OGH 8Ob42/86

OGH8Ob42/8619.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Salvatore R***, Angestellter, Hofberg 4, 4010 Linz, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1) Johannes K***, Taxiunternehmer, 6534 Fiß 39, und 2) D*** A***

V***-AG., Schottenring 15, 1010 Wien, beide vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Zahlung von S 523.980,68 s.A., Leistung einer monatlichen Rente von S 22.141,62 von Mai 1984 bis einschließlich Jänner 1985 und von S 21.334,08 von Feber 1985 bis 31. Dezember 2026 sowie Feststellung (S 50.000,-), Rekursstreitwert S 1,218.833,99, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1986, GZ. 5 R 379/85-26, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. September 1985, GZ. 6 Cg 2130/84-20, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 3. April 1981 im Gemeindegebiet von Fließ bie einem vom Erstbeklagten als Halter und Lenker eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unbestritten.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall unter Berücksichtigung einer bereits erhaltenen Teilzahlung die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 523.980,68 s.A. und zur Zahlung einer monatlichen Rente von S 22.141,62 von Mai 1984 bis einschließlich Jänner 1985 und von S 21.334,08 ab Feber 1985 bis auf weiteres, längstens bis 31. Dezember 2026. Überdies stellte der Kläger ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für seine künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren, dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 25. Februar 1985 stattgegeben wurde (ON 14).

Das Kapitalbegehren des Klägers enthält einen Betrag von S 443.615,60 aus dem Titel des Verdienstentganges; auf dem gleichen Rechtsgrund beruht das Rentenbegehren des Klägers.

Dazu brachte der Kläger im wesentlichen vor, er habe bei dem Unfall vom 3. April 1981 eine Verletzung des linken Auges mit nachfolgender Erblindung und zahlreiche Schnittwunden im Gesicht erlitten, die entstellende Narben zurückgelassen hätten. Abgesehen von dieser Verunstaltung und seiner durch die Unfallsfolgen bedingten dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 % habe der Kläger in seinem erlernten Beruf als Tischler nicht mehr weiterarbeiten können, weil ihm eine Arbeit an laufenden Maschinen oder auf Gerüsten mit einem Auge nicht mehr möglich sei. Vor dem Unfall sei der Kläger bei der Firma Ferdinand F*** AG in Schaan (Fürstentum Liechtenstein) als Tischler beschäftigt gewesen. Da er mit 1. April 1981 zum Präsenzdienst einberufen worden sei, sei dieses Arbeitsverhältnis aufgelöst worden. Der Unfall habe sich ereignet, als der Kläger am 3. April 1981 als untauglich aus dem Präsenzdienst entlassen worden sei.

Noch vor Antritt des Präsenzdienstes habe der Kläger mit der Tischlerei W*** in Wädenswil (Schweiz) vereinbart, dort unmittelbar nach der Entlassung aus dem Präsenzdienst eine Arbeitsstelle anzutreten, wobei der Dienstantritt jedenfalls ab dem 13. April 1981 möglich gewesen wäre. Es hätte sich hiebei um eine Dauerstelle gehandelt, für die der Kläger die fremdenpolizeiliche Bewilligung sowie die Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz in Aussicht gehabt habe.

Der Kläger habe auf Grund der ihm erteilten ärztlichen Ratschläge nach dem Unfall erkennen müssen, daß er in seinem erlernten Beruf als Tischler nicht mehr einsatzfähig sei. Nach Durchführung einer Berufsberatung beim Arbeitsamt Feldkirch habe er sich auf den Beruf eines Bürokaufmannes umschulen lassen. Diese Umschulung im Rehabilitationszentrum Linz habe 18 Monate gedauert. Auf diese Weise sei dem Kläger sein zu erwartender hoher Arbeitsverdienst als Tischlergeselle bei der Firma W*** in Höhe von monatlich sfr 2.673,- brutto (bei einem Stundenlohn von sfr 13,50 sowie Zugrundelegung von 45 Wochenstunden und 22 Arbeitstagen pro Monat), das seien netto sfr 2.318,85, entgangen;

dies unter Berücksichtigung der Lohnabzüge in der Schweiz in Höhe von 10,93 %. Auf der Basis von 13 Gehältern im Jahr und einem mittleren Umrechnungskurs von S 8,50 pro Schweizer Franken habe der Kläger somit einen monatlichen Verdienstentgang von netto S 21.923,65 erlitten.

