liegen, zusätzliche Belastungen in diese Flüsse eingebracht würden. Die Selbstreinigungskraft der Flüsse wäre durchaus ausreichend, um noch vor Erreichen der Wasserkraftanlage der klagenden Partei die durch die beklagte Partei eingebrachte Belastung aufzuarbeiten. Sowohl die Abwässer zweier Papierfabriken als auch die häuslichen Abwässer der Gemeinden, welche an der Ager liegen, beeinflussen die Qualität des Wassers der Ager sowie der Traun nachteilig. Die Qualität der Ager und der Traun ist unterhalb der Ausleitung aus dem Atter- bzw. Traunsee durch Abwassereinleitungen deutlich verschlechtert. Diese Abwässer wirken der Selbstreinigungskraft der beiden Flüsse entgegen. Die Belastung ist insgesamt so hoch, daß im Bereich des Welser Wehrs noch lange nicht die Gewässergüte erreicht ist, die das Wasser der Ager und der Traun beim Austritt aus den Seen aufweist. Die Wasserqualität der Traun wird durch die in der Ager mitgeführten Schadstoffe deutlich verschlechtert. Der Anteil der beklagten Partei an der Wasserverschmutzung und an dem Auftreten der Bakterie ist mengenmäßig nur sehr schwer bestimmbar. Er wird in Abhängigkeit von der Wasserführung der Ager und der Traun auch jahreszeitliche Schwankungen aufweisen. Diese Schwankungen sind sowohl dadurch bedingt, daß die Belastungen der einzelnen Einleiter zu verschiedenen Zeiten verschieden hoch sind, als auch dadurch, daß die Sauerstoffverhältnisse und damit der Abbau in den Vorflutern durch verschiedene Faktoren, wie z. B. Turbulenz und Temperatur, außerordentlich stark beeinflußt werden. Die Summe der Einflüsse dieser verschiedenen Faktoren zeigte sich auch bei den dem Sachverständigengutachten zugrundeliegenden Untersuchungsergebnissen. Man kann den Anteil der beklagten Partei mit 15 bis 25% schätzen. Dabei ist berücksichtigt, daß für die Abwässer der beklagten Partei bis zur Wasserkraftanlage der klagenden Partei die längste Abbaustrecke zur Verfügung steht.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberdonau vom 23. November 1939, G/4 Zl. 5385/10-1938, wurde der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei die Ableitung von Fabrikationsabwässern und Fäkalabwässern unter verschiedenen Auflagen bewilligt. Nach Punkt 10 dieses Bescheides mußten die Abwässer der Fabrik in vollkommen unschädlichem Zustand der Ager zugeleitet werden. Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Oberösterreich wurden der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei zusätzliche Maßnahmen bewilligt und vorgeschrieben.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. April 1973, Wa-167/9-1973/Re, wurde der beklagten Partei auf Grund der Bestimmungen der §§ 33, 99 und 138 WRG aufgetragen, bis zum 31. Juli 1973 entweder unter Vorlage einer eingehenden Wasser- und Salzbilanz und unter Vorlage von den Bestimmungen des § 103 WRG entsprechenden Projektsunterlagen um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die bereits errichteten Anlagen zur Eindampfung der Spinnbäder, Zweit- und Quetschbäder des genannten Betriebes und weiterer Eindampfanlagen bis zur Schaffung der vollen erforderlichen Eindampfkapazität anzusuchen oder die über den erteilten Konsens hinausgehende Wasserbenutzung und den Betrieb der wasserrechtlich nicht bewilligten Anlagen einzustellen.
Weder die klagende Partei noch ihre Rechtsvorgänger waren den wasserrechtlichen mündlichen Verhandlungen beigezogen worden. 20% des durch Reinigung der Turbine und den Entfall der Turbinenleistung während der Reinigung und Minderleistung infolge Befalles durch Sphaerotilus natans entstandenen Gesamtschadens der klagenden Partei betragen für die Zeit von Juni 1971 bis Ende 1976 48 061.09 S.
