OGH 9ObA150/89

OGH9ObA150/8928.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Rudolf Randus als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut F***, Bad Aussee 363, vertreten durch Dr. Heinz Kalss, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 6.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Februar 1989, GZ 12 Ra 134/88-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Mai 1988, GZ 34 Cga 39/88-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.977,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 329,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist noch folgendes auszuführen:

Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist eine Kündigung gemäß § 32 VBG unverzüglich auszusprechen, nachdem dem Arbeitgeber der Kündigungsgrund bekannt geworden ist, um zu verhindern, daß der Vertragsbedienstete aus der Unterlassung der sofortigen Kündigung auf einen Kündigungsverzicht durch den Arbeitgeber schließen muß. Eine Verzögerung der Kündigung rechtfertigt aber die Annahme eines solchen Verzichtes nicht, wenn sie in der Sachlage begründet war. Die Rechtsprechung hat insbesondere darauf Bedacht genommen, daß bei juristischen Personen die Willensbildung mehr Zeit erfordert, als bei physischen Personen; hiebei sind der Aktenlauf, die Kompetenzverteilung, aber auch Arbeitnehmerschutzmaßnahmen, wie die Einschaltung der Personalvertretung nach dem PVG, entsprechend zu

berücksichtigen (siehe Arb. 7.139 = JBl. 1960, 344; Arb. 7.483;

Arb. 8.318; Arb. 10.140 = RdA 1984, 235 mit zustimmender Besprechung

von Apathy; zuletzt 4 Ob 159/83; 4 Ob 179/85; 9 Ob A 157/88 sowie 9 Ob A 182/88; vgl auch Kuderna, Entlassungsrecht 17, hinsichtlich des rechtsähnlichen Erfordernisses der Rechtszeitigkeit der Entlassung). Der Kläger hat nun in den Punkten 3) und 4) der Klage ausdrücklich vorgebracht, daß die mit ihm am 17. September 1987

zugestellten Schreiben vom 14. September 1987 ausgesprochene Kündigung verspätet sei, weil der Präsident des Kreisgerichtes Leoben zuletzt am 7. August 1987 Verfehlungen des Klägers aufgezeigt habe und die Unzulänglichkeiten im Zusammenhang mit der Geschäftsverteilung bei Amtsuntersuchungen seit Jahren kritisiert worden seien. Die Stellungnahme der im Verfahren erster Instanz durch die Finanzprokuratur und daher gemäß § 40 Abs.1 Z 1 ASGG qualifiziert vertretenen beklagten Partei erschöpfte sich in dem in Punkt 2) der Klagebeantwortung enthaltenen Satz "Der Ausspruch der Kündigung erfolgte rechtzeitig, ein gegenteiliges Vorbringen des Klägers ist aus den angeführten Gründen unzulässig." Mit diesem nicht nachvollziehbaren, keinerlei Sachvorbringen enthaltenden Hinweis hat die beklagte Partei ihre Verpflichtung, Gründe für die Verzögerung des Ausspruches der Kündigung zu behaupten und unter Beweis zu stellen, nicht einmal ansatzweise erfüllt. Da die beklagte Partei durch eine qualifizierte Person im Sinne des § 40 Abs.1 ASGG vertreten war und die Verspätung der Kündigung vom Kläger ausdrücklich eingewendet wurde, traf das Erstgericht eine Pflicht zur Anleitung der beklagten Partei weder nach § 39 Abs.2 Z 1 ASGG noch aus dem Gesichtspunkt einer mit den Parteien bisher nicht erörterten und daher für diese überraschenden Rechtsansicht. Soweit die Revisionswerberin daher in der Revision erstmals ein detailliertes Vorbringen über die zur Verzögerung des Ausspruches der Kündigung führenden Umstände erstattet, macht sie unzulässige und damit unbeachtliche Neuerungen geltend. Der Revisionswerberin ist lediglich zuzubilligen, daß von der gesetzlich vorgesehenen Einschaltung der Personalvertretungsorgane (hier des Fachausschusses beim Oberlandesgericht) durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes vor Ausspruch der Kündigung auszugehen ist. Damit ist aber für die Revisionswerberin nichts gewonnen. Dem Fachausschuß ist zwar gemäß § 12 Abs.1 lit a iVm §§ 12 Abs.2, 10 Abs.1 und 9 Abs.1 lit i PVG die beabsichtigte Kündigung spätestens 2 Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zur Kenntnis zu bringen; eine Verzögerung um zumindest 14 Tage ergibt sich aber durch diese Einschaltung der Personalvertretung nur dann, wenn sie der Kündigung nicht vor Ablauf der Äußerungsfrist zustimmt. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann daher nicht von vorneherein von einer sachlich gerechtfertigten Verzögerung des Ausspruches der Kündigung um zumindest 14 Tage ausgegangen werden. Zieht man in Betracht, daß der allein als Grundlage für die Kündigung herangezogene Bericht des Präsidenten des Kreisgerichtes Leoben vom 7. August 1987 stammte, dann war die vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz erst mit Schreiben vom 14. September 1987

ausgesprochene Kündigung nach den für die Entscheidung maßgeblichen Verfahrensergebnissen als verspätet anzusehen, zumal der Kläger weiterhin als Grundbuchsführer und Rechtspflegeranwärter eingesetzt wurde, obwohl ihm in diesem Bereich die gravierendsten Verfehlungen anzulasten waren. Daß die Einschaltung des Fachausschusses zu einer wesentlichen Verzögerung des Ausspruches der Kündigung geführt hätte, hat die hiefür behauptungs- und beweispflichtige beklagte Partei - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht einmal vorgebracht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den § 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte