OGH 2Ob59/90

OGH2Ob59/9020.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ulrike J***, Diplomgraphikerin, Schillerstraße 16, 2340 Mödling, vertreten durch Dr.Klement Hohenberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Miroslav V***, Kraftfahrer, Sandwirtgasse 31/1, 1060 Wien, 2) P*** & K*** Nutzfahrzeuggesellschaft m.b.H., Pottendorferstraße 3, 7053 Hornstein, und 3) I***

U***- UND S*** AG, p.Adr. Ghegasse 5, 1030 Wien,

alle vertreten durch Dr.Anton Baier, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 148.000,- s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Jänner 1990, GZ 15 R 148/89-46, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22.März 1989, GZ 6 Cg 764/88-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.810,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.301,67, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 24.6.1982 in Wien bei einem vom Erstbeklagten als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen B 88.741 verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Die Zweitbeklagte ist der Halter, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unbestritten.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin in ihrer am 20.6.1985 eingebrachten Klage (unter Berücksichtigung von Akontozahlungen der Drittbeklagten) aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 231.500,- s A; überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für ihre (künftigen) Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren, dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 27.5.1987 (ON 34 S 199) stattgegeben wurde. Im Zuge des Verfahrens dehnte die Klägerin ihr ursprüngliches Leistungsbegehren um bereits vor Klagseinbringung fällig gewordene Schadenersatzforderungen aus dem Titel des Verdienstentganges und der Haushaltshilfe von insgesamt S 148.000,- s A aus. Die erste Klagsausdehnung in Ansehung des in diesem Betrag enthaltenen Verdienstentganges erfolgte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24.1.1986 (ON 6 S 22), in Ansehung der Haushaltshilfe in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2.12.1986 (ON 22 S 116). Nur dieser Betrag ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens. Die Beklagten wendeten hinsichtlich aller Beträge, um die das Leistungsbegehren der Klägerin nach dem 24.6.1985 ausgedehnt wurde, Verjährung ein.

Die Klägerin bestritt den Eintritt der Verjährung hinsichtlich des noch strittigen Betrages.

Das Erstgericht gab - im zweiten Rechtsgang - dem noch offenen Leistungsbegehren der Klägerin statt.

Es traf Feststellungen zur Höhe der Forderungen der Klägerin aus dem Titel des Verdienstentganges und der Haushaltshilfe, deren Wiedergabe hier im einzelnen unterbleiben kann, weil die materielle Berechtigung der noch offenen Klagsforderung nicht mehr strittig ist. Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr die Frage der Verjährung.

Dazu stellte das Erstgericht im wesentlichen folgendes fest:

Mit Schreiben vom 8.9.1982 gab der Klagevertreter der Drittbeklagten die Schadenersatzansprüche der Klägerin mit S 35.000,- für Fahrzeugschaden, S 1.500,- für Ab- und Anmeldekosten, S 1.500,- für Aus- und Einbau des Radios und S 150.000,- für Schmerzengeld bekannt. Er vermerkte in diesem Schreiben, daß alle weiteren Ansprüche, insbesondere für Sachverständigenkosten, Dauerfolgen, Verdienstentgang, Fahrtspesen, Haushaltshilfe und Kleiderschaden, offen bleiben. Am 8.9.1982 überwies die Drittbeklagte dem Klagevertreter eine Akontozahlung von S 50.000,-. Am 17.5.1983 richtete der Klagevertreter ein weiteres Schreiben an die Drittbeklagte, in welchem er unter anderem ausführte: " ... Des weiteren würde ich vermeinen, daß eine weitere höhere Akontozahlung auch im Hinblick auf den beträchtlichen Verdienstentgang, den meine Mandantin als selbständige Graphikerin erlitten hat, geleistet wird." Mit Schreiben vom 27.6.1983 bot die Drittbeklagte für Fahrzeugschaden S 38.000,- und für Schmerzengeld bis 31.7.1983 S 82.000,- an. Sie vermerkte in diesem Schreiben, daß eventuelle Dauerfolgen sowie Verdienstentgang, Haushaltshilfe und Kleiderschaden offen blieben. Am 11.7.1983 ging ein weiterer Betrag von S 50.000,- als Akontozahlung der Drittbeklagten beim Klagevertreter ein. Mit Schreiben vom 28.6.1984 teilte der Klagevertreter der Drittbeklagten mit, daß vorerst sämtliche Unterlagen für den Verdienstentgang nicht beigeschafft werden konnten. Die weitere Korrespondenz zwischen dem Klagevertreter und der Drittbeklagten vom 3.7.1984 bis 26.6.1985 bezog sich weder auf den Verdienstentgang noch auf Haushaltshilfe. Mit Schreiben vom 26.6.1985 ersuchte die Drittbeklagte den Klagevertreter, ihr nach Erhalt des Gutachtens Dris. Fanta dieses zur Verfügung zu stellen, damit ein allfälliger Vergleich geschlossen werden könne. Sie ersuchte in diesem Schreiben den Klagevertreter, den geforderten Verdienstentgang zu belegen. In der Zwischenzeit hatte der Klagevertreter am 20.6.1985 die Klage eingebracht. In ihrem Schreiben an den Klagevertreter vom 9.9.1985 wies die Drittbeklagte darauf hin, daß der Verdienstentgang und die Haushaltshilfe bisher nicht belegt worden seien. Am 11.10.1985 fand eine Besprechung in den Büroräumen der Drittbeklagten statt, an der der Klagevertreter teilnahm. Er hielt anschließend in einem Aktenvermerk fest, daß über einen Betrag von S 10.000,- an Haushaltshilfe pauschal und über einen Betrag von S 120.400,- an Verdienstentgang gesprochen worden sei. Mit Schreiben vom 4.11.1985 bot die Drittbeklagte dem Klagevertreter als Vergleichsvorschlag einen Betrag von S 10.000,-

