OGH 1Ob531/52

OGH1Ob531/522.7.1952

SZ 25/185

Normen

ABGB §186
AußStrG §9
ABGB §186
AußStrG §9

 

Spruch:

Durch die bloß tatsächliche Übernahme der Pflege eines Kindes entsteht noch kein Pflegevertrag. Die faktische Übergabe eines außerehelichen Kindes durch die Mutter in Pflege, ohne daß der Vormund dagegen etwas unternommen hat, genügt nicht zum stillschweigenden Abschluß eines Pflegevertrages.

Entscheidung vom 2. Juli 1952, 1 Ob 531/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die mj. Rosina S. kam nicht lange nach ihrer Geburt zu Anna F., der Mutter des außerehelichen Vaters der Minderjährigen, und befand sich seither bei dieser in Pflege und Erziehung.

Auf Antrag des Bezirksjugendamtes S. als Vormund der Minderjährigen hat das Erstgericht mit Beschluß vom 13. März 1952 verfügt, daß die Minderjährige der bisherigen Pflegemutter Anna F. abzunehmen und an dem vom Bezirksjugendamt im Einvernehmen mit der Kindesmutter auszuwählenden Pflegeplatz unterzubringen sei.

Das Rekursgericht hat diese Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluß bestätigt.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Anna F. und des Franz D. zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie der Oberste Gerichtshof schon in mehreren Entscheidungen ausgesprochen hat, steht den Pflegeeltern eines Kindes in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten überhaupt kein Rekursrecht zu (2 Ob 532/51). Hievon abgesehen ist Franz D. offenbar nicht einmal als Pflegevater des Kindes anzusehen, da das Kind laut Aufnahmebericht S. 5 der Anna F. in Pflege gegeben worden ist. Den Pflegeeltern käme nur gegen die ihnen selbst erteilten Aufträge z. B. auf Herausgabe des Kindes ein Rekursrecht zu, damit sie etwa geltend machen können, daß die Herausgabe des Kindes nicht möglich sei, weil sich das Kind nicht mehr bei ihnen befinde, oder wegen schwerer Erkrankung des Kindes u. dgl. Nun befindet sich das Kind gar nicht mehr bei den Rechtsmittelwerbern, da es ihnen nach ihrem eigenen Vorbringen im Revisionsrekurs inzwischen am 29. Mai 1952 bereits abgenommen worden ist. Hievon abgesehen, handelt es sich um einen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes, der gemäß § 16 AußStrG. nur wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität angefochten werden kann. Ob die a. e. Mutter das Erziehungsrecht besitzt, ist eine Rechtsfrage, deren Lösung sich aus § 169 ABGB. ergibt. Ob der Kindesmutter nach dieser Bestimmung ein Erziehungsrecht auch dann zusteht, wenn sie das Kind gar nicht bei sich zu behalten und daher auch nicht selbst zu erziehen vermag, kann dahingestellt bleiben. Wenn die Rechtsmittelwerber behaupten, es sei mit ihnen ein Pflegevertrag wenigstens stillschweigend abgeschlossen worden, so ist dem entgegenzuhalten, daß ein solcher Vertrag mit den Pflegeeltern nur vom gesetzlichen Vertreter des Kindes geschlossen werden kann (vgl. Bartsch in Klangs Komm., 1. Aufl., zu § 186 ABGB., S. 973). Durch die bloß tatsächliche Übernahme der Pflege des Kindes entsteht aber nur ein rein tatsächliches Verhältnis, das die Erziehungsrechte der Erziehungsberechtigten (Eltern, Vormund) nicht berührt (vgl. Bartsch, a. a. O., S. 972). Daß die Kindesmutter das Kind den Rechtsmittelwerbern faktisch in Pflege übergeben hat und der Vormund dagegen bisher nichts unternommen hat, genügt noch nicht, um das Vorliegen eines Pflegeschaftsvertrages anzunehmen. Das Vormundschaftsgericht konnte daher die anderweitige Unterbringung des Kindes anordnen, ohne daß bei den Pflegeeltern die Voraussetzungen des § 178 ABGB. gegeben wären (vgl. Bartsch, a. a. O., S. 973). Die Frage, wann die anderweitige Unterbringung im Interesse des Kindes gelegen ist, ist im Gesetz überhaupt nicht gelöst, sondern der Beurteilung der Gerichte überlassen. Eine solche Verfügung, welche die Untergerichte im Interesse des Kindes gelegen erachten, kann daher nicht offenbar gesetzwidrig sein. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann, und trotzdem anders entschieden wurde (vgl. SZ. XXI/10). Mangels der Voraussetzungen des § 16 AußstrG. ist daher der Revisionsrekurs unzulässig.

Bemerkt sei noch, daß Wesen und Verhalten des Lebensgefährten der Anna F., Franz D. nach dem Erhebungsbericht ein weiteres Verbleiben des Kindes bei Anna F. nicht im Interesse der Minderjährigen gelegen erscheinen läßt, zumal der Kindesmutter auch weitere Besuche am Pflegeplatz im Hinblick auf das Verhalten der Rechtsmittelwerber nicht zuzumuten ist. Der Mutter des außerehelichen Kindesvaters als solcher steht gemäß § 169 ABGB. überhaupt kein Erziehungsrecht zu.

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