Spruch:
Durch die Einbringung der Feststellungsklage (der später stattgegeben wurde) wurde die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen. Dabei ist es bedeutungslos, daß die Klägerin hinsichtlich eines Anspruchteiles zunächst auf Leistung geklagt, diesen Anspruchteil aber ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgezogen hatte
Entscheidung vom 28. Jänner 1966, 2 Ob 8/66
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt. II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die Klägerin hat am 4. November 1961 als Insassin eines Personenkraftwagens auf der Bundesstraße 17 in der Nähe von Sch. einen Verkehrsunfall erlitten. Im Vorprozeß ist mit Urteil des Erstgerichtes vom 22. Jänner 1964 u. a. - rechtskräftig - festgestellt worden, daß der Beklagte der Klägerin für alle künftigen Schäden, die ihr aus dem vom Beklagten allein verschuldeten Unfall vom 4. November 1961 in Sch. entstunden, hafte. Im vorliegenden Prozeß eingeleitet durch die am 14. April 1965 erhobene Klage, macht die Klägerin weitere Ersatzansprüche wegen der Unfallsfolgen geltend. Die beklagte Partei hat Grund und Höhe bestritten und insbesondere Verjährung eingewendet.
Das Erstgericht hat die Rechtssache hinsichtlich des Teilbegehrens von 2965.50 S samt Anhang für spruchreif erachtet und mit Teilurteil das Klagebegehren puncto 2965.50 S samt Anhang wegen Verjährung abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin Folge gegeben und das erstinstanzliche Teilurteil dahin abgeändert, daß der Beklagte zur Zahlung des Betrages von 2965.50 S samt Anhang an die Klägerin verurteilt wurde. Verjährung liege nicht vor; der Anspruch der Klägerin sei der Höhe nach unbestritten, sodaß mit der Abänderung des Ersturteiles im Sinne des Zuspruchs des begehrten Teilbetrages vorzugehen sei.
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache puncto 2965.50 S samt 4% Zinsen seit 14. April 1965 zur Fortsetzung der Verhandlung und zur neuerlichen Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im genannten Vorprozeß hat die Klägerin in der Klage vom 25. November 1961 ein Schmerzengeld von 40.000 S samt Anhang sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich aller künftiger Schäden aus dem Unfall vom 4. November 1961 begehrt. Das Leistungsbegehren hat die Klägerin im Verlaufe des Prozesses erweitert und eingeschränkt; in der Tagsatzung vom 19. Jänner 1964 hat die Klägerin - unter anderem - von dem geltend gemachten Heilungskostenersatzbetrag von 7865.50 S das Teilbegehren von 2965.50 S mit Zustimmung des Prozeßgegners ohne Anspruchsverzicht zurückgenommen; dazu hat das Erstgericht festgehalten, daß "die Rückziehung des Klagebegehrens im Teilbetrage von 2965.50 S deshalb erfolgt sei, um eine weitere Vertagung der Verhandlung zur Klärung der Frage zu ersparen, ob in diesem Umfange eine Zession der Ersatzansprüche von der Klägerin auf ihren Vertragsversicherer erfolgt sei". Im Urteil vom 22. Jänner 1964 hat das Erstgericht festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin für alle künftigen Schäden, die ihr aus dem vom Beklagten allein verschuldeten Unfall vom 4. November 1961 entstunden, hafte, und der Klägerin den Betrag von 31.920 S samt Anhang zuerkannt, ein Mehrbegehren puncto 25.000 S aber abgewiesen (diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden). Im jetzigen Prozeß hat die Klägerin in der Klage vom 14. April 1965 - unter anderem - die seinerzeit zurückgenommene Teilforderung an Krankenhauskosten von 2965.50 S samt Anhang geltend gemacht; sie hat für alle Ansprüche auf das bezeichnete Feststellungserkenntnis hingewiesen. Der Beklagte hat das Klagebegehren dem Gründe und der Höhe nach bestritten und im besonderen Verjährung geltend gemacht. Zur Verjährungseinrede ihres Prozeßgegners hat die Klägerin in der Streitverhandlung laut Protokoll nichts vorgebracht. Das Erstgericht hat im bezogenen Teilurteil das Klagebegehren puncto 2965.50 S samt Anhang wegen Verjährung abgewiesen. Das Berufungsgericht aber war der Ansicht, daß Verjährung nicht gegeben sei, und hat in Abänderung des Ersturteils den Beklagten zur Zahlung des Betrages von 2965.50 S samt Anhang an die Klägerin verurteilt, ausgehend von der Annahme, dieser Anspruch der Klägerin sei der Höhe nach unbestritten.
Zutreffend wendet sich der Revisionswerber gegen diese Annahme der Berufungsinstanz; sie wird ja durch die Aktenlage (es kommt diesbezüglich auf den jetzigen Prozeß an) nicht gedeckt; für das Erstgericht war allerdings die Erörterung der Höhe dieser Forderung entbehrlich, weil es den Bestand der Forderung an sich zufolge Verjährung verneinte; ist aber Verjährung nicht anzunehmen, dann kann über den erwähnten Teilanspruch nur abgesprochen werden, wenn die sonstigen Einwendungen der beklagten Partei geprüft worden sind. Insoweit muß der Revision Berechtigung zuerkannt werden.
Zur Frage der Verjährung pflichtet das Revisionsgericht der Beurteilung des Berufungssenates im Ergebnis zu. Die Ausführungen des Revisionswerbers sind nicht geeignet, die Praxis der dritten Instanz zur Bedeutung des Feststellungserkenntnisses in bezug auf die Unterbrechung der Verjährung (vgl. 2 Ob 15/64 vom 13. Februar 1964, ZVR. 1965, Spruchbeilage Nr. 42) als unrichtig darzutun. Zwar wäre ohne das Feststellungserkenntnis vom 22. Jänner 1964 der Teilanspruch - nur dieser steht zur Erörterung - gemäß § 1489 ABGB. verjährt, weil der Klägerin nach den unbestrittenen Feststellungen des Erstgerichtes selbst die genaue Schadenshöhe spätestens am 29. Jänner 1962 bekannt war und die jetzige Klage erst am 14. April 1965 erhoben worden ist. Die Klägerin kann aus den oben mitgeteilten Daten des Vorprozesses schon deswegen nichts für sich ableiten, weil sie auf die Verjährungseinrede ihres Prozeßgegners nicht einmal vorgebracht hat, unter welchem Gesichtspunkt sie "die Klage - im weiteren Sinne - gehörig fortgesetzt hätte" (in dieser Hinsicht trifft ja die Partei, welche Verjährung trotz gegebener Verjährungszeit bestreitet, die Pflicht, die gehörige Fortsetzung der Klage darzutun, somit die Gründe für die Verzögerung darzulegen). Das Berufungsgericht hat aber mit Recht die Annahme der Verjährung wegen des am 22. Jänner 1964 gefällten Feststellungserkenntnisses hinsichtlich der Ersatzpflicht des Beklagten für alle künftigen Schäden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 4. November 1961 abgelehnt. Denn bereits mit der Einbringung der Feststellungsklage (25. November 1961), der später stattgegeben wurde, war die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Ansprüche unterbrochen, was auch für den jetzigen Teilanspruch puncto 2965.50 S samt Anhang zutrifft. Es kommt also nicht darauf an, daß die Klägerin im Vorprozeß die Erweiterung des Klagebegehrens um diesen Betrag hätte aufrecht erhalten können. Der Hinweis des Revisionswerbers auf den Umfang des Feststellungserkenntnisses greift daher nicht durch. Im Zusammenhang mit der Beurteilung des Verjährungsproblems ist es bedeutungslos, daß die Klägerin schon im Vorprozeß zunächst auf Leistung geklagt, dieses Begehren aber nicht aufrechterhalten hat. Es darf nicht verkannt werden, daß die weitgehende Zulassung des Feststellungsbegehrens in Schadenersatzfällen prozeßökonomischen Zwecken dient (vgl. die grundsätzlichen Ausführungen in 2 Ob 417/51 vom 12. Juli 1951, SZ. XXIV 187). Wäre der Auffassung des Revisionswerbers in der Verjährungsfrage zu folgen, dann käme einem Feststellungserkenntnis in diesen Fällen nur eingeschränkte Wirkung zu; es müßte immer zur Beurteilung der Verjährungsfrage der Eintritt der Fälligkeit weiterer Ansprüche geprüft werden, was dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie widerstreitet.
Aus diesen Erwägungen ist die Ansicht der Berufungsinstanz, Verjährung liege bezüglich des Teilanspruches nicht vor, zu billigen. Dies führt aber im Sinne der obigen Ausführungen zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht, damit die Höhe des bezogenen Anspruchs festgestellt werde. Demgemäß war wie im Spruche zu beschließen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)