OGH 2Ob99/89 (2Ob1057/89)

OGH2Ob99/89 (2Ob1057/89)28.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Bruno H***, Übersetzer, 3-38-3 Sanno, Ohta-Ku, 143 Tokio, Japan, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und Dr. Wolfgang Wagner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Rudolf K***, Tankwart, Wattgasse 82, 1170 Wien, 2) Christa K***, Angestellte, ebendort wohnhaft, und 3) E*** A*** V***-AG,

Brandstätte 7-9, 1010 Wien, alle vertreten durch Dr. Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,526.059,60 S sA (Revisionsstreitwert 93.244,25 S, Rekursstreitwert 1,236.525,60 S), infolge Revision und Rekurses der beklagten Parteien gegen das Urteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. März 1989, GZ 17 R 27, 30/89-73, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 2. November 1988, GZ 12 Cg 733/84-62, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

2) Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 4. Jänner 1983 ereignete sich im 7. Wiener Gemeindebezirk, in der Neustiftgasse in der Nähe des Hauses Nr. 31, ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen W 411.730 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist die Halterin, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeugs. Der in der Neustiftgasse stadtauswärts fahrende Erstbeklagte stieß mit dem von ihm gelenkten PKW den Kläger, der die Fahrbahn - in der Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen - von rechts nach links überquerte, nieder. Dabei wurde der Kläger schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 13. Oktober 1983, 13 U 807/83-4, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, die Fahrbahn nicht gehörig beobachtet zu haben.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger zunächst aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall neben einem Leistungsbegehren ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand - der Drittbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrags - für zwei Drittel seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren gestellt, über welches bereits mit Teilurteil abgesprochen wurde. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichts vom 18. März 1987 (ON 51) wurde dem Feststellungsbegehren des Klägers in Ansehung von 50 % seiner künftigen Unfallschäden stattgegeben und sein Feststellungsmehrbegehren abgewiesen. Dabei wurde in tatsächlicher Hinsicht im wesentlichen davon ausgegangen, daß der erheblich alkoholisierte Kläger als Fußgänger die Fahrbahn der Neustiftgasse in der Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen von rechts nach links überquerte, wobei er nach Überschreiten der Fluchtlinie der rechts geparkten Fahrzeuge bis zur Kollision eine Strecke von 4,6 m in 3,07 Sekunden zurücklegte. Der Anhalteweg des Erstbeklagten hätte bei der von ihm eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von 45 km/h 27 m, die Anhaltezeit 3,3 Sekunden betragen. Der Erstbeklagte führte, als er den Bruder des Klägers wahrnahm, der vor diesem die Fahrbahn überquerte, eine ins Gewicht fallende Verminderung seiner Fahrgeschwindigkeit herbei; bei Ausnützung der gegebenen Beobachtungsmöglichkeiten hätte der Erstbeklagte den PKW noch vor der Überquerungslinie des Klägers zum Stillstand bringen können. Tatsächlich nahm er aber den Kläger überhaupt nicht wahr und setzte keine durch das Verhalten des Klägers ausgelöste Reaktionshandlung. Das Leistungsbegehren des Klägers war zuletzt (ON 54 S 220) auf Zahlung von 1,526.059,60 S sA gerichtet. Dem Grund nach stützte der Kläger dieses Begehren darauf, daß ihn zwar selbst (im Hinblick auf die Entscheidung über sein Feststellungsbegehren) ein mit 50 % zu bewertendes Mitverschulden treffe, daß ihm aber die Beklagten 50 % seiner Schäden zu ersetzen hätten.

Im einzelnen habe der Kläger folgende Schäden erlitten:

Schmerzengeld S 400.000,--

Krankenbehandlungskosten S 121.651,20

S 16.544,--

Flugkosten S 14.000,--

Kosten für Rettung S 1.404,--

Kosten für Medikamente S 120,--

Selbstbehalt (bei Krankenbehandlungs-

kosten) S 15.000,--

Aufenthaltskosten der Ehegattin S 4.000,--

Kleiderschaden S 3.000,--

Verdienstentgang S 500.000,--

und S 1,976.400,--

S 3,052.119,20.

