OGH 7Ob581/90 (7Ob610/90)

OGH7Ob581/90 (7Ob610/90)7.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nikolai und Bernd L***, beide geboren am 31. Dezember 1980 und des Sascha L***, geboren am 20.November 1983, infolge von Revisionsrekursen 1.) des Vaters Herbert L***, Angestellter, Krems, Wasendorferstraße 12/13, vertreten durch Dr. Günther Vasicek, Rechtsanwalt in Langenlois, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems als Rekursgericht vom 17.November 1989, GZ 1 a R 96/89-141, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems a. d.Donau vom 18.Mai 1989, GZ P 71/87-104, bestätigt wurde, und

2.) infolge Revisionsrekurses der Mutter Eleonora L***, Hausfrau, Priel 37, vertreten durch Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwalt in Krems, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau vom 21. November 1989, GZ 1 a R 109/89-142, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems a.d.Donau vom 6.Juni 1989, GZ P 71/87-119, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Krems/Donau vom 21.6.1988, GZ 1 C 1023/87, aus dem überwiegenden Verschulden des Ehemannes geschieden. Dieser stimmte schon am 7.12.1987 der vorläufigen Übertragung der Obsorge über die drei Kinder an die Mutter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu. Mit Antrag vom 13.7.1988 beantragte der Vater, ihm die Obsorge gemäß § 144 ABGB zu übertragen. Die Mutter sprach sich dagegen aus und stellte ihrerseits einen derartigen Antrag.

Mit dem erstangefochtenen Beschluß übertrug das Erstgericht die Obsorge über die drei Kinder der Mutter und wies den diesbezüglichen Antrag des Vaters ab. Es stellte fest, daß die nicht berufstätige Mutter mit den drei Kindern in dem während der Ehe erbauten Einfamilienhaus in Priel Nr.37 wohnt. Die drei Kinder werden von der Mutter stets beaufsichtigt, sind entsprechend verköstigt und befinden sich in einem guten gesundheitlichen Zustand. Alle drei Kinder sind durch die immer wieder auftretenden Streitigkeiten der Eltern nachteilig beeinflußt. Der mj. Nikolai ist deutlich minderbegabt, der mj. Bernd weist einen Begabungsmangel auf. Er lehnt im Gegensatz zum mj. Nikolai den Kontakt zu seinem Vater ab. Beide Kinder lehnen die nunmehrige Gattin des Vaters ab. Der Vater lebt mit seiner nunmehrigen Ehefrau und deren in den Jahren 1980 und 1981 geborenen Kindern sowie einem gemeinsamen Kleinkind in einer 78 m2 großen Dreizimmer-Neubauwohnung in Krems-Lerchenfeld. Die nunmehrige Ehegattin des Vaters ist zur Übernahme des mj. Nikolai L*** bereit. Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß unter Berücksichtigung der Grundsätze der Kontinuität der Pflege und Erziehung und der Nichttrennung von Geschwistern kein Anlaß für eine Änderung der Pflegeverhältnisse vorliege, zumal die vom Vater gegen die Mutter erhobenen Anschuldigungen wegen Vernachlässigung der Kindererziehung nicht zuträfen. Ein Wechsel der Pflegeverhältnisse liefe dem Wohl der Kinder zuwider.

Mit Beschluß vom 30.5.1988 räumte das Erstgericht dem Vater ein Besuchsrecht an jedem 1. und 3.Samstag im Monat von 9 bis 18 Uhr zu seinen drei mj. Kindern ein. Mit Beschluß vom 6.6.1989 stellte das Erstgericht fest, daß die Mutter am 18.3., 1.4., 15.4. und 6.5.1989 das Besuchsrecht hinsichtlich der Kinder Bernd und Sascha und am 20.5.1989 hinsichtlich aller drei Kinder dem Vater nicht ermöglicht hat und verhängte auf Antrag des Vaters über sie gemäß § 19 Abs.1 AußStrG eine Geldstrafe von S 1.000. Es drohte der Mutter für den Fall weiterer Besuchsrechtsvereitelungen die Verhängung einer Geldstrafe von S 2.000 an. Es folgerte rechtlich, daß der erziehungsberechtigte Elternteil verpflichtet sei, das Besuchsrecht des Vaters auch gegen allfällige Wünsche der noch unmündigen Kinder durchzusetzen und so auf die Kinder einzuwirken, daß sie allfällige Vorurteile aufgeben.

Mit dem erstangefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Vaters gegen die Zuteilung der elterlichen Rechte über die Kinder an die Mutter keine Folge. Es folgerte rechtlich, daß eine Veränderung der Lebensverhältnisse der Kinder deren seelische und geistige Entwicklung nachteilig beeinflussen würde. Der Vorwurf des Vaters, die Mutter sorge nicht für das körperliche Wohl der Kinder und vernachlässige deren Pflege und Betreuung, habe sich als unrichtig erwiesen. Der schlechte Schulerfolg der beiden Zwillinge sei nur auf deren Minderbegabung zurückzuführen, nicht aber auf eine mangelhafte Anleitung durch die Mutter, die für einen geordneten Schulbesuch Sorge trage. Die Aufnahme der drei Kinder in die väterliche, nur 78 m2 große Wohnung würde, da dort bereits fünf Personen leben, zu einer Verschlechterung ihrer Wohnverhältnisse führen.

