OGH 7Ob722/89

OGH7Ob722/8921.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 27.Februar 1989 verstorbenen Anna W***, Pensionistin, Amstetten, Ybbsstraße 25, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Mag. Ekkehard W***, Polizeibeamter, Wien 19., Heiligenstädterstraße 331/3/3, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 4. Oktober 1989, GZ R 573,574/89-29, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Amstetten vom 11.September 1989, GZ A 88/89-23 und 25, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Testament vom 28.4.1986 setzte die Erblasserin ihre Tochter Anna M*** zur Universalerbin ein. Nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme hinterließ die Erblasserin zwei weitere Kinder, Mag. Ekkehard W*** und Edeltraud C***. Mit Beschluß vom 21.3.1989 (ON 8) wurden die Nachlaßaktiven von S 5.437,45, bestehend aus einem Pensionsguthaben und gebrauchten Einrichtungs- und Bekleidungsgegenständen ohne Verkehrswert der erblasserischen Tochter Anna M*** auf Abschlag der von ihr bezahlten Todfallsauslagen im Betrage von S 37.154,80 an Zahlungsstatt überlassen. Der erblasserische Sohn behauptet, daß weiteres Verlassenschaftsvermögen in Form von 3/5-Anteilen an der Liegenschaft EZ 330 KG Amstetten vorhanden sei.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß vom 21.3.1989 mangels Anhörung der erblasserischen Kinder Mag. Ekkehard W*** und Edeltrauf C*** auf. In der Folge gab die erblasserische Tochter Anna M*** auf Grund des Testamentes vom 28.4.1986 die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab. Die erblasserischen Kinder Mag. Ekkehard W*** und Edeltraud C*** gaben auf Grund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung zu je 1/3 des Nachlasses ab.

Das Erstgericht nahm mit Beschluß vom 11.9.1989 (ON 23) sämtliche Erbserklärungen an. Es nahm ferner das Nachlaßinventar vom 7.9.1989 mit Nachlaßaktiven von S 5.437,45 und Nachlaßpassiven von 37.433,80, sohin einer Nachlaßüberschuldung von S 31.996,35 an (Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses) und teilte infolge der widersprechenden Erbserklärungen den erblasserischen Kindern Mag. Ekkehard W*** und Edeltraud C*** die Klägerrolle zu (Punkt 5 des erstgerichtlichen Beschlusses). Die Miteigentumsanteile der Erblasserin an der Liegenschaft EZ 330 KG Amstetten wurden in das Nachlaßinventar nicht aufgenommen. Mit Übergabsvertrag vom 31.5.1988 (ON 17) hat die Erblasserin ihre Liegenschaftsanteile ihrer Tochter Anna M*** übergeben. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Anna M*** erfolgte mit Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom 6.9.1989. Mit weiterem Beschluß vom 11.9.1989 (ON 25) wies das Erstgericht den Antrag des erblasserischen Sohnes auf Absonderung der Verlassenschaft ab. Der erstgenannte Beschluß des Erstgerichtes vom 11.9.1989 erwuchs in seinen Punkten 1 bis 3 in Rechtskraft. Im übrigen bestätigte das Rekursgericht die Entscheidungen des Erstgerichtes. Das Rekursgericht stellte fest, daß die Vertragsparteien des Übergabsvertrages auf der übergebenen Liegenschaft wohnhaft waren, die Erblasserin den Willen hatte, die Liegenschaftsanteile ihrer Tochter Anna M*** zu überlassen und daß die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft am Tage der Vertragsunterzeichnung stattgefunden hat.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes ist unzulässig. Gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz ist gemäß § 16 Abs.1 AußStrG der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur aus den Gründen der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder der Nichtigkeit zulässig. Keiner dieser Anfechtungsgründe liegt vor. Eine Nichtigkeit erblickt der Rechtsmittelwerber in der Bestellung des Notars Dr. Manfred K*** zum Gerichtskommissär, da dieser bei Errichtung des Übergabsvertrages und dessen Verbücherung als Vertreter der Anna M*** tätig geworden sei, sowie darin, daß der Beschluß des Erstgerichtes ON 23 keine Begründung enthalte. Beizupflichten ist dem Rechtsmittelwerber nur darin, daß nach § 6 Gerichtskommissärgesetz die §§ 19 bis 25 JN sinngemäß anzuwenden sind, wenn bei dem zum Gerichtskommissär zu bestellenden oder bereits bestellten Notar ein Grund vorliegt, der einen Richter von der Ausübung des Richteramtes in bürgerlichen Rechtssachen ausschließen würde oder seine Unbefangenheit in Zweifel stellt. Nach § 20 Z 4 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramtes in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind. Das gleichzeitige Einschreiten eines öffentlichen Notars als Gerichtskommissär und als Parteienvertreter ist daher abzulehnen (NZ 1983, 108). Ebensowenig wie ein Richter ausgeschlossen ist, der keine streitentscheidenden Rechtshandlungen als Bevollmächtiger einer Partei gesetzt hat (vgl. Fasching I 203), ist ein Notar ausgeschlossen, wenn die von ihm außerhalb des Verlassenschaftsverfahrens vorgenommenen Akte die von ihm im Verlassenschaftsverfahren durchzuführende Tätigkeit nicht entscheidend beeinflussen können. In einem solchen Fall liegt auch kein zureichender Grund vor, die Unbefangenheit des Gerichtskommissärs in Zweifel zu ziehen (vgl. Fasching aaO 200). Im vorliegenden Fall ist der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nicht gleichzeitig als Parteienvertreter eingeschritten. Er errichtete lediglich rund 10 Monate vor dem Ableben der Erblasserin den Übergabsvertrag und führte dann dessen Verbücherung durch. Diese Akte können aber die Funktion des Gerichtskommissärs im Verlassenschaftsverfahren nicht beeinflussen. Liegt aber ein Ausschließungsgrund nach § 6 Gerichtskommissärgesetz nicht vor, erübrigt sich eine Erörterung der Frage, ob und inwieweit die Tätigkeit eines ausgeschlossenen Notars als Gerichtskommissär eine Nichtigkeit nach § 477 Abs.1 Z 1 ZPO bewirkt.

