OGH 13Os95/89

OGH13Os95/8917.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.August 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt S*** und andere wegen des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z. 1 und 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Markus W*** und Sonja H*** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengerichts vom 11.Mai 1989, GZ. 35 Vr 1.619/88-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Über die Berufungen der Angeklagten und die der Staatsanwaltschaft hat gemäß § 285 i StPO das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden.

Text

Gründe:

Die Angeklagten Markus W*** und Sonja H*** wurden der Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z. 1 und 3 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (2) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z. 2 StGB (3) schuldig erkannt.

Darnach sind sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den rechtskräftig Verurteilten Kurt S*** und Timbo B*** am 27. September 1987 in Linz mit Gewalt, indem sie mit einer Bank gegen die versperrte Eingangstür zum Klublokal KÖSTV-F*** anrannten und diese aufbrachen, in ein Haus eingedrungen, wobei sie gegen dort befindliche Personen Gewalt zu üben beabsichtigten (zu 1); ferner haben sie eine Eingangstür durch Eindrücken des Schlosses beschädigt (zu 2) und in verabredeter Verbindung den Manfred K***, Josef K*** und Sascha W*** durch Fußtritte und Faustschläge vorsätzlich am Körper verletzt (zu 3).

Diese Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten Sonja H*** und Markus W*** mit getrennt ausgeführten, jeweils auf Z. 5 und 10, H*** auch auf Z. 9 lit b und c, W*** überdies auf Z. 5 a gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Das Erstgericht nahm ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der beiden Beschwerdeführer und der Mitangeklagten Kurt S*** und Timo B*** bei der Ausführung der Taten als erwiesen an. Es begründete dies damit, daß von den Zeugen B***, F***, K***, G***, W*** und K*** ein gemeinsames, auf

einen übereinstimmenden Willensentschluß zurückzuführendes Handeln der Angeklagten geschildert wurde (S. 303 d) und daß nach der Darstellung des Manfred K*** die Angeklagten im bewußten und gewollten Zusammenwirken in das Klublokal eingedrungen sind, um gegen die dort anwesenden Personen Gewalt zu üben, sie zu schlagen und auch Sachen zu beschädigen. Dies ergäbe sich aber auch aus den äußeren Umständen, und zwar aus dem geschlossenen Auftreten ihrer durch Kleidung und Haarschnitt erkennbaren Gruppe (S. 300 d verso). Das Gericht hat sich auch damit auseinandergesetzt, daß die genannten Zeugen nicht in der Lage waren, einzelne Tathandlungen der Angeklagten zu beschreiben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Beschwerde der Angeklagten H***:

Als Verfahrensmangel (Z. 4) rügt diese Angeklagte die Abweisung des von ihrem Verteidiger in der Hauptverhandlung (S. 280 und S. 281) gestellten Antrags auf Ausschluß der Öffentlichkeit. Das Erstgericht hat diesen Antrag mit Recht abgewiesen, weil anläßlich der Antragstellung nicht dargetan wurde, aus welchen Gründen ein Ausschluß der Öffentlichkeit im Sinn des § 42 JGG im Interesse der Jugendlichen geboten gewesen wäre. Zur Bekanntgabe solcher besonderer Gründe war der Verteidiger schon deshalb verpflichtet, weil der Grundsatz der Öffentlichkeit, den das Jugendgerichtsgesetz aus rechtsstaatlichen Erwägungen grundsätzlich beibehalten hat, einem Verfassungsgebot (Art. 90 B-VG) entspricht und unter Nichtigkeitssanktion steht (§ 281 Abs 1 Z. 3 StPO) und weil Umstände, die einen solchen Ausschluß zum Zeitpunkt der Antragstellung gerechtfertigt hätten, nicht offenkundig waren. Die nunmehr in der Rechtsmittelschrift vorgebrachten Überlegungen können keine Berücksichtigung finden; denn bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und von den damals vorgebrachten Gründen auszugehen (SSt 41/71 u.a.). Die Mängelrüge (Z. 5) wirft dem Urteil vor, daß es für die Annahme der Täterschaft der Angeklagten keine zureichenden Gründe gebe; keiner der etwa 20 vernommenen Zeugen habe die Angeklagte als Täterin bezichtigt, die im Urteil angeführten Aussagen der Zeugen Manfred K*** und Susanne S*** reichten dafür nicht hin. Damit übergeht die Rüge jene oben wiedergegebene Begründung für die Annahme der Mittäterschaft, insbesondere aber, daß auf Grund der Aussage des Zeugen Manfred K*** als erwiesen angenommen wurde, daß die Nichtigkeitswerberin mit den anderen Angeklagten einverständlich zusammengewirkt hat. Dies findet entgegen dem Beschwerdevorbringen in der Aussage des genannten Zeugen in der Hauptverhandlung Deckung (vgl. S. 255 f. und 296 f.). Die Rechtsrüge (Z. 9 lit b und c, Z. 10) behauptet, daß die im Urteil angenommene bloße Anwesenheit der Beschwerdeführerin im Kreis der von ihr als Skin-Heads erkannten anderen Angeklagten für "eine Einbeziehung in den Tatvorsatz anderer Personen" nicht ausreiche. Damit geht die Beschwerde aber nicht von den Urteilsfeststellungen über das bewußte und gewollte Zusammenwirken der Angeklagten und das Handeln in verabredeter Verbindung in Faktum 3 des Urteilssatzes und den sich damit ergebenden rechtlichen Konsequenzen - jeder Mittäter hat den eingetretenen Erfolg zu verantworten - aus. Sie entbehrt daher einer gesetzmäßigen Darstellung.

Zur Beschwerde des Angeklagten W***:

Soweit der Beschwereführer in seiner Mängelrüge (Z. 5) die Urteilsfeststellung, daß sämtliche Angeklagten (und damit auch er selbst) das Aufbrechen der versperrten Eingangstür zu verantworten haben, als unzureichend begründet bezeichnet, übergeht auch er die für die Annahme der Mittäterschaft gegebene, oben dargestellte Begründung. Die Beschwerde ist daher auf diese Urteilsausführungen zu verweisen.

Die Urteilsfeststellungen, daß sich der Angriff des Beschwerdeführers vor allem gegen den Zeugen Josef K*** richtete, finden in den Verfahrensergebnissen ihre durchaus zureichende Begründung. Nach der Aussage des K*** hatte der Angeklagte mit dem Zeugen G*** Streit, worauf ersterer sich zwischen die beiden stellte und den Nichtigkeitswerber abdrängte (S. 248). Der Zeuge Sascha W*** sagte in diesem Zusammenhang aus, daß der Beschwerdeführer "etwas" mit K*** bei der Tür hatte (S. 243); aus der Aussage des Zeugen K*** läßt sich entnehmen, daß bei der Tür ein Schlagabtausch stattfand und K*** dabei geschlagen wurde (S. 257). Daraus ist die oben angeführte Konstatierung logisch ableitbar.

Offenbar unbegründet sind auch jene Ausführungen der Mängelrüge, welche die Feststellungen eines Handelns in verabredeter Verbindung im Sinn des § 84 Abs 2 Z. 2 StGB anfechten. Das Gericht ging davon aus, daß zwar nicht eine ausdrückliche Besprechung zwischen den Angeklagten stattgefunden hat, daß aber das Einvernehmen an Ort und Stelle spontan hergestellt wurde; dies begründete es damit, daß eine Vorgangsweise in der von den Angeklagten gewählten Art - gemeinsames Auftreten in der Gruppe und Provozieren anderer Personen, was zwangsweise zur körperlichen Konfrontation führe -, eine solche verabredete Verbindung schlüssig nahelege (S. 303 f.). Diese Urteilsüberlegungen vernachlässigt die Beschwerde gänzlich, wenn sie die bekämpfte Urteilsannahme als logisch nicht nachvollziehbar bezeichnet.

Ob diese Tür von allen Angeklagten mit einer Bank aufgebrochen wurde ober ob - wie dies der Aussage des Zeugen Maximilian F*** (S. 250 f.) zu entnehmen ist - an diesem Aufbrechen nur zwei der Angeklagten maßgebend beteiligt waren, ist im Hinblick auf das vom Gericht als erwiesen angenommene bewußte und gewollte Zusammenwirken der Angeklagten und den Umstand, daß sie alle nach den Urteilskonstatierungen gemeinsam mit Gewalt in das Klublokal eingedrungen sind, im Ergebnis nicht entscheidungswesentlich. Sonach hat das Übergehen der oben angeführten Zeugenaussage keine Unvollständigkeit der Entscheidung im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO bewirkt.

Die Tatsachenrüge (Z. 5 a) zeigt nicht auf, inwiefern der Schöffensenat seine Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit durch Übergehen aktenkundiger Umstände in einer Weise verletzt hätte, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des den beiden Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Sachverhalts resultieren müßten (13 Os 68/88, 13 Os 5/89 u.a.).

Die Rechtsrüge (Z. 10) bekämpft die Beurteilung des Faktums 3 als verabredete Verbindung nach § 84 Abs 2 Z. 2 StGB, stellt dabei aber nur auf die aus dem Zusammenhang gerissene Urteilsfeststellung ab, daß die Angeklagten das Einvernehmen zumindest an Ort und Stelle spontan hergestellt haben, übergeht dabei aber alle anderen Konstatierungen zu der vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Willenseinigung der Täter vor der Tatausführung. So hat das Gericht in diesem Zusammenhang konstatiert, daß die Angeklagten beschlossen, gegen die noch im Lokal anwesenden Mitglieder des Vereins gewaltsam vorzugehen (S. 303 c und verso) und daß schon nach der Art des Vorgehens der Angeklagten - gemeinsames Auftreten in der Gruppe, das zur körperlichen Konfrontation führende Provozieren anderer - eine solche Verabredung im Sinn der angeführten Gesetzesstelle schlüssig unmittelbar vor der Tatverübung zustandekam, was für die Annahme der Qualifikation durchaus hinreicht (vgl. SSt 50/10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO im Zusammenhalt mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

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