Die Hälfte davon, also den Betrag von 1,526.059,60 S, hätten die Beklagten dem Kläger zu ersetzen.

Die Beklagten wendeten dem Grund nach im wesentlichen ein, daß das Mitverschulden des Klägers mit 75 % zu bewerten sei, weil er in betrunkenem Zustand zwischen parkenden Fahrzeugen hervor gegen den vom Erstbeklagten gelenkten PKW gelaufen sei. Der Höhe nach bestritten sie die Angemessenheit des vom Kläger verlangten Schmerzengelds. Zur Geltendmachung der Krankenbehandlungskosten von 121.651,20 S sei der Kläger nicht aktiv legitimiert. Ein Verdienstentgang sei dem Kläger nicht entstanden, zumindest nicht in der von ihm behaupteten Höhe.

Schließlich wendeten die Beklagten eine der Höhe nach nicht strittige Gegenforderung aus diesem Verkehrsunfall von 18.909 S aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht entschied mit Endurteil, daß die Klagsforderung mit 302.034 S und die eingewendete Gegenforderung mit 9.454,50 S zu Recht besteht. Es verurteilte daher die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 292.579,20 S sA an den Kläger. Eine Abweisung des Leistungsmehrbegehrens enthält der Spruch des Urteils des Erstgerichts nicht; daß sie vom Erstgericht beabsichtigt war, ergibt sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen seines Urteils. Das Erstgericht traf Feststellungen über die Verletzungen des Klägers und ihre Folgen, deren Wiedergabe im einzelnen unterbleiben kann. Nach dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen sei dem Kläger die Ausübung der vollen Berufstätigkeit spätestens von Jahresanfang 1984 an möglich gewesen. Das veranlagte Einkommen des Klägers betrug für 1981 12,830.430 Yen, für 1982 11,410.000 Yen und für 1983 8,709.040 Yen. Den an Krankenbehandlungskosten geltend gemachten Betrag von 121.651,20 S hat der Kläger nicht bezahlt. Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß das dem Kläger zustehende angemessene Schmerzengeld (ungekürzt) mit 300.000 S zu bemessen sei. Der von ihm verlangte Teil der Krankenbehandlungskosten von 121.651,20 S sei ihm nicht zuzusprechen, weil der Kläger diesen Betrag nicht bezahlt habe. Im Jahr 1983 habe der Kläger einen erheblichen Verdienstentgang erlitten, der mit rund 250.000 S anzunehmen sei. Der vom Kläger für das Jahr 1985 behauptete Verdienstentgang sei nicht erwiesen, ebenso auch nicht der von ihm behauptete Verdienstentgang infolge des Verlusts eines Großauftrags.

Ingsesamt sei dem Kläger folgender Schaden entstanden:

Schmerzengeld S 300.000,--

Krankenbehandlungskosten S 16.544,--

Flugkosten S 14.000,--

Kosten für Rettung S 1.404,--

Kosten für Medikamente S 120,--

Selbstbehalt S 15.000,--

Aufenthaltskosten der Ehegattin S 4.000,--

Kleiderschaden S 3.000,--

Verdienstentgang 1983 S 250.000,--

S 604.068,--.

Die Hälfte davon sei im Sinn einer Schadensteilung im Verhältnis

von 1 : 1 dem Kläger zuzusprechen.

Diese Entscheidung des Erstgerichts wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.