für Haushaltshilfe und von S 84.000,- für Verdienstentgang an. Mit Schreiben vom 6.11.1985 teilte der Klagevertreter der Drittbeklagten mit, daß ein Vergleich auf dieser Basis nicht möglich erscheine. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Schreiben des Klagevertreters vom 8.9.1982 eine Anmeldung des Schadenersatzanspruches der Klägerin beim Versicherer im Sinne des § 63 Abs 2 KFG darstelle. In der Folge seien zwischen den Streitteilen umfangreiche Vergleichsgespräche geführt und von Seiten der Drittbeklagten auch zahlreiche Akontozahlungen geleistet worden. Zumindest bis zum Zeitpunkt der Klagebeantwortung (15.7.1985) sei durch diese Vergleichsgespräche eine Fortlaufhemmung gegeben gewesen; der Zeitraum vom 8.9.1982 bis 15.7.1985 sei daher in die Verjährungszeit nicht einzurechnen. Eine Ablehnung durch den Versicherer im Sinne des § 63 Abs 2 KFG sei überhaupt nicht erfolgt; vielmehr habe die Drittbeklagte mit ihrem Schreiben vom 4.11.1985 noch während des anhängigen Rechtsstreites an Verdienstentgang einen Betrag von S 84.000,- und an Haushaltshilfe einen Betrag von S 10.000,- geboten. Die Hemmung der Verjährung im Sinne des § 63 Abs 2 KFG sei daher hinsichtlich der Positionen Verdienstentgang und Haushaltshilfe noch am 4.11.1985 gegeben gewesen. Zwar habe die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch an Verdienstentgang und Haushaltshilfe in ihrer Korrespondenz mit der Drittbeklagten nicht ziffernmäßig geltend gemacht, doch könne diese Unterlassung unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Drittbeklagte noch nach Klagseinbringung die Zahlung eines Betrages von S 10.000,- für Haushaltshilfe und von S 84.000,- für Verdienstentgang angeboten habe, nicht dazu führen, daß die Hemmung der Verjährung nach § 63 Abs 2 KFG nicht eingetreten wäre. Die noch offenen Ansprüche der Klägerin seien daher nicht verjährt.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil vom 10.1.1990 keine Folge. Es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, daß der Geschädigte seine Forderung ziffernmäßig bekanntzugeben habe, weil es sich sonst nur um die Anzeige eines Schadensereignisses handle. Gemäß § 63 Abs 2 KFG werde aber die Verjährung von der Anmeldung des Schadenersatzanspruches des geschädigten Dritten beim Versicherer bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt. Da eine Ablehnung der noch streitverfangenen Ansprüche der Klägerin durch die Drittbeklagte - ob sie nun beziffert worden seien oder nicht - nicht festgestellt worden sei, sei die Zustellung der Klagebeantwortung am 18.7.1985 als hemmungsbeendende Wirkung eines Ablehnungsschreibens anzusehen. Werde der Zeitraum der Hemmung vom 8.9.1982 bis 18.7.1985 zu der am 24.6.1982 begonnenen dreijährigen Verjährungszeit hinzugerechnet, lägen die erfolgten Klagsausdehnungen innerhalb der Verjährungszeit. Ob daher vor Gerichtsanhängigmachung der Klage eine ziffernmäßige Anspruchstellung oder lediglich eine Bekanntgabe des Schadensereignisses erfolgt sei, sei ohne Relevanz. Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß seine Entscheidung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Einklang stehe. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin, der gemäß § 508a Abs 2 ZPO die Beantwortung der Revision freigestellt wurde, hat eine Revisionsbeantwortung mit dem (erkennbaren) Antrag erstattet, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung vertretenen Rechtsansicht gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht, wie sich aus den folgenden Rechtsausführungen ergeben wird, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Sachlich kommt ihr allerdings im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Vorwegzunehmen ist, daß aus dem in der Klage gestellten Feststellungsbegehren der Klägerin, dem in der Folge stattgegeben wurde, in der Frage der Verjährung der noch offenen Leistungsansprüche der Klägerin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten ist, weil sich die Unterbrechungswirkung der Feststellungsklage nur auf im Zeitpunkt ihrer Einbringung zukünftige Schadenersatzansprüche bezieht (SZ 39/19; ZVR 1973/158; 8 Ob 508/87; 1 Ob 555, 556/88; 2 Ob 88/88 uva), die noch offenen Leistungsansprüche der Klägerin bei Klagseinbringung aber bereits fällig waren.

Die Fortlaufhemmung der Verjährung im Sinne des § 63 Abs 2 KFG (nunmehr § 23 Abs 2 KHVG 1987) setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch dem Versicherer gegenüber ziffernmäßig bestimmt geltend macht (ZVR 1975/141; ZVR 1980/347; RdW 1986, 272; 2 Ob 88/88 uva). Dies ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der noch offenen Leistungsansprüche der Klägerin nicht geschehen. Soweit daher das Berufungsgericht den Verjährungseinwand der Beklagten wegen Vorliegens eines Hemmungsgrundes im Sinne dieser Gesetzesstellen als unberechtigt erachtete, ist es von der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht, abgewichen.

Der Revision kommt aber aus einem anderen Grund keine Berechtigung zu.

Für die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB genügt ein Anerkenntnis dem Grunde nach (SZ 43/183; SZ 47/28 uva), wobei ein Verhalten des Anerkennenden genügt, aus dem sein Bewußtsein, dem Grunde nach zu der von ihm verlangten Leistung verpflichtet zu sein, geschlossen werden kann (SZ 42/54; SZ 43/98 uva). Auch unter diesen Gesichtspunkten ist allerdings die Unterbrechung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrit nicht denkbar; allerdings bedeutet das Anerkenntnis einer bereits verjährten Forderung in diesem Sinne in der Regel den Verzicht auf die Einrede der Verjährung (SZ 47/28 mwN ua).

Unter diesen Gesichtspunkten ist in dem Schreiben der Drittbeklagten an den Klagevertreter vom 4.11.1985 ein gemäß § 1502 ABGB zulässiger Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu erblicken. Der objektive Erklärungswert dieses Schreibens geht nämlich über ein bloßes Vergleichsangebot, das im Sinne des § 1497 ABGB die Verjährung nicht unterbrechen könnte (SZ 44/115 ua), weit hinaus. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß die grundsätzliche Ersatzpflicht der Beklagten für die Schäden, die die Klägerin bei dem Unfall vom 24.6.1982 erlitten hat, nicht strittig war. Allfällige Einwände der Beklagten dem Grunde nach hätten sich daher nur darauf beziehen können, daß die Klägerin bestimmte Schäden - etwa Verdienstentgang oder Haushaltshilfekosten - nicht erlitten hätte. Wenn nun der Klagevertreter gegenüber der Drittbeklagten derartige Schäden der Klägerin - wenn auch nicht ziffernmäßig konkretisiert - geltend machte und die Drittbeklagte ihm die Zahlung von Beträgen in bestimmter Höhe zur Abgeltung derartiger Schadenersatzforderungen anbot, ohne auch nur im entferntesten darauf hinzuweisen, daß sie derartige Schadenersatzansprüche dem Grunde nach überhaupt negiere, dann kann aus einem solchen Verhalten der Drittbeklagten redlicherweise nur der Schluß gezogen werden, daß sie sich damit dem Grunde nach zur Abgeltung derartiger Schadenersatzansprüche der Klägerin bereit erklärte und nur bezüglich der Höhe derartiger Ansprüche andere Vorstellungen hatte als die Klägerin.

Dies genügt aber im Sinne obiger Rechtsausführungen für die Annahme eines Verzichtes der Drittbeklagten auf die Einrede der Verjährung gegen die noch offenen Schadenersatzansprüche der Klägerin, der infolge der Regulierungsvollmacht des Haftpflichtversicherers (§ 9 Abs 1 AKHB 1988) auch den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte bindet.

Aus diesem Grund haben die Vorinstanzen im Ergebnis mit Recht die Verjährung der noch offenen Leistungsansprüche der Klägerin verneint.

Der zulässigen außerordentlichen Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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