Die klagende Partei begehrte zuletzt den Zuspruch eines Betrages von 289 294.50 S samt Anhang. Die beklagte Partei verursache durch die Einleitung von Industrieabwässern in die Ager schuldhaft eine Verunreinigung des Welser Mühlbaches. Mit dem Eintritt von nachteiligen Wirkungen für die klagende Partei sei bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligungen überhaupt nicht oder in einem geringeren Umfang gerechnet worden. Soweit die Einleitungen konsenslos erfolgten, seien sie auf ein Verschulden der beklagten Partei zurückzuführen, ansonst stützte die klagende Partei ihre Ansprüche auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 2 und 3 WRG. Die beklagte Partei habe bereits an einen Unterlieger der klagenden Partei Entschädigungsleistungen erbracht. Sie hätte daher auch die klagende Partei als gefährdete Wasserbenützerin der Wasserrechtsbehörde namhaft machen müssen. Eine Sorglosigkeit falle der beklagten Partei auch dadurch zur Last, daß sie in Kenntnis der durch sie verursachten schädlichen Auswirkungen für die Wasserkraftanlage der klagenden Partei keinerlei Vorsorge getroffen habe, um diese nachträgliche Wirkung zu verhindern. Die beklagte Partei bringe auch wesentlich mehr Abwässer ein als ihr von der Wasserrechtsbehörde genehmigt worden sei.
Die beklagte Partei behauptete, es sei unwahrscheinlich, daß sie durch die Einleitung von Abwässern in die Ager die Minderleistung der Turbine verursache. Sie bestritt, mehr Abwässer als wasserrechtsbehördlich genehmigt in die Ager eingeleitet zu haben.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei den Betrag von 48 061.09 S zu, das Mehrbegehren von 241 233.41 S wies es ab. Es stellte fest, es bestunden keine Anhaltspunkte dafür, daß die beklagte Partei die wasserrechtlichen Bescheide nicht eingehalten habe.
Bei der rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, daß die Wasserrechtsbehörde mit dem Eintritt nachteiliger Wirkungen für die klagende Partei bei Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligungen an die beklagte Partei nicht gerechnet habe. Die klagende Partei habe einen Nachweis, daß die beklagte Partei mehr Abwässer als behördlich gestattet einleitete, nicht erbringen können. Der Anteil der beklagten Partei an der Schadenszufügung sei mit dem arithmetischen Mittel der vom Sachverständigen angegebenen Werte (15 bis 25%) zu bestimmen.
Den Berufungen beider Streitteile gab das Berufungsgericht nicht Folge. Da es der klagenden Partei nicht gelungen sei, die Rechtswidrigkeit und das Verschulden der beklagten Partei zu beweisen, scheide eine Haftung nach § 26 Abs. 1 WRG aus. Daß die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 26 Abs. 2 und 3 WRG gegeben seien, sei im Berufungsverfahren nicht mehr strittig. Das Erstgericht habe den Anteil der beklagten Partei an der Schadenszufügung mit 20% zutreffend festgestellt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit in der Revision ausgeführt wird, die Vorinstanzen seien von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen, als alleiniger Haftungsgrund käme die Bestimmung des § 26 Abs. 5 WRG in Betracht, die Haftungsbestimmungen des Wasserrechtsgesetzes schlössen aber die allgemeinen Haftungsbestimmungen der §§ 1295 ff. ABGB nicht aus, kann ihr nicht gefolgt werden. Im § 26 Abs. 5 WRG ist kein selbständiger haftungsbegrundender Tatbestand enthalten; den durch eine Gewässerverunreinigung Geschädigten wird vielmehr für den Nachweis der Kausalität eine Beweiserleichterung gewährt und im übrigen für Mittäter und Mitverursacher eine von den §§ 1301, 1302 ABGB zum Teil abweichende Regelung getroffen. Aus der Bestimmung des § 26 Abs. 1 WRG und ihrem Hinweis auf das 30. Hauptstück des II. Teiles des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ergibt sich aber, daß eine Schadenersatzpflicht grundsätzlich nur dort eintreten soll, wo ein Wasserberechtigter eigenmächtig ohne Deckung durch die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde und somit schuldhaft und rechtswidrig einen in adäquatem Kausalzusammenhang zur verletzten Norm entstandenen Schaden verursachte (SZ 25/ 303; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 256; Krzizek, Kommentar zum WRG, 122). Daß die beklagte Partei Wasserberechtigte ist, wurde von der klagenden Partei nich bestritten. Die klagende Partei erblickte ein Verschulden der beklagten Partei darin, daß sie konsenslos Wasser bzw. wesentlich mehr Abwässer in die Ager eingeleitet habe, als ihr wasserbehördlich genehmigt worden sei. Hiezu haben die Tatsacheninstanzen abschließend und damit irrevisibel festgestellt, es bestunden keine Anhaltspunkte dafür, daß die Bescheide über die Menge der abgeleiteten Abwässer und deren Zusammensetzung von der beklagten Partei nicht eingehalten worden seien. Es kommt daher nur eine Haftung nach § 26 Abs. 2 und 3 WRG in Betracht.