Ab 10. April 1984 habe der Kläger bei der Drogerie Karl P*** in Linz unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen einen Monatsverdienst von S 6.440,- erzielt. Dieser habe sich seit Feber 1985 auf netto S 7.004,66 erhöht. Dieser tatsächliche Verdienst sei auf den entsprechenden Entgang anzurechnen.

Dem Kläger wäre es möglich gewesen, ab 13. April 1981 sein Arbeitsverhältnis in der Schweiz anzutreten. Er hätte bis Ende April 1984 S 778.289,57 verdient. Hievon kämen die von der Sozialversicherung erhaltenen Leistungen von S 330.374,75 sowie der anteilige Aprilgehalt 1984 von S 4.299,32 in Abzug. Damit belaufe sich der tatsächliche Verdienstentgang vom 13. April 1981 bis einschließlich April 1984 auf S 443.615,60.

Der Verdienstentgang ab Mai 1984 errechne sich unter Berücksichtigung der hierauf entfallenden Steuerlast von ca. 30 % bis Jänner 1985 mit monatlich S 22.141,62 sowie ab Feber 1985 mit monatlich S 21.334,08, wobei hier jeweils das Gehalt bei der Firma P*** berücksichtigt sei.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, ein Verdienstentgang stehe dem Kläger schon allein deshalb nicht zu, weil er zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles weder bei der Firma F*** AG in Schaan noch bei der Firma W*** in Wädenswil angestellt gewesen sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger die von ihm angestrebte Arbeit bei der Firma W*** erhalten hätte, da hiefür die erforderlichen fremdenpolizeilichen und arbeitsrechtlichen Genehmigungen gefehlt hätten.

Im übrigen sei der Kläger nach durchgeführter Operation als erwerbsfähig anzusehen und habe er aus freien Stücken nichts unternommen, um bei einer Schweizer Firma unterzukommen, obwohl im diese Möglichkeit offengestanden sei.

Der Kläger müsse sich schließlich die von den Sozialversicherungsträgern und privaten Versicherungen erbrachten Leistungen anrechnen lassen.

Mit seinem Endurteil erkannte das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 501.694,05 s. A. und die verlangte Rente von monatlich S 22.141,62 von Mai 1984 bis einschließlich Jänner 1985 und von monatlich S 21.334,08 von Feber 1985 bis auf weiters, längstens bis zum 31. Dezember 2026, zu bezahlen. Das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 22.286,63 s.A. wies es ab. Der Zuspruch an Kapital umfaßt unter anderem Verdienstentgang bis einschließlich April 1984 in der Höhe von S 443.539,25. Das Erstgericht stellte zum Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verdienstentgang im wesentlichen folgendes fest:

Der Kläger erlitt bei dem Unfall vom 3. April 1981 schwere Verletzungen des linken Auges und des Gesichtes. Trotz sofortiger Erhaltungsoperation am linken Auge blieb dieses blind. Anläßlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes ab 17. August 1981 wurde schließlich der Augapfel vollständig entfernt, um damit der Gefahr der Schädigung des noch gesunden rechten Auges entgegenzutreten. Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 21. September 1983 wurde dem Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % zuerkannt.