Zuzustimmen ist dem Rechtsmittelwerber auch darin, daß die Rechtsmeinung, die Nichtbegründung einer Verfügung in Außerstreitsachen bewirke, selbst bei widersprechenden Anträgen, keine Nichtigkeit (SZ 39/1), nicht unwidersprochen blieb (vgl. König in RZ 1977, 196). Es ist jedoch ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß die von der zweiten Instanz ergänzte Begründung diesen Mangel heilt (SZ 39/1; RZ 1977/98; 6 Ob 8/87; 3 Ob 182/88). Zu Unrecht erblickt der Rechtsmittelwerber eine Aktenwidrigkeit in der Annahme der zweiten Instanz, daß die Parteien des Übergabsvertrages auf der Vertragsliegenschaft wohnten, weil es sich bei dieser Annahme um eine Schlußfolgerung tatsächlicher Art handelt, die keine Aktenwidrigkeit begründet (EvBl.1948/623 uva). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit sieht der Rechtsmittelwerber darin, daß sich das Rekursgericht durch die Annahme eines Besitzerwerbes durch Erklärung über die Bestimmungen des § 321 ABGB hinwegsetzte, wonach der rechtmäßige Besitz eines dinglichen Rechtes auf unbewegliche Sachen nur durch die ordentliche Eintragung in die öffentlichen Bücher erlangt wird. Gegenstand des § 321 ABGB ist jedoch nicht der Erwerb des Besitzes, sondern dessen Qualifikation durch den Titel des Erwerbes (Klang2 II 89; vgl. auch Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 1 f zu § 321). Nur für den Eigentumserwerb verlangt das Gesetz die Verbücherung, beim Besitzerwerb kommt es auf die tatsächliche Überlassung an (Koziol-Welser8 II 24). Diese ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (3 Ob 599/83). Die Auffassung des Rekursgerichtes, daß hier durch die vom Willen der Übergabe und Übernahme getragenen Erklärungen in Verbindung mit dem bereits bestehenden Naheverhältnis ein Besitzerwerb der erblasserischen Tochter Anna M*** stattgefunden hat, ist nicht offenbar gesetzwidrig (vgl zum Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit SZ 44/180; SZ 39/103; SZ 25/185).

Demgemäß ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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