Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1. Juli 1977 bei der Beklagten als Schaffner, Wagenführer und zuletzt als Busfahrer beschäftigt. Mit Schreiben der Beklagten vom 27. Dezember 1983 wurde sein Dienstverhältnis im Sinn des § 58 Abs 3 lit a, c und d der Dienst- und Besoldungsordnung für die Angestellten Österreichischer Privatbahnunternehmungen (DBO) unter Wahrung der dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31. März 1984 aufgekündigt.
Der Kläger begehrt die Feststellung, sein Dienstverhältnis zur Beklagten sei nach wie vor aufrecht und die Kündigung vom 27. Dezember 1983 rechtsunwirksam. Er brachte vor, er habe alle Erfordernisse zwecks Erlangung der Eigenschaft eines unkündbaren Angestellten erfüllt und auch kein pflichtwidriges dienstliches oder außerdienstliches Verhalten gesetzt. Er sei nie verwarnt worden und habe auch nie ein Disziplinarverfahren gehabt. Außerdem sei das Kündigungsschreiben nicht ausreichend ausgeführt worden. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, der Kläger habe die Voraussetzungen für die Erlangung der Eigenschaft eines unkündbaren Angestellten nicht erfüllt, weil er erst die Hälfte der hiefür erforderlichen Dienstzeit zurückgelegt habe. Er sei nach begründeten Beschwerden mehrfach verwarnt worden. Der Kläger habe sich gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten renitent verhalten und Anordnungen von Vorgesetzten nicht befolgt. Trotz entgegenstehender Vorschriften und mehrfacher Beanstandung durch den Revisor sei er mit einem abgeschnittenen Mantel gefahren und habe sich geweigert, einen neuen Mantel zu besorgen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Kläger war bei der Beklagten zunächst als Schaffner eingesetzt. Er nahm auf den von ihm ausgegebenen Fahrkarten die Eintragungen ungenau vor und benahm sich Fahrgästen gegenüber unhöflich. Daher wurde er ab dem Jahr 1978 als Straßenbahnfahrer eingesetzt. Auch in dieser Funktion gab es begründete Beschwerden von Fahrgästen und Kraftfahrern, denengegenüber sich der Kläger unhöflich verhalten hatte. Auf Grund der fortgesetzten Beschwerden durch Fahrgäste, Revisoren und Fahrdienstleiter wurde der Kläger des öfteren von der Betriebsleitung gerügt und ermahnt. Trotzdem änderte er sein Verhalten nicht, weshalb er am 5. November 1980 als Straßenbahnfahrer abgezogen und vom 6. November 1980 bis 1. Juli 1981 wieder als Schaffner eingesetzt wurde. In dieser Zeit machte der Kläger den Omnibusführerschein und wurde danach als Omnibusfahrer eingesetzt. Auch in dieser Stellung bot er immer wieder Anlaß zu Beschwerden durch Revisoren und die Fahrdienstleitung. Es gab Schwierigkeiten mit den Abfahrtszeiten, welche der Kläger nicht einhielt. Die Anzeigetafeln wurden von ihm nicht ausgewechselt. Er hatte auch Schwierigkeiten mit Fahrgästen. Seit seinem Diensteintritt war der Kläger mehrfach in Verkehrsunfälle verwickelt, wobei er teils selbst schuld war, teils Fremdverschulden vorlag; in einigen Fällen konnte die Verschuldensfrage nicht geklärt werden. Ein Disziplinarverfahren im Sinne der Dienstordnung wurde gegen den Kläger nie eingeleitet. Bei der Beklagten existiert eine Bekleidungsvorschrift, wonach das Fahrdienstpersonal entweder im Dienstanzug mit Hose und Bluse zu fahren oder einen von der Beklagten ausgegebenen blauen Mantel über der anderen Kleidung zu tragen hat. Nach Einführung dieser Arbeitsmäntel im Jahr 1980 schnitt der Kläger immer wieder seinen Mantel in Gesäßhöhe ab. Die normale Länge der Mäntel reicht ca. 10 bis 15 cm über das Knie. Beanstandungen durch die Revisoren blieben ohne Erfolg. Noch am 20. Oktober 1982 war der Kläger bei einer Schulung auf die Unzulässigkeit seines Arbeitsmantels hingewiesen worden. Nachdem er sich ausdrücklich weigerte, einen anderen Mantel zu tragen, und darauf bestand, seinen abgeschnittenen Mantel weiter zu tragen, wurde die Betriebsleitung hievon verständigt. Ing. E*** forderte den Kläger auf, sich so rasch wie möglich einen neuen Mantel zu besorgen. Nachdem der Kläger der Anweisung des Betriebsleiters nicht nachkam und sogar behauptete, er habe eine Erlaubnis des Betriebsleiters zum Tragen des gekürzten Mantels, erteilte Ing. E*** den Auftrag, den Kläger bei seinem Dienst abzulösen, damit er sich einen neuen Mantel beschaffen könne. Der Fahrdienstleiter G*** gab diesen Auftrag dem Revisor F*** und dem Schulungsbeamten P*** weiter. Nachdem P*** am 15. Dezember 1983 den Kläger vor Antritt des Dienstes aufgefordert hatte, in sein Büro zu kommen, und der Kläger dies abgelehnt hatte, holte sich P*** den Revisor F*** und einen Ersatzfahrer, damit der Kläger bei einem Aufenthalt am Hauptbahnhof abgelöst werden könne. P*** und F*** forderten den Kläger
ausdrücklich auf, er solle mit ihnen mitkommen, damit sie mit ihm gemeinsam in der Materialverwaltung einen neuen Mantel ausfassen könnten. Während dieser Zeit sollte ein Ersatzfahrer auf seiner Linie fahren. Mit den Worten, er lasse sich nicht verhaften, weigerte sich der Kläger, der Aufforderung nachzukommen. Er verließ die Linie, welche sodann vom Ersatzfahrer bis Dienstschluß des Klägers gefahren werden mußte. Der Kläger hätte an diesem Tag bis 18 Uhr Dienst versehen müssen, kehrte aber bis dahin an seinen Arbeitsplatz nicht mehr zurück. Der Vorfall wurde von F*** und P*** der Betriebsleitung und von dieser dem Vorstandsmitglied KommRat G*** gemeldet. G*** hielt dem Kläger sein Verhalten vor, worauf dieser, wie schon früher, behauptete, die Erlaubnis des Ing. E*** zum Tragen eines Mantels in der von ihm abgeschnittenen Form zu haben. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1983 wurde dem Kläger die Kündigung mitgeteilt.
Das Erstgericht traf ferner Feststellungen über Bestimmungen der Dienst- und Besoldungsordnung für die Angestellten der Österreichischen Privatbahnunternehmungen.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, beim Dienstverhältnis des Klägers habe es sich um ein kündbares gehandelt. Die Kündigung sei formgerecht erfolgt und im Hinblick auf den Vorfall vom 15. Dezember 1983 auch begründet gewesen. Im Berufungsverfahren brachte der Kläger ergänzend vor, die Kündigung sei verspätet erfolgt und gemäß § 105 ArbVG unwirksam, weil der Betriebsrat stillschweigend übergangen worden sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteigt. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese wie folgt:
Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat nicht eingerichtet. Wohl aber existiert eine Personalvertretung, welche im März 1950 gemäß § 4 DBO installiert wurde. Nach dem Vorfall vom 15. Dezember 1983 teilte KommRat G*** dem Obmann der Personalvertretung, Herbert O***, anläßlich eines persönlichen Zusammentreffens mit, daß der Kläger gekündigt werden müsse, wogegen sich Herbert O***, welcher schon zeitlich zuvor mit einer allfälligen Kündigung des Klägers seitens des Betriebsleiters Ing. E*** konfrontiert worden war, nicht aussprach und nur erwiderte, er habe dem Kläger schon immer gesagt, er könne sich so nicht verhalten, so könne es nicht weitergehen. Vom Kündigungsschreiben vom 27. Dezember 1983, dem auch eine persönliche Aussprache des Klägers mit KommRat G*** am 20. Dezember 1983 vorausgegangen war, wurde sowohl seitens der Direktion wie auch seitens des Lohnbüros dem Obmann der Personalvertretung eine Durchschrift übermittelt. Irgendwelche Einwände gegen die Kündigung wurden auch im Anschluß daran von Herbert O*** nicht vorgebracht.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, da bei der Beklagten kein Betriebsrat eingerichtet sei, habe es auch zu keinem Verfahren gemäß § 105 Abs 1 und 2 ArbVG kommen können. Der Kläger habe die Möglichkeit, die Kündigung gemäß § 107 ArbVG anzufechten, nicht benützt. Die Kündigung sei schon auf Grund des Vorfalls vom 15. Dezember 1983 gemäß § 58 Abs 3 lit d DBO berechtigt gewesen. Sie sei mit Rücksicht auf die Kontaktaufnahme mit dem Obmann der Personalvertretung und die innere betriebliche Organisation auch nicht verspätet, zumal KommRat G*** dem Kläger nach dessen eigenem Vorbringen bereits am 20. Dezember 1983 mündlich gekündigt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Worin die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gelegen sein
soll, wird in der Revision nicht ausgeführt.
Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.
Soweit der Kläger in der Revision die Feststellungen der Vorinstanzen bekämpft, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Wenn der Kläger meint, daß im Betrieb der Beklagten kein Betriebsrat eingerichtet sei, könne nicht zu seinen Lasten gehen, übersieht er, daß die Pflicht, Belegschaftsorgane zu bilden, nicht den Betriebsinhaber, sondern die Arbeiterschaft des Unternehmens trifft (Floretta-Strasser, ArbVG 256; Adametz im Kommentar des Wirtschaftsverlags zum ArbVG, Rz 7 zu § 40). Die Rechte der Arbeitnehmer sind, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, durch § 107 ArbVG geschützt. Ein betriebsverfassungsrechtliches Vorverfahren findet in derartigen Fällen nicht statt (Floretta-Strasser aaO 657). Daß aber Bestimmungen der Betriebsvereinbarung über die Personalvertretung verletzt worden wären, wurde nicht behauptet. Die Kündigung erfolgte auch rechtzeitig. Wohl ist der Arbeitgeber nach Lehre und Rechtsprechung gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust unverzüglich Gebrauch zu machen, um zu verhindern, daß der Arbeitnehmer aus der Unterlassung der sofortigen Kündigung auf deren Verzicht schließen muß. Die Annahme eines solchen Verzichtes ist aber dann nicht gerechtfertigt, wenn die Verzögerung in der Sachlage begründet ist. Bei juristischen Personen erfordert die Willensbildung mehr Zeit als bei physischen Personen. Dabei sind auch der Aktenlauf und die Kompetenzverteilung entsprechend zu berücksichtigen (Arb. 10.140 mwN). Im vorliegenden Fall hat sich der zur Kündigung führende Vorfall am 15. Dezember 1983 ereignet. Berücksichtigt man, daß der Vorfall zunächst der Betriebsleitung und von dieser dem Vorstandsmitglied, KommRat G***, berichtet werden mußte, der Obmann der Personalvertretung verständigt wurde und KommRat G*** bereits am 20. Dezember 1983 den Kläger mündlich gekündigt hat - wenn diese Kündigung auch gemäß § 58 Abs 1 DBO zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurfte, die erst durch das Schreiben vom 27. Dezember 1983 erfüllt wurde -, dann kann von einer Verspätung nicht gesprochen werden. Der Kläger wußte seit dem Gespräch mit KommRat G*** am 20. Dezember 1983, daß seine Kündigung beschlossen war, und er konnte daher trotz der Verzögerung der schriftlichen Ausfertigung bis 27. Dezember 1983 nicht mit Grund annehmen, daß die beklagte Partei von der Kündigung Abstand nehmen werde. Daß die Kündigung nach ihrer Formulierung nicht zum 31. März 1984 erfolgt sei, ist aktenwidrig.
Die Kündigung war auch gerechtfertigt.
Gemäß § 58 Abs 3 lit d DBO ist unter anderem pflichtwidriges dienstliches Verhalten ein Kündigungsgrund. Daß die Beklagte berechtigt war, Bekleidungsvorschriften für das Fahrpersonal zu erlassen, wird in der Revision nicht bestritten. Der Kläger meint nur, es habe sich um einen lapidaren und für eine Kündigung nicht ausreichenden Vorfall gehandelt. Er übersieht dabei, daß er wegen der nicht den Vorschriften entsprechenden Bekleidung wiederholt gemahnt worden war und daß er aus Anlaß der Beanstandung am 15. Dezember 1983 nicht nur den Bezug eines neuen Mantels in der Materialverwaltung verweigert, sondern in diesem Zusammenhang den Arbeitsplatz eigenmächtig verlassen hat. Dieses Verhalten war jedenfalls pflichtwidrig und nicht so geringfügig, daß die Kündigung nicht berechtigt gewesen wäre. Daß gegen den Kläger kein Dienststrafverfahren eingeleitet wurde, ändert daran nichts. Ein solches ist gemäß § 54 Abs 1 DBO nur die Voraussetzung für eine fristlose Entlassung (wenn nicht Gründe nach § 54 Abs 2 DBO vorliegen), nicht aber für eine Kündigung. Daß es sich bei dem Dienstverhältnis des Klägers um ein unkündbares gehandelt habe, wird in der Revision nicht mehr behauptet. Ein solches lag schon deshalb nicht vor, weil Voraussetzung dafür die Zurücklegung von zwölf ununterbrochenen Dienstjahren ab Diensteintritt bei der Unternehmung gewesen wäre (§ 11 Abs 1 DBO).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Eine Eingabengebühr ist gemäß Anm. 4 lit d zu TP 1 GJGebGes in Verbindung mit § 15 Z 1 lit a GJGebGes nicht zu entrichten und war daher nicht zuzusprechen.
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