Das Berufungsgericht gab mit Urteil beiden Berufungen teilweise nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts insoweit als Teilurteil, als es die Klagsforderung mit 177.034 S und die eingewendete Gegenforderung mit 9.454,50 S als zu Recht bestehend erkannte, die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 167.579,50 S sA verurteilte und ein auf Zahlung eines weiteren Betrags von 59.454,50 S sA gerichtetes Mehrbegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß eine Revision gegen sein Urteil nicht zulässig sei. Im übrigen hob das Berufungsgericht mit Beschluß die Entscheidung des Erstgerichts unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies in diesem Umfang die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, soweit die Beklagten eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers zu erreichen versuchten, seien sie auf die Ausführungen in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien ON 51 zu verweisen. Nach den dort getroffenen Feststellungen, von denen auch hier auszugehen sei, bestehe kein Anlaß, von der dort vertretenen Ansicht, daß eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt sei, abzugehen.

Die weiteren Verfahrensergebnisse ließen eine abschließende Entscheidung lediglich hinsichtlich des Schmerzengelds, der nicht mehr strittigen Einzelposten an Krankenbehandlungskosten, Flugkosten, Kosten für Rettung und für Medikamente, Selbstbehalt, Aufenthaltskosten der Ehegattin und Kleiderschaden von insgesamt 54.068 S und über die Gegenforderung zu. Die Schmerzengeldbemessung mit 300.000 S durch das Erstgericht sei zu billigen. Ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 ergebe sich daher eine als berechtigt zu beurteilende Klagsforderung von 177.034 S, wovon die Hälfte der Gegenforderung in der Höhe von 9.454,50 S in Abzug zu bringen sei, sodaß dem Kläger ein Betrag von 167.579,50 S zuzusprechen und ein Mehrbegehren von 59.454,50 S abzuweisen sei. Hinsichtlich des Verdienstentgangs und der Behandlungskosten im Wilhelminenspital von 121.651,20 S sei aber mit einer Aufhebung vorzugehen.

Was den letztgenannten Betrag betreffe, liege eine Zahlungsaufforderung des Magistrats der Stadt Wien vom 24. Mai 1983 (Beilage A) vor sowie die Aussage des Klägers, daß er diesen Betrag nicht beglichen habe. Das Erstgericht habe die Frage der Leistungspflicht des Klägers und seine Aktivlegitimation nicht ausreichend geprüft.

Der Kläger führe in seiner Parteienvernehmung aus, er habe im Jahr 1962 Österreich verlassen und sei seither hier abgemeldet; seit etwa 1975 sei er mit seiner Familie in Japan krankenversichert. Daraus ergäben sich zunächst keine Anhaltspunkte, daß für die genannten Behandlungskosten die Leistungspflicht eines österreichischen Sozialversicherungsträgers bestehe. Im Fall einer solchen Leistungspflicht wäre allerdings die Aktivlegitimation zur Geltendmachung dieser Forderung nach § 332 ASVG bzw. gleichlautenden ähnlichen Bestimmungen auf den Sozialversicherungsträger übergegangen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieser in Anspruch genommen worden sei oder tatsächlich Leistungen erbracht habe. Im Fall der Leistungspflicht oder der tatsächlichen Zahlung durch einen ausländischen Sozialversicherungsträger wäre zu prüfen, ob nach der ausländischen Rechtslage ein vergleichbarer Forderungsübergang und damit der Verlust der Aktivlegitimation des Klägers eingetreten sei. Die Frage eines allfälligen Forderungsübergangs zwischen dem im Ausland wohnhaften Versicherungsnehmer und seiner ausländischen Sozialversicherung sei nach ausländischem Recht zu beurteilen. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die Behauptung des Klägers, daß ihn für den genannten Betrag auch heute noch die Zahlungspflicht treffe, zu prüfen bzw. im Fall einer zwischenzeitlich durch einen Dritten erfolgten Zahlung oder der Zahlungspflicht eines Dritten den sich hieraus allenfalls ergebenden Verlust der Aktivlegitimation zu beachten haben.