Der klagenden Partei kann auch nicht gefolgt werden, daß eine nachträgliche Genehmigung einer Wasseranlage nach § 121 Abs. 1 WRG die Rechtswidrigkeit der bisherigen Wassernutzung nicht beseitige. Die Wasserrechtsbehörde ist nämlich zu einer solchen Maßnahme nur befugt, wenn sie davon ausgeht, daß eine derartige, bisher nicht genehmigte Anlage für fremde Rechte nicht nachteilig war. Es trifft im übrigen zwar zu, daß die klagende Partei von der beklagten Partei entgegen der Vorschrift des § 103 Abs. 1 lit. e WRG der Wasserrechtsbehörde nicht bekanntgegeben worden war. Damit wäre für die klagende Partei die Möglichkeit eröffnet worden, den Schaden ersetzt zu begehren, der dadurch entstanden ist, daß sie im Wasserrechtsverfahren ohne ihr Verschulden außerstande war, ihre Einwendungen rechtzeitig geltend zu machen (§ 26 Abs. 3 WRG). Die klagende Partei hat es aber unterlassen, zu behaupten, welche Einwendungen sie in den jeweiligen Bewilligungsverfahren erhoben hätte und daß diese geeignet gewesen wären, ihre Vermögensschädigung hintanzuhalten.
Soweit die klagende Partei ausführt, daß sich auf Grund der getroffenen Feststellungen der auf die beklagte Partei zurückzuführende Schadensanteil gar nicht bestimmen lasse, kann ihr zwar gefolgt werden; dies führt aber nicht zur Anwendung des § 1302 ABGB, sondern zur Anwendung der Spezialnorm des § 26 Abs. 5 WRG. Eine Solidarhaftung mehrerer Personen für vorsätzliche oder mit auffallender Sorglosigkeit erfolgte Schadenszufügung setzt voraus, daß die Gewässerverunreinigung in Verletzung der Sorgfaltspflicht des § 31 Abs. 1 WRG und damit rechtswidrig ohne Deckung durch eine wasserrechtliche Bewilligung erfolgte (Grabmayr - Rossmann, Das österreichische Wasserrecht[2], 130 Anm. 27 zu § 26 WRG). Wasserberechtigte, die nur auf Grund der Bestimmung des § 26 Abs. 2 WRG in Anspruch genommen werden können, haften hingegen, wenn sich die Anteile der Schadenszufügung nicht bestimmen lassen, nur zu gleichen Teilen (Krzizek a. a. O., 126 f.; anderer Ansicht offenbar versehentlich Koziol a. a. O. II, 258). Die Nichtfeststellbarkeit des Schadensanteiles führt also bei Mitverursachung nicht zu der bei Anwendung der §§ 1301 f. ABGB eintretenden Solidarhaftung aller Schädiger (SZ 45/5 u. a.), sondern abweichend von den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes nur zu einer gleichteiligen Haftung; damit wird wirtschaftlich die Last der Feststellung aller Schädiger und der Einbringlichkeit der auf sie entfallenden Anteile nicht auf einen der in Anspruch genommenen Mitverursacher, sondern auf den Geschädigten überwälzt.
Ein Anteil an der Schadenszufügung ist dann bestimmbar, wenn nachgewiesen wird, daß ein Schädiger in zurechenbarer Weise nur einen bestimmten Teil des Gesamtschadens verursacht hat (Koziol a. a. O. I, 238). Es wurde festgestellt, daß der Anteil der beklagten Partei an den Schäden der klagenden Partei etwa 15 bis 25% betrage. Wenn die Vorinstanzen der beklagten Partei unter Anwendung des § 273 ZPO 20% auferlegten, kann sich die klagende Partei dadurch nicht beschwert erachten, wenn berücksichtigt wird, daß jedenfalls mehr als fünf Verursacher für den Schaden der klagenden Partei in Betracht kommen.
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