Der Kläger, der die Tischlerlehre mit der Gesellenprüfung abgeschlossen hatte, trat sofort nach Beendigung der Lehrzeit in die Dienste der Firma Tischlerei F*** AG in Schaan (Fürstentum Liechtensein), wo er bis April 1981 ca. 18 Monate lang beschäftigt war. Bei dieser Firma bezog der Kläger zuletzt einen Stundenlohn von sfr. 13,50, wobei er seine Einkünfte als Grenzgänger in Österreich zu versteuern hatte.

Zu Jahresbeginn 1981 erhielt der Kläger den Einberufungsbefehl zum österreichischen Bundesheer (Einrückungstermin 1. April 1981). Der Kläger löste zu diesem Zeitpunkt sein Arbeitsverhältnis in Liechtenstein, um sich für die Zeit nach dem Präsenzdienst um eine finanziell günstigere Arbeitsmöglichkeit in der Schweiz zu bemühen. Er beabsichtigte, unter Vermittlung eines Bekannten eine Arbeitsstelle in der Innerschweiz anzutreten, wo er Wohnsitz zu nehmen und sich dem eidgenössischen Steuerrecht zu unterwerfen beabsichtigte. Anläßlich eines Vorstellungsgespräches bei der Firma W*** in Wädenswil (Kanton Zürich) sagte ihm der Inhaber dieser Firma Erwin W*** zu, daß der Kläger nach Ableistung des Präsenzdienstes dort eine Arbeitsstelle antreten könne. Es wurde allerdings weder ein fixer Arbeitsvertrag abgeschlossen noch ein genauer Termin für diesen ins Auge gefaßt. Der Dienstantritt bei der Firma W*** wäre für den Kläger auch schon im April 1981 möglich gewesen, da diese Firma dringend gelernte Arbeitskräfte suchte.

Von seiten der Firma W*** wurden damals noch keine Schritte in Richtung einer Arbeitsbewilligung unternommen. Falls der Kläger die Arbeit dort angenommen hätte, wäre ihm von den zuständigen Schweizer Behörden die Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. An sich hatte die Firma W*** keine Kontingente für Ausländer. Andere Schreinerfirmen in der Umgebung beschäftigten jedoch Gastarbeiter. Die Anstellungszusage von seiten des Erwin W*** kam vor allem wegen der Empfehlung durch einen Arbeitskollegen des Klägers zustande. Der Kläger hätte bei der Firma W*** zunächst einen Stundenverdienst von sfr 13,50 bis einer 45-Stunden-Woche ins Verdienen gebracht; die Lohnabzüge hätten in der Schweiz 8,3 %

betragen.

Am 5. Mai 1981 nahm der Kläger nochmals Kontakt mit der Firma W*** auf. In einem Schreiben vom 7. Mai 1981 wurde dem Kläger noch einmal angeboten, daß er trotz des Unfalles sofort mit der Arbeit beginnen könne und man die fremdenpolizeilichen Angelegenheiten sodann in die Wege leiten wolle.

Da dem Kläger ärztlicherseits von einer Berufstätigkeit als Tischler abgeraten wurde, trat er die Stelle bei der Firma W*** nicht an. Eine weitere Arbeit als Tischler ist für den Kläger unzumutbar.

In der Folge wandte sich der Kläger an das Arbeitsamt Feldkirch und wurde im Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung zu einer Umschulung zum Bürokaufmann zugelassen. Der Kläger strebte diese an, weil er vor der Tischlerlehre ein Jahr lang die Handelsschule besucht und damit Vorkenntnisse erworben hatte. Für diesen 18monatigen im Rehabilitationszentrum in Linz abgehaltenen Kurs übersiedelte der Kläger mit seiner Gattin dorthin.