Das Erstgericht habe dem Kläger einen mit 250.000 S bemessenen Verdienstentgang für das Jahr 1983 zugesprochen und hiezu einen Mittelwert aus den veranlagten Einkommen der Steuerjahre 1981 und 1982 gebildet und diesem das Einkommen im Jahr 1983 gegenübergestellt. Die Differenz, umgerechnet auf österreichische Schilling, sei dem Kläger zugesprochen worden. Der Kläger habe hiezu verschiedene Angaben zur Besteuerung selbständig Erwerbstätiger in Japan gemacht. Es handle sich jedoch dabei lediglich um sehr kursorische Ausführungen zum japanischen Steuersystem, wobei wohl ein gestaffelter Steuersatz genannt werde, ohne daß dem auch nur im geringsten entnommen werden könne, wie sich dieser auf das verminderte Einkommen im Jahr 1983 ausgewirkt habe. Außerdem habe der Kläger selbst ausgeführt, er könne nicht verläßlich sagen, ob der im vorliegenden Verfahren aus dem Titel des Verdienstentgangs zugesprochene Schadenersatzbetrag in Japan der Einkommensteuer unterliege oder nicht. Die vom Erstgericht vorgenommene Berechnung des Einkommensverlusts des Klägers im Jahr 1983 bilde daher keine tragfähige Grundlage für eine Entscheidung.

Darüber hinaus sei auf die Bestätigung Beilage K zu verweisen, in der ausdrücklich festgehalten werde, daß die Einkommenshöhe zum Zeitpunkt der Ausstellung dieser Bestätigung den Angaben des Klägers entspreche, daß sich jedoch auf Grund von Steuerberichtigungsanträgen oder auf Grund einer staatlichen Steuerprüfung korrigierte Beträge ergeben könnten. Da diese Bestätigung im März 1983 ausgestellt worden sei, könne davon ausgegangen werden, daß bis jetzt bereits rechtskräftige Steuerbescheide vorlägen, die eine verläßliche Grundlage bilden könnten. Darüber hinaus sei darauf Bedacht zu nehmen, daß der Verdienstentgang stets als Nettoschaden zu berechnen sei. Es müsse dem Kläger daher jener Bruttobetrag zugesprochen werden, der nach Abzug der auf den Schadenersatzbetrag entfallenden Steuern und Abgaben dem Nettoschaden entspreche. Zur Berechnung dieser Umstände sei die steuerliche Belastung des Klägers in Japan zu ermitteln. Ebenfalls unzureichend seien die Verfahrensergebnisse bezüglich der Behauptung des Klägers, es sei ihm unfallsbedingt der Auftrag für die Übersetzung einer umfangreichen Werksbeschreibung entgangen. Wenn auch dem Erstgericht darin zu folgen sei, daß das diesbezügliche Vorbringen keineswegs so konkretisiert und durch Beweisergebnisse belegt sei, daß dieser Verdienstentgang bejaht werden könne, so könne über diese Forderung auch noch nicht abschließend im Sinn einer Abweisung entschieden werden, da immerhin die Bestätigung Beilage J und die Parteienaussage des Klägers vorlägen, gegen die zunächst keine grundsätzlichen Argumente sprächen. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren, allenfalls unter Bedachtnahme auf weitere Beweisanträge, konkrete Feststellungen über die mögliche Auftragslage des Klägers im Jahr 1984 zu treffen und auch bei diesem Verdienstentgang darauf Bedacht zu nehmen haben, welcher (allenfalls erhöhten) steuerlichen Belastung der Kläger durch dieses nicht unerhebliche Zusatzeinkommen ausgesetzt gewesen wäre.

Bezüglich der Behandlungskosten im Wilhelminenspital und des geltend gemachten Verdienstentgangs sei daher das Urteil des Erstgerichts aufzuheben.