Mit dem zweitangefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs der Mutter gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe von S 1.000 und gegen die Anordnung einer Ordnungsstrafe von S 2.000 bei weiterem Zuwiderhandeln der Besuchsrechtsregelung keine Folge. Es folgerte rechtlich, daß die Ausübung des Besuchsrechtes durch den nicht erziehungsberechtigten Elternteil zu dessen Grundrechten zähle. Die erziehungsberechtigte Mutter treffe daher die Verpflichtung, die gegen die Ausübung des Besuchsrechtes eingestellten Kinder durch entsprechendes Verhalten positiv vorzubereiten und allfällige Aversionen abzubauen. Eine durch die Besuche des Vaters ausgelöste gewisse Beunruhigung der Kinder, die dadurch gegeben sei, daß ihr normaler Lebensrhythmus unterbrochen werde, müsse ebenso wie eine gewisse Überreizung der Kinder wegen der nachteiligen Auswirkungen, die durch die Zerreißung des Familienbandes und der damit verbundenen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern entstanden seien, in Kauf genommen werden. Diese Umstände könnten nicht als ernster, das Wohl des Kindes gefährdender Konfliktsfall gewertet werden.

Gegen den erstangefochtenen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihm die Pflege und Erziehung der Kinder zuzuweisen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Gegen den zweitangefochtenen Beschluß richtet sich der Rekurs der Mutter wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, den Antrag des Vaters auf Verhängung einer Ordnungsstrafe abzuweisen, in eventu, daß eine solche für den Fall einer weiteren Besuchsrechtsvereitelung angedroht werde.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind unzulässig.

Da die Entscheidungen des Rekursgerichtes noch vor dem 31.12.1989 ergingen, richtet sich die Zulässigkeit der beiden Revisionsrekurse nach der Übergangsregelung des Art.XLI Z 5 WGN 1989 BGBl.1989/343, sohin nach den §§ 14 und 16 AußStrG aF. Der Rechtsmittelausschluß des § 14 Abs.2 AußStrG aF hindert zwar nicht die Bekämpfung der rekursgerichtlichen Rechtsansicht, wohl aber kann eine Bestätigung nur im Falle einer offenbaren Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder unterlaufenen Nullität angefochten werden (§ 16 Abs.1 AußStrG aF).

1.) Zum Revisionsrekurs des Vaters:

Die Zulässigkeit eines Rekurses gegen eine bestätigende Rekursentscheidung hängt davon ab, ob ein nach § 16 Abs.1 AußStrG beachtlicher Anfechtungsgrund schlüssig ausgeführt wurde (vgl. EFSlg.58.461). Die Verwertung der Ergebnisse einer schulpsychologischen Untersuchung sowie die Übernahme der Erhebungen des jugendpsychologischen Beratungsdienstes der Niederösterreichischen Landesregierung, die zur erstgerichtlichen Feststellung führten, daß der mj. Nikolai unterbegabt ist und beim mj. Bernd eine Entwicklungsstörung vorliegt, anstelle einer, wie der Revisionsrekurswerber den Unterinstanzen vorwirft, unterlassenen Einholung eines Gutachtens eines vom Gericht bestellten Sachverständigen, stellt keinen Verfahrensverstoß dar, dem die Wertigkeit eines Nichtigkeitsgrundes zukäme (vgl. EFSlg.58.448 ff), sieht man davon ab, daß der Vater einen solchen Beweisantrag im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht gestellt hat. Soweit der Rechtsmittelwerber ohne konkreten Bezug, also pauschal der Mutter Erziehungsunfähigkeit und eine Vernachlässigung der Kinder vorwirft, ist nicht erkennbar, worin er einen der im § 16 Abs.1 AußStrG aF normierten Rechtsmittelgründe erblickt.

Dem Revisionsrekurs des Vaters war daher keine Folge zu geben.

2.) Zum Revisionsrekurs der Mutter:

Ist es nach dem Inhalt des Titels Pflicht der Mutter, die beiden 10jährigen und das 7jährige Kind dem Vater zur Ausübung seines Besuchsrechtes zu übergeben, so hat sie dafür Sorge zu tragen, daß die Kinder selbst gegen deren Willen, an den in Betracht kommenden Tagen vom Vater abgeholt werden können. Schon dadurch, daß sie die hiefür notwendigen Vorkehrungen bisher unterließ, hat sie den Titel nicht befolgt, mag sie auch in aktiver Weise zur Vereitelung der Ausübung des väterlichen Besuchsrechtes nichts unternommen haben. Der mit einem Besuchsrechtstitel Belastete muß über die Abstandnahme von einer negativen Beeinflussung des Kindes hinaus alles ihm Zumutbare unternehmen, um in aktiver Weise dem daraus Berechtigten den persönlichen Verkehr mit dem Kind selbst gegen dessen Willen zu ermöglichen (zuletzt 7 Ob 617/87). Von dem Fall abgesehen, daß durch eine zwangsweise Durchsetzung des väterlichen Besuchsrechtes die noch nicht 14jährigen Minderjährigen seelische Schäden nehmen könnten, geht es nicht an, die Wirksamkeit des Titels von der Zustimmung der Minderjährigen zu seinem Inhalt abhängig zu machen (vgl. EFSlg.32.656 uva). Die Beugestrafe dient dazu, den Anordnungen des Gerichtes Achtung zu verschaffen. Daß der Zuwiderhandelnde selbst über kein eigenes Einkommen verfügt, ist unbeachtlich, weil daraus noch nicht der zwingende Schluß gezogen werden kann, die Strafe sei nicht einbringlich (vgl 6 Ob 655/80).

Richtig ist, daß die Außerachtlassung des Kindeswohles eine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellt (vgl. EFSlg.58.398 uva). Die Rechtsmittelbehauptung der Mutter, daß der mj. Nikolai seit der Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater wieder zum Bettnässer geworden sei, wurde von ihr erstmalig nach der Verhängung der Ordnungsstrafe am 27.6.1989 im Zusammenhang mit ihrer ablehnenden Stellungnahme zu einem vom Vater beantragten Ferienbesuchsrecht erhoben (vgl. AS 462 unten). In ihrer Stellungnahme zu den Vorwürfen des Vaters, sie habe das Besuchsrecht vereitelt, war davon keine Rede (vgl. AS 383 ff). Soweit die Unterinstanzen das Bettnässen des mj. Nikolai nicht in einem Zusammenhang mit dem Besuchsrecht des Vaters stehend beurteilt haben, kommt dieser Würdigung des Sachverhaltes nicht die Qualifikation eines der im § 16 Abs.1 AußStrG angeführten Rechtsmittelgründe zu. Die Entwicklungsverspätung der beiden Zwillinge wurde zwar im Bericht des jugendpsychologischen Dienstes der Niederösterreichischen Landesregierung in einem Zusammenhang mit der durch die Zerstörung des Familienbandes verursachten Konfliktsituation gebracht, doch bezog sich dies auf die Zeit vor der Scheidung und nicht auf die Ausübung des später erteilten Besuchsrechtes durch den Vater. Die daraus von der Rechtsmittelwerberin abgeleitete seelische Schädigung der Kinder durch die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater ist daher nicht aktenkundig. Die subjektive Beurteilung des Sachverhaltes durch die Rekurswerberin geht auch aus der Tatsache hervor, daß sie es bisher unterlassen hat, aus den im vorliegenden Rechtsmittel behaupteten Gründen eine Sistierung des Besuchsrechtes des Vaters zu beantragen, vielmehr hat sie bei ihrer Einvernahme am 27.5.1989 sich noch dafür ausgesprochen, daß es wieder zu einer Besuchsrechtsanbahnung kommen solle (vgl. AS 386).

Auch die behaupteten Begründungsmängel, denen die Rekurswerberin das Gewicht einer Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs.1 Z 9 ZPO zumißt, liegen nicht vor. Die Entscheidungen der Unterinstanzen sind nachvollziehbar, die darin getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende rechtliche Beurteilung aus. Die Rekurswerberin vermag auch dagegen gar nicht zu konkretisieren, welche Annahmen der Unterinstanzen unzutreffend wären oder keine ausreichende Beurteilung ihres allfälligen Fehlverhaltens zuließen. Die Rekurswerberin übersieht, daß sie bei ihrer Einvernahme am 29.5.1989 einen Teil der Vorwürfe des Vaters, so daß sie sich zur Weigerung der Kinder den Besuch des Vaters zuzulassen, völlig passiv verhalten hat, zugestanden hat (vgl. S 386 f).

Da für den außerordentlichen Revisionsrekurs nach den §§ 14 bis 16 AußStrG aF auch für das außerstreitige Verfahren das Neuerungsverbot gilt (vgl. zuletzt EFSlg.58.391 uva), sind die Ausführungen im Zusammenhang mit der vorgelegten Ausfertigung des Urteiles des Bezirksgerichtes Krems/D. vom 21.3.1990, GZ 2 C 1157/89-11, unbeachtlich. Bemerkt sei, daß diese Entscheidung zufolge unentschuldigten Fernbleibens des Vaters von der Parteieneinvernahme allein aufgrund der Angaben der Mutter ergangen ist. Zusammenfassend kommt man zum Ergebnis, daß auch der Revisionsrekurs der Mutter unzulässig ist.

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