Trotz Umschulung gelang es dem Kläger nicht, einen Arbeitsplatz zu finden; er mußte mit der Arbeitslosenunterstützung bzw. Notstandshilfe das Auslangen finden. Seit dem 10. April 1984 arbeitet der Kläger als Bürokaufmann bei der Firma Karl P***, Drogerie in Linz, wo er kollektivvertragsmäßig entlohnt wird. Bis einschließlich Jänner 1985 verdiente er monatlich brutto S 7.010,--, wovon die Sozialversicherungsbeiträge von S 1.083,05 sowie die Lohnsteuer von S 406,90 in Abzug kamen. Das Nettogehalt betrug sohin S 5.520,--. Ab Feber 1985 erhöhte sich das Einkommen des Klägers auf monatlich brutto S 7.475,-- und netto S 6.004,--.

In der Zeit vom 13. April 1981 bis Ende April 1984 bezog der Kläger von den Sozialversicherungsträgern sowie der Arbeitsmarktverwaltung insgesamt Leistungen in Höhe von S 330.374,65.

Das Erstgericht stellte in Anwendung des § 273 ZPO fest, daß der Kläger ab April 1984 eine Steuerlast von 30 % von seinem Bruttolohn zu tragen gehabt hätte, um auf Nettoeinkünfte von ca. S 22.000,-- unter Berücksichtigung eines 13. und 14. Monatsbezuges zu kommen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß einem Geschädigten ein Verdienstentgang auch dann zustehe, wenn er zwar zum Unfallszeitpunkt keinem Erwerb nachging, in der Zukunft aber einen solchen gesucht und gefunden hätte. Es wäre dem Kläger möglich gewesen, den Arbeitsplatz in der Schweiz samt den hiezu erforderlichen fremdenpolizeilichen Bewilligungen zu erlangen. Daran sei er durch den Unfall und seine Folgen gehindert gewesen. Der dem Kläger entstandene Verdienstentgang sei deshalb an dem in der Schweiz fiktiv erzielten Einkommen zu bemessen. Unter Berücksichtigung eines Stundenlohnes von sfr 13,50 bei 9 Arbeitsstunden pro Tag, 22 Arbeitstagen pro Monat sowie einem 13. Monatsgehalt, der vom Kläger selbst zugestandenen Lohnabzüge von 10,93 % in der Schweiz sowie einem Mittelkurs des Schweizer Frankens von S 8,50 errechne sich der fiktive monatliche Nettoverdienst mit S 21.923,65.

Nun sei der Kläger nach dem Unfall so zu stellen, daß er denselben Nettoverdienst erlangen würde. Dabei sei eine Nettoschadensberechnung anzustellen, bei der der Kläger so gestellt werden müsse, daß er netto monatlich das gleiche zur Verfügung habe, wie er es ohne den Unfall gehabt hätte. Hiebei seien vor allem auch die Steuern zu berücksichtigen, die für den Schadenersatzbetrag zu entrichten seien. Der Kläger hätte in der Zeit zwischen dem 13. April 1981 bis einschließlich April 1984 unter Zugrundelegung eines monatlichen fiktiven Einkommens von netto S 21.923,65 in der Schweiz im Sinne seiner eigenen Berechnung, bei der er sich zum Teil um namhafte Beträge zu seinen Ungunsten geirrt habe,

S 773.913,90

ins Verdienen gebracht.

Davon kämen die Leistungen der Sozialversicherung in Höhe von S 330.374,65

in Abzug, sodaß sich der reine Verdienstentgang auf S S 443.539,25

belaufe.

Eine allfällige Steuerlast von dem für diesen Zeitraum zu zahlenden Verdienstentgang sei nicht zu erörtern, da diesbezüglich kein Begehren gestellt worden sei.