Die Revision gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts sei nicht zuzulassen, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Verschuldensteilung der ständigen Rechtsprechung gefolgt sei und die Bemessung des Schmerzengelds im vorliegenden Fall keine revisionswürdige Rechtsfrage darstelle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen es im Umfang des Zuspruchs eines Betrags von 93.244,25 S an den Kläger aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klagsforderung mit 88.517 S und die eingewendete Gegenforderung mit 14.181,75 S als zu Recht bestehend erkannt und daher dem Kläger lediglich ein Betrag von 74.335,25 S zugesprochen, sein darüber hinausgehendes Mehrbegehren von 152.698,75 S sA aber abgewiesen werde.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten. Sie bekämpfen ihn im Umfang der Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich eines 62.500 S übersteigenden Betrags mit dem Antrag, ihn in diesem Umfang aufzuheben und "entweder in der Sache selbst zu erkennen, daß das darüber hinausgehende Begehren des Klägers kostenpflichtig abgewiesen oder das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das Oberlandesgericht Wien zur neuerlichen Verhandlung zurückverwiesen werde".

Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung und eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, den Rechtsmitteln der Beklagten keine Folge zu geben.

I) Zur Revision der Beklagten:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig. Für die Zulässigkeit der Revision nach dieser Gesetzesstelle ist der Wert des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, maßgebend, gleichgültig, ob diese Entscheidung zur Gänze oder zum Teil bestätigend oder abweisend oder zum Teil auch aufhebend ist (Petrasch in ÖJZ 1983, 175; 3 Ob 571, 572/84; 2 Ob 91/88 uva). Da im vorliegenden Fall in diesem Sinn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 300.000 S übersteigt, ist der unzutreffende Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO als nicht beigesetzt anzusehen (8 Ob 208/83; 8 Ob 31/85; 7 Ob 673/86

ua) und ist die Revision der Beklagten nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig.

Sachlich ist sie allerdings nicht berechtigt.

Die Beklagten versuchen in ihrer Revision darzutun, daß, ausgehend von den dem rechtskräftigen Teilurteil über das die künftigen Schadenersatzansprüche des Klägers aus diesem Verkehrsunfall betreffende Feststellungsbegehren zugrundeliegenden Feststellungen, insbesondere im Hinblick auf die Alkoholisierung des Klägers, mit einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers vorzugehen sei.

Dem ist nicht zu folgen.

Auch wenn man mangels Identität des Klagsgegenstands eine Rechtskraft- bzw. sonstige Bindungswirkung des über das Feststellungsbegehren des Klägers ergangenen Teilurteils gegenüber den noch offenen Leistungsansprüchen des Klägers verneint, ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 auf Grund der vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhaltsgrundlage zu billigen. Die Beklagten rügen in ihrer Revision das Zustandekommen dieser Sachverhaltsgrundlage nicht; sie gehen vielmehr in ihrer Rechtsrüge selbst von dieser Sachverhaltsgrundlage aus.

Danach erscheint entscheidend, daß der Erstbeklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit ohne weiteres die Möglichkeit gehabt hätte, den Unfall zu vermeiden. Er hätte den von ihm gelenkten PKW bei rechtzeitiger Reaktion auf das Verhalten des Klägers, der nach Überschreiten der Fluchtlinie der rechts geparkten Fahrzeuge immerhin eine Strecke von 4,6 m bis zum Kollisionspunkt zurücklegte, sogar vor Erreichen der Überquerungslinie des Klägers anhalten können. Von einem überraschenden Betreten der Fahrbahn durch den Kläger im Sinne des § 76 Abs 1 StVO kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden; wohl aber ist dem Kläger anzulasten, daß er entgegen der Vorschrift des § 76 Abs 5 StVO beim Überqueren der Fahrbahn den Fahrzeugverkehr behinderte. Selbst wenn man im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (E MGA EKHG4 § 7/11 ua) dem im wesentlichen nur in einer Fehleinschätzung der Verkehrslage bestehenden Fehlverhalten des Klägers höheres Gewicht beimißt, weil es in alkoholisiertem Zustand gesetzt wurde, steht dem eine zumindest gleich schwer wiegende Sorgfaltsverletzung des Erstbeklagten gegenüber, der infolge ungenügender Aufmerksamkeit den Kläger überhaupt nicht wahrnahm und sich damit von vornherein jeglicher Möglichkeit begab, auf dessen Verhalten erfolgversprechend zu reagieren.

Unter diesen Umständen ist in einer Schadensteilung im

Verhältnis von 1 : 1 ein Rechtsirrtum zu Lasten der Beklagten nicht

zu erkennen.

Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

II) Zum Rekurs der Beklagten:

Auch dieses Rechtsmittel ist zulässig, sachlich aber nicht

berechtigt.

Soweit die Beklagten auch hier darzutun versuchen, daß eine

Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers

vorzunehmen sei, sind sie auf die obigen Ausführungen zu ihrer

Revision zu verweisen.

Im übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß der Anspruch auf Ersatz von Heilungskosten, wozu auch die Kosten der erforderlichen Spitalsbehandlung zählen, schon mit der Körperverletzzung und deren Folgen existent wird und daß daher der Geschädigte grundsätzlich auch noch nicht aufgewendete (bezahlte) Heilungskosten vom Schädiger ersetzt verlangen kann (ZVR 1976/264; ZVR 1988/71; 2 Ob 98/89 ua). Es trifft auch zu, daß in Fällen einer Legalzession im Sinn des § 332 ASVG, wobei Voraussetzungen und Inhalt einer solchen Legalzession nach dem Zessionsstatut zu beurteilen sind (ZVR 1984/231 ua), der Geschädigte mit ihrem Eintritt die aktive Klagslegitimation gegenüber dem Schädiger verliert (ZVR 1977/239; EFSlg 38.637 uva).

Wenn das Berufungsgericht, ausgehend von diesen zutreffenden rechtlichen Grundsätzen, den festgestellten Sachverhalt bezüglich des vom Kläger geltend gemachten Ersatzanspruchs hinsichtlich der Krankenbehandlungskosten von 121.651,20 S für ergänzungsbedürftig erachtete, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

Auch bezüglich des dem Kläger zu ersetzenden Verdienstentgangs entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß der Schädiger den Geschädigten so zu stellen hat, wie wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, daß aber der Geschädigte andererseits auch nicht besser gestellt werden darf, als wenn er den Unfall überhaupt nicht erlitten hätte. Es sind hier zwei hintereinander liegende Berechnungen erforderlich, nämlich die Berechnung dessen, was zu ersetzen ist, und die Berechnung, wie dies zu ersetzen ist. Dabei ist zunächst vom Nettoschaden auszugehen, also von den um Steuern und gesetzliche Abgaben verminderten Bruttoeinkünften des Geschädigten, an deren Bezug er durch die Unfallsfolgen verhindert wurde. Bei der Berechnung des dem Geschädigten gebührenden Schadenersatzes sind aber die Steuer- und sonstigen Abgabenverpflichtungen erneut, also ein zweites Mal, zu berücksichtigen, und zwar nunmehr diejenigen, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen. Die Schadenersatzleistung ist sodann so zu bemessen, daß sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht (SZ 33/50 uva; zuletzt ZVR 1984/90; ZVR 1984/204; ZVR 1986/16; 8 Ob 42/86; 2 Ob 59, 60/89).

Wenn das Berufungsgericht, ausgehend von diesen zutreffenden

rechtlichen Grundsätzen, den festgestellten Sachverhalt auch

bezüglich des vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruchs

aus dem Titel des Verdienstentgangs für ergänzungsbedürftig

erachtete, kann dem der Oberste Gerichtshof gleichfalls nicht

entgegentreten (SZ 38/29; SZ 38/227 uva).

Es muß daher auch dem Rekurs der Beklagten gegen den

Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts ein Erfolg versagt bleiben.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisions- und des Rekursverfahrens

beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte