OGH 2Ob11/89

OGH2Ob11/8928.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Radivoje J***, Arbeiter, Alpenstraße 69, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A***-E*** Versicherungs-AG, Bösendorferstraße 13, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 250.000,-- s.A. und Feststellung (S 100.0000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 25. Oktober 1988, GZ 15 R 201/88-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Mai 1988, GZ 18 Cg 734/88-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.901,45 bestimmten Kosten ihres Revisionsrekurses (darin Umsatzsteuer von S 1.081,95, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Rekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger Radivoje J***, Arbeiter, Salzburg, Alpenstraße 69, begehrte in seiner am 14. April 1988 beim Erstgericht eingelangten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 250.000,-- s.A. und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle seine künftigen Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 14. Juni 1985 im Rahmen des den PKW mit dem Kennzeichen W 346.039 betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages. Der Kläger brachte im wesentlichen vor, er sei bei einem von Nicole M*** als Lenker des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW mit dem Kennzeichen W 346.039 am 14. Juni 1985 auf der Bundesstraße B 70 in Kärnten verschuldeten Verkehrsunfall verletzt worden. Er habe gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzengeldes von S 250.000,--. Im Hinblick auf bei dem Unfall erlittene gesundheitliche Dauerfolgen habe er ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich künftiger Unfallschäden.

Die Klage wurde der Beklagten am 22. April 1988 zugestellt. Am 3. Mai 1988 langte ein Schriftsatz des Kläger beim Erstgericht ein, mit dem er die Richtigstellung der Parteienbezeichnung des Klägers auf "Zivota Pavlovic, Arbeiter, Selo Potocac kod paracina, YU-35207 Potocac" beantragte. Durch ein Versehen in der Kanzlei des Klagevertreters sei irrtümlich Radivoje J*** als Kläger bezeichnet worden. Tatsächlich sei aber Zivota P*** bei dem Verkehrsunfall verletzt worden. Der Irrtum des Klagevertreters sei darauf zurückzuführen, daß Radivoje J*** als Kontaktmann des Zivota P*** fungiere und vom Klagevertreter die gesamte Korrespondenz über Radivoje J*** abgewickelt werde. Die Beklagte habe telefonisch ihre Zustimmung zur Änderung der Klage "durch Wechsel in der Partei des Klägers" erklärt.

Das Erstgericht wies diesen Antrag des Klägers mit der Begründung zurück, ein Parteiwechsel sei nur in den Fällen zulässig, in denen ihn das Gesetz ausdrücklich gestatte. Ein Parteiwechsel zu dem Zweck, an die Stelle des unrichtig Klagenden die richtige sachlegitimierte Partei zu setzen, sei daher unabhängig von der Zustimmung des Gegners unzulässig. Es liege keine Berichtigung der Parteienbezeichnung vor, da eine solche grundsätzlich nicht dazu führen dürfe, daß an die Stelle der bisherigen Partei ein anderes Rechtssubjekt trete.

Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs des Klägers gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Bezeichnung der klagenden Partei von Radivoje J***, Arbeiter, Alpenstraße 69, 5020 Salzburg, in Zivota P***, Arbeiter, Selo Potocac kod paracina, YU-35207 Potocac, Jugoslawien, berichtigte. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, einschließlich seines nicht in Geld bestehenden Teiles den Betrag von S 300.000,-- übersteigt.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, es handle sich nach seiner Ansicht im vorliegenden Fall um "ein im Grenzbereich zwischen Parteienberichtigung gemäß § 235 Abs 5 ZPO und unzulässiger Änderung der Partei angesiedeltes Problem".

Die vorliegende Klage sei in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise von jenem Verkehrsteilnehmer erhoben worden, der am 14. Juni 1985 auf der Bundesstraße B 70 in Kärnten von Nicole M*** als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen W 346.039 verletzt worden sei. Nach dem Klagevorbringen habe sich die als Kläger einschreitende Person in Jugoslawien aufgehalten, sodaß sie bisher nicht zum medizinischen Sachverständigen in Österreich zureisen habe können.

Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung dürfe nicht dazu führen, daß an die Stelle der bisherigen Partei ein anderes Rechtssubjekt trete. Ein Parteiwechsel liege vor, wenn das bisher als Partei betrachtete existente Rechtssubjekt gegen ein anderes ausgetauscht werden solle. Im Ergebnis dürfe die Richtigstellung der Parteienbezeichnung nicht dazu mißbraucht werden, eine Person, die tatsächlich nicht geklagt habe oder nicht geklagt worden sei, in den Prozeß hineinzuziehen.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berichtigung der Parteienbezeichnung bleibe es trotz der aus der Schaffung der Vorschrift des § 235 Abs 5 ZPO durch die ZVN 1983 erkennbaren Zielsetzung, daß aus der Klage jene Person, die beklagt sei, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sei. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung sei es im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien möglich, zulässige Berichtigungen der Parteienbezeichnung und Parteiänderung voneinander abzugrenzen. Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung liege demnach vor, wenn lediglich die Bezeichnung des als Partei genannten Rechtssubjektes geändert werde, ohne daß dadurch an die Stelle des bisher als Partei auftretenden und als solches behandelten Rechtssubjektes ein anderes trete.

Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Klagserzählung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, daß als Kläger der bei dem Unfall vom 14. Juni 1985 durch Nicole M*** Verletzte auftreten habe wollen. Berücksichtige man, daß der in Jugoslawien wohnende, tatsächlich als Kläger auftreten wollende Zivota P*** unter Hinweis auf seinen Aufenthalt in Jugoslawien - während als Anschrift der klagenden Partei eine Anschrift in Österreich aufscheine - und mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die unmittelbar drohende Verjährung des Klagsanspruches die Klage eingebracht habe und die Richtigstellung seiner Person mittels eines noch vor Überreichung der Klagebeantwortung bei Gericht eingelangten Schriftsatzes beantragt habe, dann liege nach Ansicht des Rekursgerichtes trotz formellen Eintritts eines anderen Rechtssubjektes anstelle des ursprünglich Klagenden ein Berichtigungsfall des § 235 Abs 5 ZPO vor. Zusammenfassend beurteile das Rekursgericht die Berichtigung der Parteienbezeichnung als zulässig, weil aus der Klage jene Person, die als Kläger auftrete, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nicht erkennbar sei, weil Klagserzählung (Aufenthalt in Jugoslawien) und Kopf der Klage (Salzburger Adresse des Klägers) einander widersprächen.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt sie den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, das Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen.

Der Kläger hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Revisionsrekurs der Beklagten keine Folge zu geben. Diese Rekursbeantwortung ist als unzulässig zurückzuweisen, weil keiner der im § 521 a ZPO angeführten Fälle vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und auch im Sinne des primär gestellten Rechtsmittelantrages berechtigt. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist es für die Unterscheidung zwischen einer - in jeder Lage des Verfahrens zulässigen, nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen vorzunehmenden - Richtigstellung der Parteienbezeichnung und einer - auch mit Zustimmung des Prozeßgegners grundsätzlich unzulässigen (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 388; EvBl 1973/281; GesRZ 1981, 176 ua) - Parteienänderung von wesentlicher Bedeutung, ob die betreffende Partei nach ihrer Neubezeichnung noch im Prozeßrechtsverhältnis verbleibt oder ob nun eine andere Partei an ihre Stelle tritt. Eine bloße Berichtigung liegt immer dann vor, wenn die Bezeichnung des als Partei genannten Rechtssubjektes geändert wird, ohne daß dadurch an die Stelle des bisher als Partei angesehenen und als Partei behandelten Rechtssubjektes ein anderes Rechtssubjekt treten soll; eine Parteienänderung ist hingegen dann anzunehmen, wenn an Stelle des bisher als Partei bezeichneten Rechtssubjektes ein anderes Rechtssubjekt in den Rechtsstreit einbezogen werden soll. Als Prozeßpartei ist dabei diejenige Person anzusehen, deren Parteistellung sich aus dem Vorbringen und aus dem Begehren der Klage klar und deutlich ergibt (Fasching aaO Rz 321 ff;

SZ 38/176; SZ 42/146; SZ 44/174; EvBl 1973/281; RZ 1977, 211;

ÖBl 1985, 82; 4 Ob 594/88 uva). Dieser Rechtsprechung ist mit dem durch die ZVN 1983 eingeführten § 235 Abs 5 ZPO im Gesetz selbst Rechnung getragen worden. Wie sich aus den EB zur RV (669 BlgNR 15. GP 52 f) ergibt, wollte der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung jene häufigen Fälle treffen, in denen Fehler bei der Bezeichnung einer Partei - vor allem der beklagten Partei - vom Beklagten schikanös als Grundlage für eine Bestreitung der Klagslegitimation herangezogen werden.

Keinesfalls bietet aber diese Gesetzesbestimmung die

Möglichkeit, einen Parteiwechsel durch Eintritt der richtigen

(= tatsächlich sachlegitimierten) Partei anstelle der unrichtigen

(= nicht sachlegitimierten) Partei in den Prozeß herbeizuführen, und

zwar unabhängig von einer allfälligen Zustimmung des Gegners.

Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Meinung ergibt sich aus dem Klagevorbringen eindeutig, daß der (tatsächlich existente) Radivoje J*** als Kläger auftrat und Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte aus einem Verkehrsunfall vom 14. Juni 1985 gegen die Beklagte geltend machte. Der in der Klagserzählung enthaltene Hinweis, daß der Kläger derzeit in Jugoslawien weile, ist kein Widerspruch zu der in der Klage angegebenen Salzburger Anschrift des Klägers; beides schließt sich gegenseitig nicht aus. Der Ansicht des Rekursgerichtes, es sei aus der Klage jene Person, die als Kläger auftrete, nicht in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar, kann daher nicht beigetreten werden. Vielmehr ergibt sich aus der Klage eindeutig die Parteistellung des Radivoje J*** als Kläger. An seiner Stelle kann nach Eintritt der Streitanhängigkeit im Sinne der dargestellten ständigen Rechtsprechung (auch mit Zustimmung des Gegners) nicht ein anderes Rechtssubjekt in das Prozeßrechtsverhältnis einbezogen werden.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beklagten der angefochtene Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Der Kläger hat die Kosten seiner unzulässigen Rekursbeantwortung selbst zu tragen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses der Beklagten beruht auf den §§ 41, 50, 52 Abs 1 zweiter SatzZPO.

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