Beim Rentenbegehren für den Verdienstentgang ab Mai 1984 sei vom gleichen Nettoverdienst auszugehen. Der Kläger sei so zu stellen, daß er neben seinem Einkommen als Angestellter bei der Firma P*** so viel an Rente erhalte, daß seine gesamten Einkünfte dem Nettogehalt bei der Firma W*** in der Schweiz entsprechen. Dieses Renteneinkommen sei nach § 29 Abs 1 Einkommensteuergesetz 1982 zu verstreuen. Bei einem monatlichen Durchschnittsnettoverdienst von S 6.440,-- bis Jänner 1985 (umgerechnet auf 12 Monate) hatte der Kläger sohin einen monatlichen Verdienstentgang von netto S 15.483,65. Werde dieser Betrag so aufgewertet, daß bei Abzug von 30 % Steuern diese Nettodifferenz herauskomme, errechne sich eine monatliche Rente in Höhe von S 22.141,62. Bei derselben Berechnung belaufe sich der Verdienstentgang ab Feber 1982 unter Zugrundelegung des monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens von S 7.004,66 auf S 14.918,99. Daraus ergebe sich ein monatlicher Rentenanspruch von S 21.334,08. Diese in der Zukunft liegenden Rentenleistungen seien mit dem voraussichtlichen Pensionsalter des Klägers (geboren 1961) zu begrenzen.

Dieses Urteil blieb in seinem klagsabweisenden Teil und im Umfang des Zuspruches eines Betrages von S 58.154,80 s.A. an den Kläger unangefochten; im übrigen wurde es von den Beklagten mit Berufung bekämpft.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel Folge. Es hob die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfang der Anfechtung unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, gemäß § 1325 ABGB gebühre dem Verletzten Ersatz für jeden infolge der Körperverletzung adäquat entstehenden Verdienstausfall.

Unter Erwerbsfähigkeit sei die Fähigkeit zu verstehen, in einer der Ausbildung, den Anlagen und der bisherigen Tätigkeit entsprechenden Stellung den Lebensunterhalt zu verdienen. Sei die Verletzung Ursache dafür, daß trotz teilweiser Arbeitsfähigkeit kein Erwerb gefunden werden könne, so sei die Erwerbsfähigkeit über das Maß der Arbeitsunfähigkeit hinaus beeinträchtigt. Es komme nicht auf die medizinisch-physiologische, sondern auf die wirtschaftliche Erwerbfähigkeit an. Die Begriffe medizinische und wirtschaftliche Erwerbsfähigkeit deckten sich nicht. Es könne sein, daß trotz der Beeinträchtigung der medizinisch-physiologischen Arbeitsfähigkeit die wirtschaftliche Erwerbsfähigkeit im vollen Umfang erhalten bleibe; andererseits aber könne auch eine geringe Minderung der medizinischen Arbeitsfähigkeit die Möglichkeit, einen zumutbaren Beruf auszuüben, stark beeinträchtigen oder gar beseitigen. Bezüglich des Ausmaßes des Ersatzes künftigen Verdienstentganges sei der gewöhnliche Lauf der Dinge zu berücksichtigen. Hiebei seien der Natur der Sache nach auch Feststellungen hypothetischen Charakters zu treffen. Wenn auch der Ersatzanspruch wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 1325 ABGB in der Regel voraussetze, daß der Verletzte zur Zeit der Verletzung tatsächlich im Erwerb gestanden sei, so sei er doch auch gegeben, wenn angenommen werden müsse, daß der Verletzte künftighin Erwerb gesucht und gefunden hätte. Die diesbezügliche Beweislast treffe den Geschädigten, wobei bezüglich der Qualifikation der Fakten vielfach mit Wahrscheinlichkeitsurteilen das Auslangen gefunden werden müsse. Die ergebe sich schon aus der Natur der Notwendigkeit der Beurteilung künftiger Entwicklungen.

Die Rente könne von Anfang an auf Lebenszeit bzw. bis zur Erreichung des Pensionsalters gewährt werden, wenn eine Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen sei. Änderten sich die Verhältnisse, könne der zum Ersatz Verpflichtete dies geltend machen und eine Anpassung der Rente an die neuen Verhältnisse erreichen. Andererseits könne auch der Verletzte später geltend machen, daß die Gehälter allgemein gestiegen seien, der Geldwert gesunken sei, er inzwischen einen besseren Posten hätte erlangen können und seine Erwerbsfähigkeit infolge der ursprünglichen Verletzung noch stärker herabgesetzt sei. Der Schade sei also konkret für den jeweiligen Zeitabschnitt zu berechnen, sodaß spätere Umstände zu berücksichtigen seien, selbst wenn dies im Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen sei.

Im Sinn dieser Grundsätze komme es im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, welche Einkünfte der Kläger ohne Unfallsverletzung bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bezogen hätte.

Ausgehend von den bisherigen Verfahrensergebnissen stehe fest, daß der Kläger den Tischlerberuf erlernte, vor seinem Präsenzdienst beim öserreichischen Bundesheer in Liechtenstein als Tischler arbeitete und ihm wegen des Verlustes seines linken Auges durch den Unfall eine weitere Berufstätigkeit als Tischler unzumutbar ist. Das Erstgericht habe aber ohne gesicherte Beweisgrundlage festgestellt, daß der Kläger im April 1981 eine Arbeit bei der Firma W*** im Kanton Zürich (Schweiz) hätte aufnehmen können, die hiefür erforderliche Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte und bis zum 65. Lebensjahr (bis 31. Dezember 2026) in der Schweiz hätte wohnen und arbeiten können.

Um solche hypothetische Feststellungen treffen zu können, müsse einerseits geklärt sein, daß der Kläger subjektiv die Absicht hatte, in die Schweiz zu übersiedeln und dort auf Dauer seinen Aufenthalt zu nehmen. Dies habe der Kläger nicht einmal in seiner Aussage als Partei bekundet. Vielmehr habe er deponiert, daß er "seinen Wohnsitz in der Schweiz nehmen hätte können, wenn er bei der Firma W*** untergekommen wäre". Eine Prognose in dieser Richtung hänge neben den Absichten des Klägers auch von seinen persönlichen Lebensumständen und unter anderem davon ab, ob z.B. auch seine Gattin, mit der der Kläger mittlerweile nach Linz verzogen sei, mit einer solchen Übersiedlung bzw. Auswanderung in die Schweiz einverstanden gewesen wäre. Das Verfahren sei in dieser Richtung ergänzungsbedürftig.

Aber auch die objektive Voraussetzung für die Annahme, daß der Kläger bis zur Erreichung der Pensionsgrenze in der Schweiz arbeiten und wohnen hätte können, sei nicht hinreichend geklärt. Neben der Arbeitsmöglichkeit bei der Firma W*** wäre hiefür notwendig gewesen, daß der Kläger entsprechende Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen bzw. jeweilige Verlängerungen hiefür erhalten hätte. Das Erstgericht habe zwar eine derartige Feststellung getroffen, ohne sich aber hiefür auf genügend beweiskräftige Verfahrensergebnisse stützen zu können.

Das Gericht habe im Rahmen der ihm obliegenden Pflicht zur materiellen Prozeßleitung auch die Aufgabe, für eine erschöpfende Verhandlung über die streitverfangenen Ansprüche Sorge zu tragen. Dies werde durch eine entsprechende Mitwirkung bei der Stoffsammlung erreicht. Die Bestimmung des § 183 ZPO sehe in diesem Rahmen auch amtswegige Maßnahmen zur Ermöglichung oder Durchführung der Sachverhaltsermittlung im Rahmen der Aufklärungspflicht vor, wozu unter anderem auch die Einholung von Sachverständigengutachten sowie Zeugeneinvernahmen gehörten. Eine Verletzung dieser materiellen Prozeßleitungspflicht stelle einen Verfahrensmangel dar. Dieser Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens seit trotz des Umstandes gegeben, daß die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hätten. Es sei dies primär auch nicht ihre Aufgabe, sondern die des hiefür beweispflichtigen Klägers gewesen. Der Kläger habe unter anderem für die Behauptung, daß er die erforderliche Arbeitsbewilligung in der Schweiz erhalten hätte, Beweis durch Sachbefund angeboten. Das Erstgericht werde im zweiten Verfahrensgang die Sachverhaltsgrundlage in der aufgezeigten Richtung zu verbreitern haben. Für die Frage der Erreichbarkeit der behördlichen Bewilligung für die Arbeitsaufnahme und den Wohnsitz des Klägers in der Schweiz käme möglicherweise ein geeigneter, in Vorarlberg ansässiger und mit der Arbeitsmarktsituation im Kanton Zürich vertrauter Sachverständiger oder allenfalls die Aufnahme von Beweisen im Rechtshilfeweg in Betracht (allenfalls das Amt für Volkswirtschaft für den Kanton Zürich).

Sollte auf diese Weise mit der entsprechenden Verläßlichkeit prognostiziert werden können, daß der Kläger eine bestimmte Zeit lang oder aber bis zur Erreichung des Pensionsalters in der Schweiz hätte leben und arbeiten können, wären für die Errechnung des in der Schweiz erzielbaren Nettoverdienstes möglichst durch entsprechend sachkundige Zeugen oder allenfalls durch einen Sachverständigen die genauen Lohnabzüge (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, allfällige sonstige Abgaben) zu ermitteln, zumal es amtsbekannt sei, daß diese Abzüge von Kanton zu Kanton doch relativ stark differierten. Bei Zugrundeleung des fiktiven Verdienstes in der Schweiz könne aber auch nicht, wie dies das Erstgericht getan habe, für einen Zeitraum von mehreren Jahren von einem Franken-Mittelkurs von S 8,50 ausgegangen werden, zumal dieser Umrechnungskurs im maßgeblichen Zeitraum nicht unbeträchtlich geschwankt habe. An sich müßte für die jeweiligen Verdienstentgangsbeträge der jeweilige Kurs des Schweizer Franken am Fälligkeitstag ermittelt werden, sofern nicht eine Außerstreitstellung auf den von der Ö*** N***

veröffentlichten sogenannten Jahresmittelkurs des Schweizer Franken möglich sei.

Ergebe sich im ergänzenden Verfahren, daß der Kläger aller Voraussicht nach nicht oder nur befristet in der Schweiz hätte arbeiten können, müsse sein Anspruch auf Verdienstentgang unter Zugrundelegung der Verdienstmöglichkeiten als Tischler in Österreich ermittelt werden.

Das Erstgericht habe richtig erkannt, daß bei der Berechnung des Schadenersatzbetrages vom Nettoschaden, also von den um die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsabgaben verminderten Bruttoeinkünften, auszugehen sei. Die tatsächliche Berechnungsweise im Ersturteil entspreche allerdings nicht den von der Rechtsprechung hiefür entwickelten Grundsätzen, zumal das Erstgericht zum Nettoverdienstentgang eine 30 %ige Steuerquote hinzugezählt habe. Dem gegenüber seien nur jene Steuern und Abgaben, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstünden, erneut zu berücksichtigen und die Schadenersatzleistung so zu bemessen, daß sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspreche. Da hiebei allenfalls auch auf die auf die Schadenersatzleistung entfallenden Sozialversicherungsbeiträge Bedacht zu nehmen sei, werde sich - sofern nicht entsprechende Außerstreitstellungen erfolgten - auch hier die Beiziehung eines Sachverständigen als zweckmäßig erweisen.

Nach Eingrenzung des Anspruches des Verdienstentganges und Schaffung einer ausreichenden Tatsachengrundlage hiefür werde der Schadenersatz des Klägers gegebenenfalls unter Anwendung der Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO zu bemessen sein.

Schließlich werde es notwendig sein, den bis zum Schluß der Streitverhandlung erster Instanz entstandenen Verdienstentgang nicht in Form von monatlichen Renten, sondern mit einem entsprechenden Kapitalbetrag zuzusprechen. Gemäß § 1325 ABGB könne nur der künftige, nach Verhandlungsschluß entstehende Verdienstentgang in Form einer Rente zuerkannt werden.

Schließlich sei auch ohne diesbezüglichen Einwand der Beklagten darauf Bedacht zu nehmen, daß die Zweitbeklagte dem Kläger für die Unfallsfolgen nur im Rahmen der Versicherungssummen des im Unfallszeitpunkt für den PKW des Erstbeklagten bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages zu haften habe.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, "der Oberste Gerichtshof wolle in der Sache selbst über die Berufung im Sinne einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteiles entscheiden; in eventu den angefochtenen Aufhebungsbeschluß aufheben und dem Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über die Berufung auftragen".

Die Beklagten haben eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rekurs des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Zu Unrecht lastet der Kläger dem Berufungsgericht an, einen angeblichen Verfahrensmangel ohne entsprechende Rüge wahrgenommen zu haben. Das Berufungsgericht hat zum Teil des Vorliegen in der Berufung der Beklagten behaupteter Verfahrensmängel bejaht und zum Teil sekundäre Feststellungsmängel angenommen und gelangte aus diesem Grund zur Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes. Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel selbst aus, daß es bei Beurteilung seines Schadenersatzanspruches aus dem Titel des Verdienstentganges entscheidend darauf ankommt, welche Einkünfte er ohne Unfallsverletzung bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bezogen hätte (so auch ZVR 1979/232; 8 Ob 267/80; 8 Ob 116/83; 8 Ob 8/86 ua.). Dies kann nur auf Grund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden. Derartige Feststellungen betreffen trotz ihres hypothetischen Charakters ausschließlich den Tatsachenbereich (SZ 25/280; SZ 26/155; 8 Ob 67/81; 8 Ob 116/83; 8 Ob 8/86 ua.). Hält das Berufungsgericht, ausgehend von einer zutreffenden Rechtsansicht, den der Entscheidung zugrundezulegenden Sachverhalt für noch nicht genügend geklärt, so kann dem nach ständiger Rechtsprechung der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (SZ 38/29; SZ 38/227 uva.).

Der Rekurswerber bestreitet auch nicht die Richtigkeit der der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bei der Bemessung des aus dem Titel des Verdienstentganges zu leistenden Schadenersatzes jene Steuern und Abgaben, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen, zu berücksichtigen sind und die Schadenersatzleistiung so zu bemessen ist, daß sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht (zuletzt ZVR 1984/90 und ZVR 1984/204 mwN). Er versucht diesbezüglich nur darzutun, daß die Höhe der durch die Schadenersatzleistung entstehenden Abgabenverpflichtungen des Geschädigten nicht durch Beiziehung eines Sachverständigen geklärt werden müsse, sondern im Wege der Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO berücksichtigt werden könne. Auch hier wendet sich der Rekurswerber in Wahrheit nur gegen einen Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes, der, ausgehend von einer zutreffenden Rechtsansicht, eine noch weitergehende Klarstellung des der Entscheidung zugrundezulegenden Sachverhaltes bezweckt und dem der Oberste Gerichtshof im Sinne der bereits oben angeführten ständigen Rechtsprechung nicht entgegentreten kann.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes allerdings, daß der bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz entstandene Verdienstentgang nicht in Form von monatlichen Renten, sondern mit einem entsprechenden Kapitalbetrag zuzusprechen wäre (die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung ZVR 1969/173 befaßt sich mit dieser Frage nicht), und daß auch ohne diesbezüglichen Einwand der Beklagten darauf Bedacht zu nehmen sei, daß die Zweitbeklagte dem Kläger für die Unfallsfolgen nur im Rahmen der Versicherungssummen aus dem den PKW des Erstbeklagten betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrag zu haften habe, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Diesbezüglich wird allerdings im Rechtsmittel des Klägers nichts ausgeführt.

Es hat somit aus den dargestellten Gründen bei der Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes zu verbleiben.

Der Vorbehalt der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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